Anamikas Wunsch

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Owen konnte kaum glauben was er sah, als sie ihren grau - blauen Kopf aus dem Dickicht streckte.
Er nahm das Gewehr langsam herunter.
Sie sah in so durchdringend an und er starrte eine ganze Weile zurück, bis er es endlich schaffte den Mund zu öffnen, um etwas zu sagen: "Ich habe dich gesucht. Mensch Blue... Wie kriege ich dich bloß hier weg.... Wenn du wüsstest wie kompliziert das alles ist...."
Er streckte vorsichtig seine Hand aus und flüsterte beruhigend : " Sssh, ich werd' mir was einfallen lassen, du musst aufpassen..hörst du? Blue...braves Mädchen.."
Blue senkte kurz den Kopf, gab einen warnenden Laut von sich und wendete den Blick dann unruhig ins Dickicht, aus dem sie gekommen war. Sie tat ein paar Schritte, um dann inne zu halten und wieder seinen Blick zu suchen.
Sie öffnete das Maul und ließ einen fauchenden Laut ertönen.
Aus irgendeinem Grund machte Owen tatsächlich ein paar Schritte hinter ihr her, als sie mehr im Dickicht verschwand, um ihr zu folgen. Einem Raptor ins Unterholz folgen ist eine Super Idee Owen! Hast du noch mehr davon? Doch irgendwie lag nichts bedrohliches in der Luft.
Er beobachtete sie genau, sie war nicht in Abwehrhaltung.
Ihre Aufmerksamkeit galt auch weniger ihm, es musste etwas anderes sein.
Was ihn dazu veranlasste, die mögliche Bedrohung durch den Repertierer für seine Raptordame sofort auszuschalten , indem er die Waffe wieder sicherte und sich über die Schulter hängte.

Je dichter die Schlingpflanzen und Sträucher wurden, umso dämlicher kam ihm seine Idee vor.
Wenn sie doch nur Hunger hatte? Vielleicht suchte sie bloß einen geeigneten Platz, um ungestört zu sein?
Was hast du nur für Gedankengänge? Sie war loyal bis zum Ende, dass hätte sie auch früher erledigen können... du kennst sie doch!
"Ich hoffe mal das mein Vertrauen in dich nicht darin endet, dass du mich als Frühstückshappen verputzt. Ich glaube, dann habe ich Claire einiges zu beichten.", murmelte er vor sich hin, während er einen Büschel Lianen beiseite schob, um festzustellen, dass es sinnlos war, weil ihm die Nächsten bereits feucht und mit rauen Blattkanten ins Gesicht wischten.

Sie blieb so unvermittelt stehen, dass er um ein Haar in sie hineingelaufen wäre.
Doch Blue machte das typische Geräusch, das Raptoren machten, wenn sie einander begrüßten und welches ihm die Knie weich werden ließ.
Wen oder WAS begrüßt sie denn da?
"Ok Blue... ehm... wer ist dein Freund, ich hoffe er ist kleiner als du, he?..", meinte er hilflos, " hey! Ich rede mit dir!",fuhr er dann strenger fort, in Erwartung, dass er endlich ihre Aufmerksamkeit bekam, um sie zu bannen.
Blue wendete sich mit gesenktem Kopf ins Blattwerk und als er die Stimme hob, drehte sie sich endlich zu ihm um.
Ihre funkelnden Augen fixierten seinen Blick und aus ihrer Kehle kam ein beruhigender schnorrender Laut.
"Ok...sehr gut....",raunte er zurück, "... das ist wunderbar...Blue..." beschwörend formte er die Worte, die er immer benutzt hatte, um mit ihnen zu kommunizieren.
Es fiel ihm mit einem Mal so leicht wie noch nie, in freier Wildbahn, ohne Gatter, Zäune oder Sicherheitsmaßnahmen.
Ohne das ständige Gefühl im Nacken beobachtet zu werden; und das obwohl die Situation alles andere als entspannt war.
Er wunderte sich selbst darüber. Doch weiter Grübeln konnte er nicht, als er das Geräusch des anderen Raptors vernahm, dem Blues Begrüßung galt.

Owen traute seinen Augen kaum, als er das zusammengesackte Häuflein Elend auf dem Waldboden als "Delta!", erkannte, "Oh Mann, was haben sie dir nur angetan..?" meinte er bedrückt und trat vorsichtig noch ein Stück näher.
Das es zu nah war, machte sie unmissverständlich mit einem Warnlaut klar, als sein Fuß auf dem Waldboden aufsetzte.
Blue schnatterte sofort maßregelnd zurück.
Während Owen wieder einen Schritt zurückwich.
Als Delta versuchte sich aufzurichten und wieder zusammensackte, war es nicht schwer zu erkennen, dass ihr Hinterlauf gebrochen war.
Sie ließ einen schwachen Schmerzenschrei ertönen, als sie wieder einknickte und mit dem Hinterteil auf den Boden sank.
Owen glaubte sich noch nie so machtlos gefühlt zu haben.
Er zerriss ihn innerlich das Tier so leiden zu sehen, und gleichzeitig war er froh, dass sie noch lebte.
Jedoch überlegte er auch, ob es nicht das Beste wäre sie zu erschießen, um das geschwächte Tier von seinem Leid zu Erlösen. Weil er nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie er ihr helfen sollte. Allerdings würde es ihm danach an den Kragen gehen, denn das würde Blue ihm niemals verzeihen.
Seine ganze Sucherei galt dem Ziel Blue zu finden, doch erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er leider nicht weiter gedacht hatte, was passieren würde, wenn ihm das tatsächlich gelang. Das es nun auch noch einen zweiten Raptoren gab, machte die Sache zusätzlich kompliziert, und die, dass dieser schwer Verletzt war nahezu Ausweglos.
Wenn er nur irgendwie in die Nähe des Raptorngeheges kommen könnte, ohne gesehen zu werden... So könnte er sich zumindest mit dem nötigen Equipement eindecken, damit er sie über Wasser halten konnte.
So lange bis im etwas Besseres einfallen würde.

Ihre Gesichtszüge waren fein und erinnerten Claire an kaffefarbenes Porzellan. Ihre glänzenden, blauschwarzen Haare trug Anamika Masrani zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden und ihr Gesicht sah mit den großen, braunen Kulleraugen so tieftraurig aus, das es einem fast wehtat sie anzublicken.
Vorsichtig nippte sie an dem Tee, den Claire ihr von der neuen Assistentin hatte bringen lassen.
Sie war eine Mary Poppins, aber Zara konnte sie beim besten Willen nicht ersetzen. Zara war so weit davon entfernt gewesen eine Mary Poppins zu sein, wie die Erde vom Mond, aber wenn Claire die Möglichkeit gehabt hätte, sie hätte sie eingetauscht.
Es war einfach nicht richtig wenn sie ins Büro blickte und dort jemand saß, der keine Bleistifte in den Haaren stecken hatte, um anschließend zu vergessen DAS sie dort steckten, oder die Akten nach Feierabend einfach auf dem Tisch liegen ließ.
Es war so richtig gewesen, wenn sie immer da war und sofort alles gezückt hatte was Claire fehlte, ohne das sie hatte fragen müssen. Sie hatte jeden Termin irgendwo in ihrem wirren Kopf gespeichert und zum passenden Moment ausgespuckt.

Claire zückte ihr Handy, um nachzusehen ob sie vielleicht inzwischen eine Nachricht von Owen erhalten hatte, sie wartete wie eine Verrückte auf ein Lebenszeichen von ihm.
"Bist du ok? Karen ist gestern abgereist, ich möchte nicht mehr alleine hier sein." das waren die Zeilen die sie an ihn gerichtet hatte. Doch die Antwort im Messenger blieb leer.
Bevor sie Zeit gehabt hatte, zu überlegen, ob diese Nachricht vielleicht zuviel Offenbarung gewesen war, und er einfach nicht weiter genervt werden wollte, oder aus anderen Gründen nicht antwortete, war Anamika zu ihr gekommen.

Jetzt saßen sie dort und tranken Tee, während Anamika sich von ihr erklären ließ, wie es zu dem Tod ihres Vater gekommen war.
Claire waren bei ihren Ausführungen viele Tränen mitsamt ihrem Mascara die Wangen herunter gelaufen, doch Anamika hatte lediglich traurig ins Leere gestarrt und an ihrem Tee genippt.
Claire legte ihr Handy wieder zurück auf den Schreibtisch.
Dumme Tränen dumme Heulerei! Hör endlich mal damit auf Claire!
"Ich möchte dorthinreisen.", kam es mit einem Mal dann aus Anamikas Mund.
Claires Augen wurden groß wie Untertassen.
Neinneinneinnein! Wann hat denn dieser Albtraum ein Ende. Kann nicht mal jemand diese verdammte Insel in die Luft jagen oder so?
"Sie wollen....ich verstehe nicht so ganz..."
"Ich möchte sehen, wo mein Vater ums Leben kam, sehen sie sich in der Lage mich dorthin zu begleiten?"
Ich setze nie wieder einen Fuß auf diese beschissene Insel. Sie hat bereits meine Assistentin gefressen, meinen Boss, hunderte weitere Unschuldige und zu Zeit rennt ein Teil meines Herzens dort herum und es gibt nicht mal ein Lebenzeichen von sich, was mir das letzte bisschen Verstand raubt, das mir noch geblieben ist, seit dem kann ich keine Nacht mehr schlafen - es ist schlimmer als alle Zähne dieser Welt die nach mir schnappen, sobald ich die Augen schließe! Und da soll ich allen ernstes nun selbst dorthin zurück?! Ganz zu Schweigen davon, dass ich mit alledem beschissenen Gefühlskram noch vor ein paar Tagen nichts anfangen konnte!
Claire schnappte nach Luft. Wenn sie ablehnte war sie sicherlich ihren Job los. Ob sie ihr nun eine Mary Poppins gegeben hatten oder nicht. Ihrer Arbeit war sowieso nur noch Formsache.
"Ich ...eh.. ich...", stammelte Claire los und suchte nach Worten die ihr einfach nicht einfallen wollten.
"Sie sind die einzige Person der ich vertraue und die sich dort auskennt. Ich möchte nichts davon hören, was für ein Held mein Vater war, oder irgendetwas blumiges. Das war er nicht. Er war zu sorglos und ich bin sicher, genau das hat ihn in den Tod gerissen. Aber ich möchte den Ort trotzdem sehen. Ich war noch nie auf dieser Insel... und mein Vater hat sie geliebt und was auf ihr geschaffen wurde."
"Sie wissen schon, dass die übrigen Inhaber der Firma ihres Vaters, sich mit ihren Beratern dazu entschlossen haben, die Insel zu....ehmmm..."
"Bereinigen?", fiel sie ihr fragend ins Wort, "ja..."
"Ja, nennen sie es wie sie möchten, der Fakt ist, sie wollen sie nicht wirklich sehen wie, Mrs. Masrani. Glauben sie mir."
Claire war sich nicht sicher ob Anamika Masrani genau darüber informiert war WAS es genau mit dem Wort BEREINIGEN auf sich hatte. Oder ob man ihr die rosarote Brille aufsetzte. Wäre das der Fall würde das arme Mädchen den Schock ihres Lebens bekommen, wenn sie erfuhr, was sich wirklich zur Zeit auf Nular ereignete.
"Anamika, Claire... mein Vater hat immer von ihrer Zielstrebigkeit geschwärmt, sie würden mich glücklich machen, wenn sie mich begleiten. Er hätte sich sicherlich gefreut. Erweisen sie ihm diese Ehre."



Why we really need a 2nd one!       © Lina Schön OKTOBER 2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt