Kapitel 35: Wer nicht hören will muss fühlen

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Ich wirble herum und sehe wieder einmal direkt in ein Paar grüner Augen.

"Was machst du hier, Nate?", frage ich bemüht genervt und versuche das Zittern aus meiner Stimme zu halten.

"Du solltest nach Hause gehen. Du hast zu viel getrunken.", sagt er kalt, ohne auf meine Frage einzugehen. Ich schnaube verächtlich.

"Erstens, bin ich niiicht betrunkeen und zweitens-", ich muss kurz hicksen, "Tschuldigung. Du hast du mir rein gar nichts, nichts", wiederhole ich und werfe ihm einen strengen Blick zu, "zu sagen."

Nate sieht mich einen kurzen Moment an, dann öffnet er bedächtig den Mund, als wüsste er ganz genau, was er sagen wolle.

"Du hast Recht. Ich habe dir nichts zu sagen.", erwidert er ausdruckslos und ich sehe ihn verblüfft an.

"D-Du ...", stottere ich und beäuge ihn misstrauisch.

"Hi. Ich bin Noah und du bist...?", meldet sich Noah plötzlich zu Wort und erst jetzt fällt mir wieder ein, dass er auch noch anwesend ist.

Er steht auf, geht etwas steif auf Nate zu, dessen Miene sich verfinstert und streckt ihm seine Hand hin.

"Nate.", erwidert er knapp, ohne Noah auch nur eines Blickes zu würdigen, schüttelt ihm jedoch auch nicht die Hand.

Noah stutzt für eine Sekunde und zieht dann etwas beleidigt die Hand wieder zurück.

"Ich bring' dir dann mal noch einen Cocktail, OK Jen?", sagt er ohne Nate zu beachten, dessen Gesichtsausdruck so kalt wird, dass er mir, ohne dass er auch nur ein einziges Wort gesagt hat, das Blut in den Adern gefrieren lässt.

"Sie. Hatte. Genug.", knurrt Nate bedrohlich, aber Noah zieht nur unbeeindruckt eine Augenbraue hoch.

Ängstlich stehe ich auf und stelle mich warnend zwischen die beiden, da sie den Eindruck machen, als wären sie Wölfe, die jeden Moment einander anfallen würden.

"Du bist nicht ihr Babysitter und wie du siehst ist sie hier in guten Händen.", zischt Noah zornig und zieht mich etwas grob an sich.

Der unangenehme Geruch von Alkohol steigt mir sofort in die Nase und ich versuche mich von Noah's starken Armen zu lösen, aber sein Griff wird nur noch stärker.

"Wie ich das sehe, bist du weder ihr Vater, ihr Bruder oder ihr Freund, also solltest du jetzt am besten-"

"Klatsch!"

Mit voller Wucht trifft Nate's Faust auf Noah's Kinn und bringt ihn dadurch aus dem Gleichgewicht. Urplötzlich, bevor Noah auch nur ansatzweise auf dem Boden aufschlägt, schubst er mich mit aller Gewalt von sich, sodass ich, von der Kraft von Nate's Kinnhaken ohnehin mitgerissen, gegen einen der festen Metalltische geschleudert werde und gleich darauf ein leises Knacksen vernehme.

Ich schließe sofort die Augen. Mein Herz rast in einem unbändigen Tempo und ich spüre eine heiße Träne über mein Gesicht rollen, obwohl ich nicht einmal weiß weshalb. Immer noch warte ich vergeblich auf den Schmerz, aber er kommt nicht. Ich spüre rein gar nichts. Langsam öffne ich die Augen und schlagartig, von dem plötzlichen Schmerz völlig übermannt, wird mir schlecht. Ein stechender Schmerz breitet sich immer heftiger in meinem Handgelenk, das gegen eines der Tischbeine geschlagen ist, aus und ich spüre die vielen weiteren Tränen über meine Wangen kullern.

"Jennifer. Oh Gott, Jennifer!", ruft Nate verzweifelt und in weniger als einer Sekunde ist er bei mir.

Ohne zu zögern, hebt er mich vorsichtig hoch und sieht mich besorgt an, als ich ein leises Wimmern von mir gebe. Mit zusammengebissenen Zähnen schüttle ich nur mit dem Kopf, um ihm zu verstehen zu geben, dass alles in Ordnung ist und schlinge den einen Arm um seinen Hals, während ich den anderen nutzlos und träge an meinen Körper presse.

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