Mitbringsel

109 4 0
                                    


Nachdem Claire aufgelegt hatte, ließ sie für einen Moment ihren Tränen freien Lauf. Sie glaubte sowieso noch niemals in ihrem Leben soviel geheult zu haben, wie in den letzten Tagen.
Das überaus wortkarge Telefonat mit Owen zehrte mehr denn je an ihrem ohnehin schon dünnen Nervenkostüm.
Zu wissen, das er auf Nublar war, um ein Teil der Mission zu sein, welche die Produkte eliminiert, ließ sie fast verrückt werden vor Mitleid und Sorge um ihn.
Ein Gefühl, dessen sie sich immer verwehrt hatte, doch seit dieser Mensch in ihrem Leben aufgetaucht war, war ihr ganzes geordnetes Leben Stück für Stück so dermaßen aus den Fugen geraten, dass sie sich nicht einmal sicher war, DAVOR überhaupt eines gehabt zu haben.
Sie musste ihrer eigenen Erschöpfung nachgeben, nachdem sie am Mittag eine Pressekonferenz abgegeben hatte, um die Vorgehensweise auf Nublar zu erklären und war in ihr Appartement gefahren.

Im Fernsehen gab es nur ein Thema: Die Sicherheit im Katastrophenpark: Jurassic World.
Ganz hinten in ihrem Kopf bohrte sich auch der Gedanke daran, dass sämtliches Material in der Nacht aus dem Labor verschwunden war, durch ihre Hirnwindungen und sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung wohin, oder wofür.
Natürlich wusste bisher niemand davon, außer denen die das Material natürlich entwendet hatten und den zu diesem Zeitpunkt Anwesenden im Labor.
Davon waren zwei Personen Kids und von den restlichen Erwachsenen einer zu Velociraptorfutter geworden ( zumindest teilweise...Claire drehte sich der Magen um, wenn sie nur daran dachte) naja und sie und Owen.
Sie hoffte inständig diese Tatsache irgendwie übergehen zu können.
Es war, als sei sie in einem niemals enden wollenden Altraum gefangen.
Sie wusste, dass sie all das besser verkraften würde, wenn sich nicht in das ganze Desaster auch noch mit einmischte, dass nun ein Teil ihres Herzens in der Person eines ganz bestimmten Raptortrainers auf der Insel herumlief.
Es fühlte sich so an, als habe es seit ihrer ersten Begegnung ewig in ihr geschlummert um nun, nachdem all das passiert war, aus ihr herauszubrechen wie ein unaufhaltbares Virus.
Am liebsten wäre sie von alledem davon gelaufen.

Claire war froh, dass nach der fast schlaflosen Nacht endlich der Morgen sein dämmriges Licht in ihr Schlafzimmer schickte.
Sie hatte sich in ihrem Bett hin und hergewälzt, mal auf die Bettseite auf der sie zuletzt geschlafen hatte, dann wieder auf die Seite auf der Owen gelegen hatte.
Doch wenn sie den Kopf in das Kissen drückte, tat sein Geruch so unendlich weh, so dass sie wieder zurückglitt auf die andere Seite des Bettes in der Hoffnung Ruhe zu finden.
Auch wenn Chaos in ihrem Kopf, und sie nach all den Erlebnissen total durch den Wind war, so glaubte sie doch, sich noch niemals zuvor so sicher gefühlt zu haben, als in der letzten Nacht in seinen schützenden Armen.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, je eine Nacht davor so ruhig und gut geschlafen zu haben.
Clarie schaute den Sonnenstrahlen zu, die über den Steinfußboden krochen und versuchte in den Linien Bilder zu erkennen, während die Sonne immer höher stieg.
Wenn es die zweite Fliesenfuge erreicht hat, stehe ich auf...
..die dritte....
...die...
Das Haustelefon klingelte.
Claire tastete ohne hinzusehen nach dem Hörer auf ihrem Nachttisch und hob ab.
"Ja?", meinte sie müde.
"Hier ist Carlos Mrs. Dearing, ihre Schwester ist hier...soll ich ihr sagen, dass es zu früh ist..?."
Ein Hauch von einem Lächeln flog über ihr Gesicht: "... Nein ..schicken sie sie hoch..."

Wenig später stand ihre Schwester vor der Tür, ihr Gesicht wirkte längst nicht mehr so grau wie an dem Tag, in der Reedereihalle.
Sie drückte Claire vorsichtig an sich.
"Wie geht es dir?", meinte sie und klang ganz so, wie sich große Schwestern anhören mussten und reichte ihr einen Starbucks Kaffeebecher.
Sie streichelte ihr vorsichtig das Gesicht, "ich habe die Presse Konferenz gesehen, du hast dich tapfer geschlagen. Mom lässt dich grüßen, sie wartet bist du dich meldest, sie möchte dir nicht im Weg sein. Aber sie macht sich sehr große Sorgen," teilte sie ihr die Infos mit und trat ein.
Seit ich weiß wie sicher und ruhig man Nachts schlafen kann, geht es mir heute so beschissen wie noch niemals in meinem Leben.
"Es geht..." log sie und nippte an dem Kaffee.
Karen setzte sich auf einen der Lederstühle am Esstisch und stellte eine kleine Papiertüte auf den Tisch.
"Wir werden abreisen Claire", sagte sie und es fiel ihr schwer, sie zurück zu lassen, "Bitte komm nach sobald du kannst... ihr... ich meine...Owen ist...." , sie sah sich suchend um.
"Er ist nicht hier..", meinte Claire und versuchte nicht allzu verbittert zu klingen, aber allein das auszuprechen fühlte sich an, als würde man ihr bei vollem Bewusstesein das Herz herausreißen.
"..Nein?", machte Karen verwundert.
"Er ist zurück nach Nublar..." die Worte fühlten sich an, als wäre es Säure in ihrem Mund.
Karens Augen weiteten sich, " Wieso das denn!?"
"Er wurde vom ACU dazu verdonnert, die räumen da auf."
Jetzt schlug Karen sich entsetzt die Hand vor den Mund, um sie gleich darauf wieder herunter zu nehmen: "Das erzähle ich Gray besser nicht, ich habe ihn kaum dazu bekommen im Hotel zu bleiben. Er wollte unbedingt mit herkommen, wegen ihm, ich konnte Gray auf ein anderes Mal vertrösten... " jetzt machte sie die Papiertüte auf," er hat nämlich ein Geschenk für Owen eingepackt, zu Weihnachten." sie lächelte mit dem Stolz einer Mutter und legte ein unbeholfen verpacktes, kleines, buntes Päckchen auf den Tisch.
Es klebte ein Zettel darauf, auf dem in Grays krakeliger Handschrift geschrieben stand :
Owen! Nicht vor dem 25. Dezember öffnen !! Gray! -
Claire nahm das Päckchen in die Hand und drehte sich von ihr weg, um es auf die Küchentheke zu legen und zu verbergen, dass sie schon wieder Heulen musste ohne etwas dagegen tun zu können.
Augenblicklich spürte sie die Hand ihrer Schwester auf ihrem Rücken, die sie sanft zu sich herumdrehte und sie in den Arm nahm.
"Hey... schhh.. ich weiß, dass ist alles schwer für dich, aber es geht vorbei. Die Jungs nehmen es dir nicht übel...falls dich das schonmal beruhigt..."
Clarie schluckte den Kloß hinunter und es kam einfach über ihre Lippen, ohne das sie es verhindern konnte ."...ich habe solche Angst, dass er nicht wieder zurückkommt...Karen..."
Karen strich ihr sanft über das von der Nacht zerzauste Haar.
"Wer hätte das gedacht von dir...", Karen konnte sich den Kommentar nicht verkneifen, "es wird schon gut gehen..."
Claire schaffte es nichteinmal sauer auf sie zu sein, weil sie ja nicht die Spur einer Ahnung von dem hatte, was da vor sich ging, und sie wollte es ihr lieber nicht erzählen.
Du hast keine Ahnung was mit mir passiert ist! Ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst. Es fühlt sich schrecklich an! Da bin ich lieber mit mir allein, damit kann ich wenigstens umgehen..

Owen hatte das Gebiet um seinen Trailer weiträumig abgeschritten, ohne irgendetwas von einem Tier zu entdecken.
Als die Nacht hereinbrach, hatte er mehrfach die Schläge der Geschosse gehört, scheinbar waren sie mittleweile am anderen Ende der Insel mit dem Fortkommen ihrer Mission beschäftigt.
Schließlich hatte er sich doch, um die Nacht herumzukriegen, in den Trailer zurück gezogen, was ihm sichererer vorkam, als auf dem Sitz des Jeeps.

Den Repertierer und eine Gaslaterne neben sich, hatte er die Nacht in einem Stand by Schlaf verbracht, um auf jedes noch so kleine Geräusch aus dem Dschungel zu hören.
Jedoch waren es nur die vertrauten Geräusche die immer da waren.
Lediglich das tiefe Singen der Sauropoden, das Nachts oft herübergeweht kam, fehlte.
Eben diese vertrauten Geräusche hatten ihn gegen Morgen doch tief einschlafen lassen, was ihn umso erschrockener aus dem Schlaf hochfahren ließ, als er erwachte.
Waren da nicht Geräusche gewesen?
Sein erster Handgriff ging zum Gewehr und er versuchte kein Geräusch zu machen, als er sich leise zu einem der Fenster schlich, um nachzusehen.
Er konnte nichts entdecken.
Also machte er sich auf den Weg zur Eingangstür, öffnete sie zaghaft und erst als er sich sicher war diese gefahrlos ganz öffnen zu können, ließ er sie aufschwingen.

Ein Bild der Verwüstung das Seinesgleichen suchte, bot sich ihm dar.
Draußen stand kein Stein mehr auf dem Anderen.
Nahezu jeder Gegenstand war irgendwie umgeworfen worden, der feuchte Boden war aufgewühlt, als wäre eine Horde Wildschweine am Werk gewesen.
Vorsichtig trat er einen Schritt hinaus, nicht ohne die Waffe im Anschlag zu behalten und sie leise durchzuladen.
Er ging noch einen Schritt vorwärts und zuckte zurück, als sein Fuß etwas Weiches berührte.
Owen blickte nach unten und sah dann worauf sein Fuß stand:
Es war das kräftige Bein eines Gallimimus, fein säuberlich wie eine Truthahnkeule mit einem Rasiermesser vom Rumpf getrennt.
Er wagte es kaum zu Glauben, woher diese besondere Handschrift rührte.
Ungläubig blickte er auf und suchte das Gebiet mit den Augen ab.
Er konnte nichts entdecken und so stieß er einen seiner Pfiffe aus, in der Hoffnung er würde eine Antwort bekommen.
Einmal.
Zweimal.
Dann vernahm er das leise Schnorren aus dem Dickicht, welches er nur allzugut kannte.

Why we really need a 2nd one!       © Lina Schön OKTOBER 2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt