Die Verlobte von Mr. Grady

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Claire schnellte aus dem Schlaf hoch.
Klingelte ihr Handy?
Hektisch tastete sie danach, um erleichtert und doch irritiert festzustellen, dass es keinen Laut von sich gegeben hatte.
Sie quälte sich aus dem Bett, ging zum Balkon und öffnete die Tür.
Es war stockfinster draußen und sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie dieses unsägliche Mobiltelefon immernoch neben sich piepsen hörte .
Sie atmete tief die Nachtluft ein, nahm dann das Gerät nochmal in die Hand und wischte sich durch die Kontakte.
Malvot, Barry.
Ob sie ihn anrufen sollte?
Vielleicht hatte Owen mit ihm schon längst darüber gesprochen, was mit den Raptoren passieren sollte.
Irgendwas in ihr sagte ihr, dass sie Etwas tun musste, damit Delta und Blue nicht ihrem Schicksal überlassen waren.
Sie war überrascht von sich selbst, aber wenn alles das hier keinen guten Ausgag nehmen würde, dann wollte sie wenigstens Owens Mission zu Ende führen, und dazu benötigte sie die Hilfe eines erfahrenen Raptor Trainers. Der einzige vertrauenswürdige Mensch der ihr dafür einfiel war Owens bester Freund.
Wie von selbst glitten ihre Finger über den Anruf - Button.
Hast du mal auf die Uhr gesehen? Der wird sich freuen!
Claries Augen wanderten zu der Zeitanzeige in ihrem Smartphone: 4.23 AM
" Ja..." murmelte es benommen aus dem Gerät, als Claire gerade wieder auflegen wollte.
"... Hier ist... ", stammelte sie los und sie wusste garnicht was sie sagen sollte.".... Hallo.... Barry.... " schnaufte sie hilflos.
"Claire?" war die schlaftrunkene Antwort.
"Ja... "
"Was ist los?" fragte er und seine Stimme wurde mit jedem Satz munterer.
"Barry....", fing sie wieder an und presste die Lippen zusammen, weil sie die Tränen aufzuhalten versuchte. "Weinst du?" sie hörte das Knistern von Bettzeug.
"Nein," log Claire und wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Sie holte tief Luft und versuchte Worte zu finden.
"Geht es euch gut? " er klang nun besorgt.
Seit sie sich ihre Wege vor der Reedereihalle getrennt hatten, hatte er nichts mehr von ihnen gehört, außer einer Textnachricht seines Freundes, dass er seine Sachen auf Nublar holen wollte und sich wieder melden würde.
Er wusste nur, dass Owen mit Claire zu deren Wohnung an dem gut situierten Küstenstreifen Bajamar in Costa Rica gefahren war.
Barry hatte andere Sorgen, als sich um seinen Kram auf der Insel zu kümmern.
Er brauchte eine Bleibe, damit er das Motel, das er zur Zeit bewohnte, schleunigst gegen eine richtige Wohnung tauschen konnte, warum ihm erst jetzt auffiel, dass es bereits fast zwei Wochen her war, seit ihrem letzten Kontakt.
"Können wir uns treffen? Ich muss etwas mit dir besprechen? " ging sie nicht auf seine Frage ein und versuchte sachlich zu bleiben, damit ihr Verstand nicht wieder durchdrehte.
" Wann? JETZT?! " kam es entsetzt vom anderen Ende.
Am liebsten schon
"Sagen wir in 4 Stunden... Ja? In Alajuela.... "
"Ich dachte ihr seid in Bajamar....? "wunderte er sich.
"Komm einfach dahin, wir treffen uns im Papaveros...", sagte sie dann und verabschiedete sich von dem verwirrten Barry.
Sie hatte einfach nicht die Kraft ihm bei einem Telefonat zu erklären, was alles geschehen war, und dass sie das Gefühl hatte, die Erde hätte sich dreimal schneller gedreht als gewöhnlich.

An Schlaf war nicht mehr zu denken. Denn Claire war nun nicht mehr erschöpft genug, um auch nur die Augen zu schließen, so gab sie sich einer ausgiebigen Dusche hin und stieg dann ins Auto, um die einstündige Fahrt ins Krankenhaus anzutreten.
Sie ließ ihr Handy dabei nicht eine Sekunde unbeachtet und hoffte doch inständig, dass es nicht klingeln würde.
Gerade, als sie in dem Leihwagen die Fahrertür schloss, rappelte der Aparat auch prompt los.
Sie fuhr zusammen - einem Herzinfarkt nahe.
Wenn das jetzt so weitergeht bei jedem Anruf, werde ich ein Fall für die Klapsmühle!
Sie griff nach dem Hörer und atmete erleichtert auf, als Anamikas Stimme mit ihr sprach : "Hat mein Vater bei InGEN eigentlich nur Idioten beschäftigt?" plapperte sie los und im Hintergrund konnte Claire das geschäftige Treiben eines Büros vermuten.
"Ich würde dir diese Frage gerne mit NEIN beantworten.", seufzte Claire.
Sie legte das Gespräch auf die Freisprechanlage und startete den Wagen.
Anamika ließ einen verächtlichen Laut hören, "... jedenfalls habe ich denen im Büro gesagt, das, du vorerst mal andere Dinge zu klären hast. Ich habe Unterlagen von Hoskins gefunden, die Berichte liest du besser nicht... Ich weiß nicht was sich mein Vater dabei gedacht hat..."
Claire war ein wenig verwundert, dass tatsächlich jemand da war, der ihr nun so das Heft aus der Hand nahm, offensichtlich war das Mädchen mit einem mal davon besessen dem Unternehmen einen gehörigen Touch Anamika zu verpassen, nachdem sie zurückgekehrt war.
Sie bewunderte sie dafür.
Allerdings hielt sich auch Anamikas Vorbelastung in Grenzen.
Bloß einmal von einem Tyrannosaurus durch den Dschungel gejagt...Pah, was für eine leichte Übung! - Mach das Ganze mal auf High Heels quer über diese Insel, auf der Flucht vor einer Tötungmaschine die Ihresgleichen sucht. Ganz zu Schweigen von dem Rest.
"Mehr Zähne...", murmelte Claire spöttisch Simon Masranis Leitspruch herunter.
"Ja... Hauptsache die Leute staunen über Masrani Global. Ich versuche immer noch herauszufinden, was meine Alternative sein soll, von der sie gesprochen haben. Irgendwie will mir das niemand mitteilen und keiner weiß wo sich Mr. Wu zur Zeit aufhält. Jedenfalls habe ich ersteinmal dafür gesorgt, dass das Gemetzel auf Nublar aufhört."
Claire schluckte.
WAS?!
"Was....?"
"Ich habe die Einheiten zurückkommen lassen, ist doch meine Insel! Laut den bestehenden Listen geht es sowieso nur noch um den T - Rex ein paar Akylosaurus und hmm Blue... von der sie WISSEN..." meinte sie stolz , als habe sie eine Verschwörung ans Laufen gebracht.
Claire verzog das Gesicht.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Anamikas Bewusstsein über ihren Einfluss mit einem Mal wunderliche Flügel bekommen hätte.
Sie nahm sich vor, das Ganze besser im Auge zu behalten, damit sie nicht endete wie ein Spielkind vor einem viel zu großen Ameisenhaufen mit einem Brennglas.
Dinge für die Firma im Zaum halten, DAS konnte sie schließlich - was sie nicht konnte, war das was vor ihr lag.
Der Weg nach Alajuela ins Krankenahaus.
Sie hatte das Gefühl, als sie gestern das Zimmer verlassen hatte, sie würde ihr Herz dort zurücklassen.
Zumindest das was davon noch übrig war.
Es fühlte sich an, als habe sie einen kleinen bis zur Unkenntlichkeit zertretenen Haufen Matsch in ihrer Brust, der unaufhörlich schmerzte.
Ja Claire, jetzt weißt du endlich was es bedeutet, wenn die Sorge um einen geliebten Menschen, einen wahnsinnig werden lassen kann! hatte Karen gestern noch gesagt und erst jetzt fand Claire es gehässig.
Wahrscheinlich hatte sie es aber nur nett gemeint, allerdings kannte Claire dieses Gefühl nicht und gerade DAS machte das Ganze hundertmal schwerer.
"Anamika können wir später weitersprechen, ich bin auf dem Weg nach San Rafael..."
Claire konnte sich nicht mehr konzentrieren, der bloße Gedanke an das was sie gleich erwarten würde, raubte ihr jegliche Kraft zum Nachdenken.
"Sicher. Wie geht es ihm denn?", fragte Anamika und klang plötzlich sehr kleinlaut.
"Ich komme später ins Büro...ich weiß nicht genau wann, in Ordnung?" lenkte sie von der Frage ab und beendete das Gespräch.

Claire hätte sich am liebsten irgendwo versteckt, als ihr die selbe Schwester, die sie mit Anamika gestern so rüde stehen gelassen hatte, auf dem Flur entlangkam.
"Der Doktor ist noch nicht da...", quakte sie ihr direkt Grußlos entgegen.
Scheinbar um Claire sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen, von ihr eine Information zu erfragen.
Claire holte tief Luft und seufzte, " Ich möchte einfach nur da sein... ist das in Ordnung? Bitte..." sie hatte keine Kraft ihr etwas standhafteres zu entgegnen. Sie hoffte nur das Bild von gestern hätte sich geändert, wenn sie das Zimmer betreten würde.
Doch natürlich war ihr klar, dass das nicht sein konnte.
"Wenn sie nichts Besseres zu tun haben...", meinte sie schulterzuckend.
"Nein...", schnaufte Claire kraftlos, " gerade mal nicht...gibt es irgendwelche Veränderungen?", meinte sie müde fragend
"Schätzchen...", gab die Schwester nun abschätzig zur Antwort, " habe ich ihnen nicht gesagt der Arzt kommt erst später her? Soweit ich weiß, sind sie doch als Kontaktperson für ihren Verlobten angegeben. Hat man sie angerufen?"
Claire schüttelte wortlos den Kopf.
"Was fragen sie mich also dann ?"
Claire mobilisierte ihre letzten Reserven.
"Wissen sie was? Ich kann nichts dafür, dass sie ihren Job nicht gerne machen! Und das mich mich nicht leiden können, wissen wir ja bereits. Aber Ich möchte ihnen mal eins sagen: Soweit ich weiß, ist es ihre verdammte Pflicht mir eine Auskunft darüber zu erteilen wie es... meinem ..Ver... Ver...Verlobten geht! Es würde mir schon reichen, wenn sie mir mitteilen würden, dass er in dieser Nacht nicht GESTORBEN ist!!!" Dann brachen bei ihr alle Dämme.
Sie heulte bis sie nichts mehr sah und stürmte dabei zu dem Gang der Intensivstation, in dem das Zimmer lag, welches sie erst gestern verlassen hatte und klingelte am Eingangsbereich.
Eine unbekannte Schwester öffnete ihr und Claire wischte sich die Tränen aus dem Gesicht während sie um Fassung rang.
"Ich..ich möchte zu Owen Grady...", schluckte sie als die Schwester sie auffordernd anblickte.
Diese Schwester war noch zierlicher als die von gestern und ihr Haar war kurzgeschnitten. +
Mit ihren großen, blauen Kulleraugen und der vergleichsweise kleinen, spitzen Nase erinnerte sie Claire an eine Comic Elfe.
"Sind sie seine Verlobte? Sie waren gestern schon hier, oder?"
"Ja..." nuschelte Claire heraus.
Sie konnte sich an Anamikas Notlüge noch immer nicht gewöhnen und erwartete eigentlich jeden Moment, dass man das herausfand.
Die puppenartige Schwester lächelte liebevoll und berührte sie am Arm, als sie die Türe öffnete, um Claire herein zu lassen.
"Wie geht es ihm denn?", starte Claire nun nochmal einen Frageversuch, aufgemuntert von ihrer positiven Haltung.
Das zuckersüße Lächeln verschwand nicht aus ihrem Gesicht.
Ob sie das wohl geübt hat? Man bekommt ja Karies vom hinsehen!
"Er ist soweit stabil...", ließ sie sie wissen, "Dr. Hennesy hat heute morgen bereits veranlasst die Narkosemittel zu verringern..."
Claires Mine hellte sich auf, das hörte sich positiv an, bis zu dem Moment als es aus ihrem Puppenmund kam: "Wir gehen davon aus, dass er in den nächsten Tagen aufwachen kann..."
"...den nächsten...Tagen..." murmelte Claire und kam nun mit ihr vor Owens Zimmer zum stehen.
Sie ließ ein Lachen hören, dass wie bestellt auf ihre elfenartiges, Puppendarsein passte, denn es hörte sich an wie das von Tinkerbell, "... es dauert eine Weile, bis die Mittel abgebaut sind. Er schläft sehr tief. Wir werden nun abwarten wie er zurecht kommt und dann die nächste Stufe einleiten. Haben sie Geduld. Es wird schon alles gut werden..." meinte sie aufmunternd.
Der letzte Satz von Tinkerbell gab Claire das Gefühl, als würde ihr Herz einen Hopser machen.
Es wird alles gut werden! Kannst du mir das aufschreiben Tinkerbell?
Sie schob die Tür auf und das Bild von gestern war unverändert.
Erneut schob die Schwester den Stuhl heran und überprüfte die Apparaturen.
Sie blickte auf ihre Uhr undwartete ab, bis Claire sich zaghaft auf den bereitgestellten Stuhl gesetzt hatte.
"Ihre Verlobte ist hier Mr. Grady", murmelte sie leise und niedlich neben seinem Kopf und sah sich die Zahlen auf dem rhythmisch piependen Monitor an.
Claire sah bloß die Herzfrequenz in gleichmäßigem Takt auf und ab flackern und die Zahlen die dort herumblinkten.
Sie fragte sich, wie man aus alledem etwas herauslesen konnte.
Das Beatmunggerät zischte weiterhin und wie gestern nahm sie seine Hand behutsam in ihre.
"Ich rede oft mit den Patienten... es ist wichtig für sie, dass sie wissen wer kommt und wer da ist...", meinte sie und zuckte die schmalen Schultern, als wollte sie sagen: Was denn sonst? "Wissen..?", meinte Claire und versuchte in seinem Gesicht etwas zu finden, an das die den Blick heften konnte, das NICHT nach Krankenhaus aussah.
"... ja sie wissen das...glauben sie mir." sie hörte einfach nicht auf zu Lächeln.
Das ist ja fast noch unerträglicher, als das Gezicke von Schwester Pummel!
"Hier..." meinte sie und tippte mit der Rückseite ihres Kugelschreibers, den sie aus ihrer Kitteltasche gezogen hatte, auf den Monitor, " er hatte eine sehr unruhige Nacht, nachdem sie gegangen sind und jetzt, ist alles ganz ruhig. Er wird wissen das seine Verlobte nun hier ist..." meinte sie, als erklärte sie einem kleinen Kind einen völlig logischen Sachzusammenhang.
Claire konnte ein Grinsen nicht underdrücken.
Wenn er ja selbst wüsste WER das ist.
Sie stellte sich vor, wie Owen tatsächlich nun in seinem merkwürdigen Zustand irgendwo in einer Ecke seines benebelten Hirns saß und vor sich hingrübelte, woher er plötzlich eine Verlobte hatte.
Eine seltsame Vorstellung.
Ein sehr tiefes Seufzen ging plötzlich und unvermittelt durch seinen Körper. Claire zog erschreckt die Hand weg und zuckte unwillkürlich zusammen.
"Shhh alles gut... das ist normal...es ist ein gutes Zeichen... reden sie mit ihm, erzählen sie ihm was...manche Angehörige lesen den Patienten vor und es gibt auch welche die sich daran erinnern... Planen sie doch ihre Hochzeit." kicherte sie nun keck und Claire hielt die Luft an, ".. so eine Gelegenheit ihm abzuringen was sie schon immer wollten, bekommen sie nicht wieder..."
Claire ließ ein unterdrücktes Schnauben hören.
Jetzt ist es allmählich genug!
Sie ließ wieder ihr Tinkerbelllachen ertönen und schwirrte aus dem Zimmer, um kurzdarauf nochmal ihr Elfenköpfchen hineinzustecken: " Ach, Mrs. Dearing, würden sie vielleicht gleich mal zum Schwesternzimmer kommen? Ich benötige noch ein paar Informationen für die Formalitäten."  




Why we really need a 2nd one!       © Lina Schön OKTOBER 2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt