Wasser

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Die wabernde Nebelmasse ließ mich nur wenige Meter weit sehen. Alles war verschwommen, grau und unheimlich. Die Düsternis war beklemmend und machte es mir fast unmöglich zu atmen. Doch langsam verzog sich der Nebel, löste sich in Schlieren auf, die um mich herum schwebten. Nun bemerkte ich auch die Bäume, die um mich herumstanden, den Geruch nach Laub und Tannennadeln, der in der Luft lag. Ein Reh stand nicht weit entfernt von mir und starrte mich regungslos an. Auch ich rührte mich nicht. Scheu und ängstlich wirkte es, aber wie sollte ich dem verängstigten Tier zeigen, dass ich ihm nichts tun wollte? Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung. Da drehte sich es sich in einer schnellen und eleganten Bewegung um und rannte. Ich verfolgte es mit meinem Blick ein Stück weit. Dann war es verschwunden. Enttäuscht schaute ich dem Tier hinterher.

„Manu? Manu, kannst du mich hören?"
Ich schlug meine Augen auf. Jemand schaute mich besorgt an.
Kurz runzelte ich meine Stirn, was zum...?
Dann erkannte ich Herr Zone. Schwach nickte ich. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er wandte sich von mir ab.
„Dario, Dario! Er lebt!"
Ich ließ meinen Blick zur Seite wandern. Dort stand Dario und hielt Takaishii fest. Tief atmete ich ein. Herr Zone schaute mich kopfschüttelnd an.
„Warum hörst du auch nie auf mich? Wie kann man sich denn lieber in Lebensgefahr begeben als sich mit seinen Freunden zusammen zu tun, du hast sie doch nicht mehr alle."
Ein wenig schuldbewusst verzog ich mein Gesicht. Doch er lächelte mich nur an und erhob sich.
„So, Takaishii. Und sie erzählen mir jetzt bitte was passiert ist. Warum wollten sie ihn umbringen?"
Ich schaute zu Takaishii, dessen Hände von Dario auf seinem Rücken festgehalten wurden. Sein hasserfüllter Blick traf auf mich und ich verkrampfte mich augenblicklich. Er knirschte mit den Zähnen und ich war heilfroh, dass Dario ihn davon abhielt mir wieder an die Kehle zu gehen.
Herr Zone sah ihn auffordernd an, aber Takaishii sagte nichts, schaute mich nur an.
Dann wandte er sich doch Herr Zone zu.
„Er ist an allem Schuld."
Ich riss ungläubig meine Augen auf. Er versuchte mich umzubringen und wollte mich dann für alles verantwortlich machen?
„Er war das mit Bergmann", meldete ich mich schwächlich zu Wort.
Herr Zone wirkte verwundert.
„Wie das?", fragte er mich.
„Er hat ihm Drogen untergeschoben, deswegen ist er so ausgerastet."
Herr Zone und Dario schüttelten nur fassungslos die Köpfe.
„Warum?", stellte Dario die Frage, die auch ich mir gestellt hatte.
„Weil ich wollte, dass er Manu umbringt.", antwortete Takaishii zischend und schaute mich schon wieder mit vor Wut funkelnden Augen an.
„Wenn ich Bergmann nicht bekomme, bekommt ihn keiner."
„Seit wann interessieren sie sich für Herr Bergmann?" Herr Zone klang ehrlich verwundert.
Ich schloss seufzend meine Augen und blendete das Gespräch aus. Takaishii hatte mir ja schon alles erzählt, ich fühlte mich zu schwach, als dass ich mich auf das Gespräch hätte konzentrieren können. Herr Zone schien das zu merken, denn er kniete sich besorgt neben mich.
„Dario, kannst du Takaishii ins Gefängnis bringen? Dann reden wir später weiter. Ich will mich jetzt erst mal um Manu kümmern."
Dario sah mich an und nickte. Dann verließ er mit Takaishii den Raum und ließ mich mit Herrn Zone alleine.
„Versuchen sie mal langsam, sich aufzusetzen."
Ich tat was er mir sagte und bald darauf schaffte ich es mit zittrigen Beinen aufzustehen. Er legte einen Arm um mich und half mir so, mein Gleichgewicht zu halten. Fragend sah er mich an und mit einem Nicken lief ich langsam los.
Erleichtert atmete ich die frische Luft ein, als ich durch die Tür ins Freie trat. Als ich so wehrlos unter Takaishii gelegen hatte, hatte ich mich innerlich bereits davon verabschiedet gehabt, jemals wieder Luft in meine Lungen zu bekommen.
Herr Zone wollte mich sanft aber bestimmt auf mein Haus zuschieben, doch ich lehnte mich mit den paar Kräften, die ich bereits wiedererlangt hatte, gegen ihn, und lief in Richtung Gefängnis. Irritiert schaute er mich an, doch ich murmelte nur leise:"Wir müssen Bergi noch befreien" und beschleunigte meine Schritte soweit es eben ging. Sanft hielt er mich fest und schüttelte seinen Kopf.
„Manu, ich will dass du dich jetzt erst mal hinlegst. Dann gehe ich Bergi holen, in Ordnung?"
Widerwillig ließ ich mich von ihm zu seinem Haus schleifen, wo er mich anwies, mich auf sein Bett zu legen. Erschöpft schloss ich meine Augen. Aber ich hatte es geschafft, Bergi war frei, er würde nicht sterben müssen. Und das war doch von Anfang an mein Ziel gewesen. Doch würde er jetzt noch etwas mit mir zu tun haben wollen, schließlich brauchte er mich jetzt nicht mehr. Bei diesem Gedanken zuckte ich innerlich zusammen. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, wie würde das mit uns weitergehen, falls es ein „uns" überhaupt gab. Traurig rollte ich mich zusammen und versuchte diese Gedanken zu ignorieren. Doch sie geisterten in meinem Kopf umher, und hatten wohl keine Bedürfnis, aus diesem wieder zu verschwinden.
Wie hatte ich mir das eigentlich vorgestellt? Jetzt hatte ich mir zwar eingestanden, dass ich definitiv mehr für ihn fühlte als Freundschaft, aber was sollte ich mit diesem Wissen tun? Ich reagierte immer noch ein wenig ängstlich, sobald er mir zu nahe kam, er kannte noch nicht einmal mein Gesicht und ich würde mich doch niemals trauen ihn einfach zu küssen. Er bedeutete mir so viel, war so ein besonderer und liebenswerter Mensch, ich hatte viel zu viel Angst etwas falsch zu machen. Noch eine Chance würde er mir doch bestimmt nicht geben, oder..?
Auf einmal spürte ich einen sanften Druck auf meiner Schulter. Ich hatte überhaupt nicht gehört, dass jemand hereingekommen war. Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah Bergi vor mir stehen. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, doch sein Blick war vorwurfsvoll. Ich hatte es doch geahnt, warum sollte er noch etwas mit mir zu tun haben wollen.
„Du bist doch so ein Idiot, er hätte dich umbringen können!"
Aus seiner Stimme sprach nur Verzweiflung und Angst, das überraschte mich.
„Manu, du hättest tot sein können. Das kannst du mir doch nicht antun."
Er kniete sich neben mich und lächelte mich an. Wie sehr ich das vermisst hatte.
In dem Moment kamen noch Kedos und Dario dazu.
„Selbstgespräch wird der neue Sheriff werden, er kam gerade zum Gefängnis und hat gesagt, er übernimmt das." , sagte Dario.
Ich nickte zustimmend. Selfie schien ein vernünftiger und ruhiger Kerl zu sein. Er würde seinen Job bestimmt gut machen. Dann landeten alle Blicke wieder auf mir.
„Wie fühlst du dich?", fragte Herr Zone und ich zuckte als Antwort mit den Schultern.
„Ganz gut?"
Etwas vor sich hin murmelnd ging er zu einer Kiste und kam mit ein paar Kräutern wieder, welche ich misstrauisch beäugte.
„Nur zur Sicherheit", meinte er zwinkernd und drückte mir die Kräuter in die Hand.

Die zwei Seiten eines MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt