Warum ich berühmt bin? Wegen meinem Vater. Naja, nicht nur.
Als ich zehn war gewann ich den bundesweiten Kunstwettbewerb für Minderjährige. Die Jury hat ganz schön gestaunt, als sie das Kuvert mit dem Siegernamen aufgemacht hat. Offenbar bin ich die jüngste Junior-Siegerin seit x Jahren. Darauf folgten die aufregendsten zwei Jahre meines Lebens. Nicht, dass die Restlichen nicht auch aufregend waren.
Ich wurde zu Kunstausstellungen und -galen eingeladen und die Hälfte der in Berlin amtierenden Zeitschriften wollten ein Interview oder auch gleich eine ganze Seite von mir in ihrer nächsten Ausgabe und meistens auch in der Übernächsten haben. Mit zwölf hatte ich sogar eine eigene Ausstellung. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Leute mehr Interesse an mir hatten, als an meinen Werken. Alle wollten von sich behaupten können, dem Wunderkind von Berlin die Hand geschüttelt zu haben. Danach wurde ich wochenlang von der schrecklichen Paranoia verfolgt, dass mir die Besucher an jeder Ecke auflauerten und dann so leise hinter mir her schlichen, dass ich nicht einmal das Knattern ihrer Mäntel im Wind hörte.
Vier Monate später ist Papa dann gestorben. Und seitdem habe ich keine einzige Skizze zustande gebracht. Klar, ich hab's versucht. Aber irgendwie ging das nicht. So ohne Paps.
Irgendwann hab ich es dann ganz aufgegeben. An was Papa gestorben ist? Oh, tut euch keinen Zwang an. Es ist ja nicht unanständig oder so danach zu fragen. Sagen tu ich es eh nicht.
„OK, Leute! Der Reihe nach und in alphabetischer Reihenfolge anstellen! Nicht drängeln! Flora! Mach sofort deinen Zigarette aus! Aber flott!". Kollektives Aufstöhnen ist die Antwort.
„Also Kinder! Jetzt macht mal hinne! Wir wollen das doch ganz easy hinter uns bringen!", krächzt Herr Page. Wir nennen ihn eigentlich nur „die Plage", weil sein Name nicht Peidsch (englisch) oder Paasche (französisch) ausgesprochen wird. Einfach nur Page (deutsch) wie die Plage nur ohne L.
Die Plage ist unser Erdkundelehrer und außerdem das Klischee eines alten Lehrers, der jung wirken will:
1. Er trägt ein Toupet.
2. Er hat ein Ziegenbärtchen.
3. Er weiß nicht, wie man ein Ziegenbärtchen trägt (der Bart sitzt genau einen halben Zentimeter NEBEN der Mitte seines Kinns).
4. Er versucht dauernd „coole" Wörter in seine Sätze einzubauen.
Was ihm leider nicht sehr gut gelingt. Er kommt irgendwie wie Charlie Chaplin rüber. Nur mit Ziegenbart. Und in Sepia.
Jedenfalls hat er uns heute in der ersten und zweiten Stunde aus dem langweiligen Klassenzimmer geführt (natürlich im Gänsemarsch) und auf einen noch langweiligeren Ausflug geschleppt.
In die Natur.
Nicht, dass ich was gegen die Natur hätte, aber die Plage schafft es, sogar dieses Thema sterbenslangweilig darzustellen.
Außerdem regnet es. Die Tropfen pladdern auf uns nieder, als wären sie aus irgendeinem Grund böse auf uns. Insgeheim stelle ich mir bei Regen immer vor, dass da oben jemand auf die Erde kotzt. Ich weiß, keine sehr schöne Vorstellung, aber irgendwie schiebt sich mir immer wieder dieses Bild vor Augen.
Aber ich mag Regen. Ehrlich.
Als wir endlich wieder in der Eingangshalle der Schule stehen, den Boden voll tropfen und um die Wette bibbern kommt Frau Kunz angedampft. Sie legt dabei diese besondere Gangart an den Tag, die nur Sekretärinnen beherrschen und um die ich sie immer heimlich beneide.
„Herr Page? Ihre Stunde ist seit etwas mehr als zehn Minuten um, sie müssen die Formulare für den neuen Turnhallenboden unterschreiben und außerdem wartet der neue Schüler seit einer Stunde auf sie", sprudelt es in einem sehr hektischen und mit rotem Lippenstift garnierten Bogen aus ihr heraus. Sie braucht dazu allerhöchstens fünf Sekunden und ist am Ende noch nicht einmal außer Atem. Noch so eine Fähigkeit, um die ich sie beneide.
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Das steht in den Sternen ON HOLD
ParanormalAnastasia ist vierzehn und hat echt alles. Protzvilla mit anschließendem Privatpark, hundertfünfundzwanzig Bodyguards, die das gesamte Gelände bewachen und gratis dazu einen Vormund alias Motzgurke. Aber seit dem Tod ihres Vaters wünscht sie sich ni...