Ein böses Erwachen

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Ein böses Erwachen


Edwards PoV:

Seit Tagen saß ich an diesem Bett im Krankenhaus in Phoenix. Carlisle war schon stinksauer, weil ich unsere Tarnung gefährdete, doch ich konnte sie einfach nicht alleine lassen. Nicht nach allem, was passiert war und wo doch alles nur meine Schuld war. Immer wieder zwangen sie mich zum Essen zu gehen oder so zu tun, als würde ich schlafen.

„Edward, die Ärzte werden misstrauisch, du verlässt jetzt sofort ihr Bett und tust so, als würdest du etwas essen!", befahl er mir. „Ich bleibe solange bei ihr." Er sprach so leise, dass kein Mensch uns hören konnte. Traurig sah ich auf Bella, die immer noch bleich und reglos in diesem Bett lag.

Ich wusste ja, dass Carlisle Recht hatte. Wir durften nicht auffallen, das war unser oberstes Gebot. Aber es war so schwer das Richtige zu tun. Leider musste ich mich dazu zwingen. Ich hatte schon genug angerichtet. Niemals hätte ich zulassen dürfen, dass Bella sich in mich, ein seelenloses Monster, verliebt.

Schnell hauchte ich Bella noch einen Kuss auf die Stirn, sie zu verlassen und, wenn auch nur für einige Minuten, war mir fast unmöglich. Ich hätte sie beinahe verloren und der Gedanke verfolgte mich unaufhörlich. Wäre ich nur ein paar Minuten später in der Ballettschule angekommen, hätte James sie umgebracht und ich war daran schuld. Ohne mich hätte er sich niemals für sie interessiert.

Sie hatte etwas Besseres verdient als mich. Ich brachte ihr Leben nur unnötig in Gefahr. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich nicht so selbstsüchtig wäre und sie verlassen würde, dann könnte sie ein normales Leben führen. Einen normalen menschlichen Freund finden, später heiraten und Kinder kriegen... Was konnte ich ihr hingegen schon bieten? Ich hatte sie in eine gefährliche Welt gezogen, in der sie fast getötet worden wäre.

Sollte ich sie verlassen? Es wäre so viel besser für sie, aber könnte ich es überhaupt? Der Gedanke, dass sie einen anderen anlächeln würde, ihn küssen würde.... Die Eifersucht kochte in mir hoch. Mittlerweile war ich in der Cafeteria des Krankenhauses angekommen. Jazz und Alice saßen auch hier an einem Tisch.

>>Edward! Auf wen bitte bist du eifersüchtig?<<, fragte Jazz mich gedanklich. Er war ziemlich genervt. Der Blutgeruch hier im Krankenhaus machte ihm sehr zu schaffen, aber Alice zuliebe war er mit hier. In der Cafeteria übertünchten die Essensgerüche den Blutgeruch wenigstens ein bisschen. Er schickte mir ein paar beruhigende Wellen und ich sah ihn dankbar an.

„Komm, nimm das Essen mit raus, heute ist es bewölkt, die Sonne kommt zwar zwischendurch kurz raus, aber ich weiß, wo wir hin können. Jasper braucht frische Luft", befahl Alice mir. „Siehst du, wann sie aufwachen wird?", fragte ich sie. Alice konzentrierte sich, schüttelte dann aber traurig den Kopf. „Ich kann sie gar nicht mehr sehen", seufzte sie. „Ich verstehe das nicht. Irgendetwas blockiert mich."

Angst überkam mich, die Ärzte und auch Carlisle waren zuversichtlich, dass Bella bald wieder aufwachen würde, doch warum konnte Alice dann nichts mehr sehen? Alice zog uns zu einem Unterstand, so dass wir vor der wieder auftauchenden Sonne geschützt waren. Die Leute im Park hätten bei dem Anblick, von drei glitzernden Vampiren, bestimmt einen riesigen Schreck bekommen.

Plötzlich nahm ich Carlisles Gedanken wahr, als würde er mich anschreien. >>Bella hat ihre Hand bewegt!<< Carlisle zeigte mir gedanklich jedes Zucken und ich wollte sofort zu ihr eilen, aber Alice hielt mich auf. „Edward, du würdest gesehen! In acht Minuten und dreiundzwanzig Sekunden ist die Sonne wieder weg. Dann kannst du zu ihr", beschwor sie mich.

Sie hatte ja Recht! Aber es fiel mir verdammt schwer, nicht sofort los zu rennen. In Alice' Vision hatte ich aber gesehen, dass mich vier Leute gesehen hätten und das konnte ich nicht verantworten. Ich durfte jetzt nicht an mich denken, sondern musste an meine Familie denken.

„Kannst du sie jetzt sehen?", fragte ich nach. Doch Alice schüttelte wieder nur den Kopf. Jasper schickte mir weiter beruhigende Wellen, denn ich war kurz vorm Durchdrehen. Jede Regung Bellas verfolgte ich durch Carlisles Augen.

Erst bewegte sich der kleine Finger ihrer linken Hand, dann veränderte sich ihre Atmung langsam. Carlisle beobachtete sie mit Medizineraugen und war völlig zufrieden mit ihren Reaktionen. Alles erschien ihm völlig normal. Doch er wollte lieber den behandelnden Arzt dazu holen, um nicht aufzufallen. Schließlich war er kein Mitarbeiter dieser Klinik.

Jasper schickte mir noch mehr beruhigende Wellen, als Carlisle das Zimmer kurz verließ, denn nun konnte ich Bella nicht mehr durch seine Augen beobachten und das nur, wegen der scheiß Sonne. Hätte ich nur nicht auf Alice gehört. Dann wäre ich jetzt nicht hier draußen!

„Edward!", fuhr Jasper mich scharf an. „Du kannst Alice daraus nun wirklich keinen Vorwurf machen. Sie macht sich doch genau solche Sorgen um Bella wie du." Ich blickte Alice an und schluckte, Jazz hatte völlig Recht. Bella war ihre beste Freundin und sie wurde fast verrückt vor Angst, weil sie sie nicht mehr sehen konnte.

„Es tut mir leid, Alice", entschuldigte ich mich sofort bei ihr. Jazz nahm sie fest in seinen Arm, Alice sah aus, als hätte sie angefangen zu weinen, wenn sie es denn noch könnte. Ich sah in ihren Gedanken, wie sehr sie versuchte, wenigstens ein Fitzelchen von Bellas Zukunft zu sehen, doch da war nichts. „Da sind Entscheidungen noch nicht gefallen", sagte sie traurig. Ich hatte Angst davor, was für Entscheidungen das sein würden.

Was sollte ich tun, wenn Bella mich nach allem, was sie mitgemacht hatte, nie wieder sehen wollte? Dann müsste ich ihr diesen Wunsch gewähren. Das wäre ich ihr schuldig! Wir waren einfach viel zu gefährlich für sie.

Carlisle hatte endlich einen Arzt gefunden und folgte diesem in Bellas Zimmer. Endlich sah ich wieder, was sich dort im Zimmer tat. Auch Renée kam wieder zurück, sie hatte mit Phil telefoniert. Sie freute sich, dass ich mal nicht da war. Sie wollte unbedingt, dass Bella sie zuerst sah und nicht mich. Auch wenn es albern war, sie war eifersüchtig, dass ihre Tochter mir so wichtig war und sie hatte Angst, dass ich Bella ebenso wichtig sein könnte.

Bella atmete schwer, scheinbar hatte sie große Schmerzen, ihre Augen rollten unter den Lidern wild hin und her und ihre Hand krampfte sich zusammen. Der Arzt beobachtete sie genau und schlug dann im Krankenblatt nach. „Sie wird gleich aufwachen", sagte er.

Keine zwanzig Sekunden später war es so weit. Bella schlug die Augen auf und sah sich verwirrt um. Renée rückte nah an sie heran. „Hey, Kleines! Wie geht es dir?", fragte sie aufgeregt. „Wie vom LKW überfahren", antwortete Bella heiser. Das Sprechen schien ihr weh zu tun. „Mom, ich habe Durst", krächzte sie weiter. Renée sah den Arzt erwartungsvoll an und er nickte.

„Ich hole dir schnell ein Glas Wasser, Liebes", verkündete Renée und drückte kurz ihre Hand, ehe sie das Zimmer verließ. Sie war überglücklich, dass Bella endlich wieder wach war.

Carlisle trat nun näher ans Bett und Bella blickte ihn direkt an, aber in ihren Augen war kein Erkennen zu sehen. „Bin ich so krank, dass ich gleich zwei Ärzte brauche?", flüsterte sie. „Miss Swan, erkennen Sie Doktor Cullen nicht?", fragte der Arzt und Bellas verwirrter Blick, ließ mich entsetzt aufkeuchen. Sie erkannte ihn wirklich nicht.

>>Edward bleib noch weg! Wir müssen erst herausfinden, an was sie sich erinnert<<, befahl er mir.
Der Schmerz, den ich fühlte war unbeschreiblich, warum erkannte sie Carlisle nicht? Hatte sie auch mich vergessen? Jazz sah mich verwirrt an, als er meinen Schmerz fühlte. „Was ist passiert?", fragte er. „Sie erkennt Carlisle nicht. Wir sollen uns noch fernhalten", erklärte ich mutlos.

Hatte sie mich wirklich einfach so vergessen? War das ihre Chance auf ein Leben ohne Vampire?
„Edward, Nein!", schrie Alice fast, so dass sich einige Leute schon nach uns umsahen. „Doch, Alice! Falls Bella sich nicht an uns erinnert, müssen wir sie verlassen. Es ist besser so für sie", flüsterte ich, auch wenn sich mein kaltes, totes Herz dabei schmerzvoll zusammenzog.

Alice war entsetzt und traurig, aber schließlich nickte sie. Für Bella wäre es besser. „Vielleicht sehe ich sie deshalb nicht mehr", flüsterte sie.



Bellas PoV:

Ich hatte schon oft Schmerzen gehabt, da ich sehr zu Unfällen neigte, aber so schlecht wie jetzt, ging es mir noch nie. Ich war im Krankenhaus aufgewacht und hatte absolut keine Ahnung, was passiert war. Wir hatten die Hochzeit von Renée und Phil gefeiert und dann??? Warum wusste ich es nicht mehr? Hatte ich einen Unfall nach der Feier?

Und warum sollte ich diesen Doktor Cullen kennen? Bei ihm war ich noch nie in Behandlung gewesen. „Miss Swan, was ist das letzte an das Sie sich erinnern?", fragte der Arzt, nicht dieser Doktor Cullen, mich. „Meine Mutter hat geheiratet...", sagte ich.

„Oh mein Gott, Bella! Das war im September und jetzt....", rief meine Mutter aufgeregt, ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie wieder da war. Der Arzt beschwichtigte sie und Mom gab mir erst mal ein paar Schlucke Wasser. Das tat gut.

„Miss Swan, welchen Monat haben wir?", fragte mich Doktor Cullen, mir fiel auf, wie er mich dabei komisch ansah und außerdem fiel mir die seltsame Farbe seiner Augen auf. Golden. Wer bitteschön hatte goldene Augen? „Miss Swan? Würden Sie bitte meine Frage beantworten?", bohrte er weiter.

„September", antwortete ich brav, wenn es ihm denn so wichtig war, das zu erfahren. Doch mit den Reaktionen hatte ich nicht gerechnet. Dr. Cullen sah mich traurig an, Mom keuchte laut auf und gleichzeitig war draußen ein lauter Knall zu hören, bei dem Dr. Cullen erschrocken zusammen zuckte.

„Bella! Heute ist der achtzehnte März", erklärte Mom mir erschrocken und ich konnte es nicht fassen. Wollten die mich hier veralbern? Aber dafür sahen alle viel zu entsetzt aus. Ich stöhnte auf, die Schmerzen und dann dieser Schock, es war alles zu viel für mich.

„Ich gebe ihr erst einmal etwas gegen die Schmerzen", bestimmte der Arzt. „Weitere Untersuchungen können wir später machen. Jetzt sollte sie etwas schlafen." Dann spritzte er etwas in meine Infusion und kurz darauf war ich auch schon tief und fest eingeschlafen.

Als ich später wieder wach wurde, war es dunkel und ich war alleine. Zumindest sah es so aus, aber der Stuhl stand so neben meinem Bett und ich hatte das Gefühl, dass dort gerade noch jemand gesessen hatte. Aber vielleicht wurde ich ja jetzt auch endgültig verrückt? Schließlich fehlten mir auch sechs Monate meines Lebens.

Wie hatte das nur passieren können? Ich musste unbedingt wissen, was passiert war und warum mir jeder einzelne Knochen weh tat. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten und ich hatte Durst. Zum Glück war die Klingel in meiner Nähe und ich konnte eine Schwester rufen. Sie kam auch bald und brachte mir ein Glas Wasser und gab mir Schmerzmittel.

Die nächsten Tage liefen nach dem immer gleichen Muster ab. Krankenhausalltag, morgens um sechs Uhr kam eine Schwester zum Fieber messen. Dann waschen, frühstücken und anschließend Untersuchungen. Die gute Nachricht war, dass mein Gehirn organisch völlig in Ordnung war. Die schlechte Nachricht war, dass ich mich trotzdem absolut nicht an das letzte halbe Jahr erinnern konnte.

Die Sachen, die meine Mutter mir erzählt hatte, konnte ich nicht glauben. Ich hatte seit Januar freiwillig bei Charlie in Forks gewohnt. Freiwillig und Forks schloss sich für mich eigentlich aus. Ich hasste diese verregnete Kleinstadt abgrundtief. Warum hätte ich dort freiwillig hingehen sollen?

Allerdings hatte ich es dort wohl nicht ausgehalten und Charlie war nun tief verletzt, über die Aussagen, die ich ihm beim Abschied an den Kopf geworfen hatte. Wir hatten zwar nun schon mehrmals telefoniert, aber er wollte mir nichts über meine Zeit in Forks erzählen und meinte, dass ich wohl besser bei meiner Mutter bleiben sollte.

Mir tat es zwar leid, dass ich Charlie verletzt hatte, aber ich war mehr als nur ein bisschen froh, dass ich nicht zu ihm ziehen musste. Phil hatte nun zwar eine neue Mannschaft in Florida, aber Renée versprach mir, dass ich das Schuljahr hier an meiner alten Schule zu Ende machen könnte, ehe wir endgültig umziehen würden.

Mein letztes Schuljahr würde ich dann in Miami machen. Das bedeutete zwar auch einen Schulwechsel für mich, aber Miami war mir hundert Mal lieber, als Forks.

Einige Tage nach dem Unfall wurde ich entlassen. Zwar musste ich immer noch mit Krücken laufen und konnte mich nicht an die letzten Monate erinnern, aber in der Klinik konnten sie auch nichts mehr für mich tun. Die Verletzungen mussten von alleine heilen und die Ärzte meinten, dass meine Erinnerungen irgendwann von alleine zurückkommen würden.

Ich hatte große Hoffnungen, dass meine Erinnerungen zu Hause in meinem Zimmer endlich wieder kommen würden. Leider tat sich gar nichts, als ich das Haus betrat. Enttäuscht humpelte ich in mein Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen.


* * * * *

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Das nächste kommt dann am Freitag.


Ich will kein Monster sein (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt