#7 A Little Bit Glitter

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Erschrocken ließ ich die Kugel auf das Polster fallen und sprang vom Sofa auf. Taumelnd ging ich ein paar Schritte rückwärts.

Ich hatte absolut keine Ahnung, was gerade passiert war. Es hatte einfach geglitzert. Die Lichter, sie waren einfach überall gewesen. Es war, als würden sie mich rufen. Ich verstand das nicht. Ich wusste nur, dass ich nicht mehr hatte aufhören können, wäre Ben nicht gewesen, wer weiß was noch alles passiert wäre. Vorhin kam mir noch alles schön und wunderbar vor, jetzt fand ich es einfach nur noch gruselig. Aber das konnte doch gar nicht sein. Glaskugeln bildeten keine Glitzerstrudel und fingen an zu leuchten. Das ergab alles gar keinen Sinn!

Es musste einen Schalter geben an den ich drangestoßen war.

Mein Blick flog zu Ben. Er stützte sich auf seinen Knien ab und starrte nachdenklich auf die Schneekugel. Konzentriert huschten seine Augen von mir zu der Kugel und zurück.

"Ben, was war das?"

"Ich hab absolut keine Ahnung." Er stand auf und näherte sich dem Sofa.

"Ben! Stopp! Was machst du da?!"

Er hörte gar nicht auf mich. Langsam ging er vor dem Sofa in die Knie.

Die Glitzerteilchen hatten sich längst wieder gelegt und die Lichter waren bereits erloschen, als ich die Kugel hatte fallen lassen. "Gibt es irgend einen Schalter oder Mechanismus, den ich ausgelöst haben könnte?"

"Nein Mary, nein, ich denke das war was anderes."

Nervös lachte ich auf. "Und was? Etwa Magie?"

"Das würde ich nicht ausschließen."

Ich starrte ihn an wie ein Auto. War ihm etwa ein Ast auf den Kopf gefallen? Wahrscheinlich war es nur ein Lichtreflex oder irgendwas in der Art gewesen. Meine Physikkenntnisse beschränkten sich leider auf ein Minimum, daher wusste ich leider im Moment auch nicht weiter.

"Ich würde zu gerne wissen was es damit auf sich hat." Ben streckte seine Hand nach der Schneekugel aus.

"Warte", ich ging hinter einem Sessel in Deckung und machte mich so klein wie möglich.

Ich wartete und wartete.

Und wartete.

Ich wartete.

"Ben?" Ich klang wie ein Angsthase. Vorsichtig lugte ich hinter dem Sessel hervor.

"BUH", der Junge schaute gleichzeitig mit mir über die Sessellehne.

Kreischend fiel ich hin. "Verdammt, was sollte das?!"

Statt ein Antwort wurde ich nur ausgelacht. Schmollend verschränkte ich die Arme. "Ach komm, geh weg." Ich machte eine abfällige Handbewegung und schmiss mich auf den Sessel.

"Du hättest dein Gesicht sehen müssen", ein Lachanfall schüttelte Ben.

"Hab ich aber nicht." Langsam musste ich auch grinsen. "Also ist nichts passiert?"

"Nein, nichts, nada."

"Siehst du. Es gibt wohl doch keine Magie!"

"Wer weiß..." Er hatte aufgehört zu lachen und schaute mich mit einem undurchdringlichen Blick an.

"Ach Ben, Ben, Ben. Du hast doch gerade selber gesagt, dass es nicht funktioniert hat."

"Ja. Bei mir. Aber nicht, dass es bei dir nicht funktionieren könnte." Er guckte mich abwartend an.

Als es bei mir 'klick' machte, schüttelte ich entschieden den Kopf. Mich würden keine zehn Rentiere dazu bringen die Schneekugel noch einmal in die Hand zu nehmen.

"Ach komm schon, du glaubst doch eh nicht daran. Was soll schon Großes passieren?"

"Und wenn doch was passiert? Ich hab keine Ahnung welche physikalischen Gesetzte wir damit außer Kraft setzten würden."

"Das sagst du nur, weil du Schiss hast."

"Hab ich nicht!" Vielleicht nur ein bisschen.

"Na also, hier." In seiner ausgestreckten Hand lag die Schneekugel. Klein und unscheinbar wie zuvor. Die Glocken hingen immer noch an ihrem Platz und sahen genauso glasklar aus wie vorher. Viel zu schön. Wie vorhin der Ausblick auf die Stadt.

Die Ruhe vor dem Sturm.

Ich musste einmal schlucken, auf einmal hatte ich einen echt großen Klos im Hals. "Ok, gib her." Vorsichtig nahm ich ihm die Kugel aus der Hand. Mein Puls fing an zu rasen und ich atmete schneller. Ich hatte eine verdammte Panikattacke vor einer Schneekugel!

Okay.

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, ...

Nichts passierte. Triumphierend schaute ich zu Ben auf. "Ich sag doch, es war irgendwas mit dem Licht."

"Dreh sie."

Unruhig biss ich mir auf die Lippe. Wenn er es so wollte. Langsam fing ich an die Kugel zu drehen.

Wieder fingen die Glitzersteinchen an sich um die eigene Achse zu drehen. Kurz darauf hatte sich der Strudel gebildet. Lichtreflexe trafen auf die Wände, doch ich konnte keine Ursache dafür ausmachen. Und wieder erschienen die Lichter.

Gebannt starrte ich auf die Kugel. Mit zusammengebissen Zähnen drehte ich weiter und weiter und weiter.

Die Lichter waren überall.

Eine wogende Masse hell und dunkel. Sie umschloss uns. Sie schlang sich um uns und lies uns wieder los.

Ich drehte immer weiter.

Der Kristallwirbel stieg immer höher. Immer weiter, bis er die Sicht auf das Innere in der Kugel versperrte.

Ich konnte nicht mehr aufhören. Ich drehte immer weiter.

Das Licht wurde heller, greller, bis ich vor Schmerzen die Augen schließen musste.

Und trotzdem drehte ich weiter und weiter, immer weiter.

...

...

...

Ein Knall zerriss die Stille und ich fiel unsanft zu Boden. Kälte umfing mich. Der Boden fühlte sich nass an. Vogelgezwitscher erklang von irgendwo. Ich öffnete schlagartig die Augen.

Ich war nicht mehr in der Holzhütte.

Ich war draußen.

Auf irgendeinem Hügel.

In irgendeiner Schneelandschaft.

Ich war allein.

Jingle The BellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt