Ich sehe nervös auf die Uhranzeige meines Handys und lege es dann wieder in die Tasche.
"Er hasst Unpünktlichkeit.", denke ich und beiße mir auf die Unterlippe.
Dabei ist es nicht einmal meine Schuld, dass ich zu spät komme. Der Bus hatte Verspätung. Natürlich hätte ich auch ohne Probleme ein Taxi nehmen können, da es niemandem auffallen würde, ob nun dreißig oder dreißigtausend Dollar von unserem Konto abgezogen werden würde, aber merkwürdigerweise mag ich es einfach Bus zu fahren. Auch wenn ich es gegenüber meiner Familie und Freunden - nun ja besonders gegenüber meiner Mutter - niemals zugeben würde, aber ich fühle mich in einem stickigen Bus mit Kaugummi und Graffiti an den Wänden wohler als in einem Taxi. Ich mag die Stille in einem Taxi nicht, da der Fahrer genau weiß, woher ich herkomme, wer meine Familie ist und sich so niemals trauen würde, auch nur den Mund in meiner Gegenwart aufzumachen, außer vielleicht um nach der Adresse zu fragen, wo ich hinwill. In einem Bus ist es ganz anders. Niemand kennt mich und vor allen Dingen niemand sieht mich. Ich bin unsichtbar. Normalerweise nichts, das ich erstrebe, aber hier geht es schließlich nicht darum, die beste in der Klasse zu sein.
Ruckelnd hält der Bus an meiner Haltestelle an und ich sehe auf. Eilig werfe ich mir meine Tasche über die Schulter und steige in die warme Novembernacht hinaus.
"Hi ... ehm ... ich ... würde gerne zu Nate Dyllan, bitte.", stottere ich, wie auch die anderen Male von dem Prunk, Luxus und auch Kälte der Lobby samt Portier eingeschüchtert.
Ähnlich wie auch das letzte Mal als ich Nate sehen wollte, zieht der Mann im eleganten Anzug hinter der Rezeption demonstrativ eine Braue hoch und mustert mich wieder einmal skeptisch.
"Und Ihr Name?", fragt der Mann schließlich in vor Arroganz triefender Stimme.
"Erkennt er mich denn nicht?", schießt es mir automatisch durch den Kopf und ich spüre wie das Monster in meinem Bauch interessiert den Kopf hebt, "Natürlich sieht er täglich viele neue Gesichter ... oder liegt es daran, dass ich nicht das einzige Mädchen in - Nein. Schluss damit.", ermahne ich mich selbst und versuche mich wieder auf's Wesentliche zu konzentrieren.
"Jennifer Clark.", sage ich mit bemüht ausdrucksloser Stimme und sehe dabei zu, wie der Portier murmelnd etwas in seinen Computer eintippt.
Nach einigen Sekunden bildet sich ein überraschtes "O" auf seinen Lippen und ich grinse in mich hinein.
"S-Sie stehen auf der Liste.", sagt er schließlich einigermaßen verblüfft, fängt sich dann jedoch wieder recht schnell und tritt hinter der Theke hervor.
Zufrieden lächelnd folge ich ihm bis zu den Aufzügen und steige ein, als die stählernen Türen beiseite gleiten und den kleinen Raum dahinter freigeben. Der Türmann macht ebenfalls einen Schritt hinein, tippt eine Zahlenkombination in die kleine Tastatur ganz oben auf der Knopfleiste ein und steigt dann wieder aus. Die Türen schließen sich und der Fahrstuhl setzt sich ohne die Spur eines Ruckelns in Bewegung.
Ich spüre, wie mein Herz immer schneller und schneller schlägt, je höher mich der Aufzug bringt. Ich versuche meine unregelmäßige Atmung unter Kontrolle zu bringen, aber ich weiß, dass es aussichtslos ist. Meine Finger werden ganz kalt und fangen an zu zittern vor lauter - "Pling!"
Die Türen öffnen sich und ich trete mit weichen Knien heraus.
"Du bist zu spät, Jennifer.", sagt plötzlich eine eiskalte Stimme hinter mir und ich wirble herum. Nate am Türrahmen direkt neben dem Aufzug gelehnt sieht mich mit todernster Miene an.
"I-Ich ... ehm ... tut mir Leid.", nuschle ich und sehe zu, wie er an mir vorbei und in sein Wohnzimmer rauscht.
Ich folge ihm etwas verdutzt und setzte mich mit einigem Sicherheitsabstand neben Nate auf die Eckcouch.
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Alive
ChickLitEs reichte ein einziger Moment, der nicht mehr als ein Bruchteil einer Sekunde andauerte und mein Leben war schlagartig nicht mehr das meine. Ich war ein Gefangener der Liebe. Verloren, während sie langsam und unscheinbar unter meine Haut kroch, bis...