Kapitel 9

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Monticello, August, 1869
Luke vergrub das Gesicht in seinen Händen. „Es ist weg Benjamin, einfach weg. Ich habe schon alle meine Besitztümer durchgesucht. Das Testament ist nicht auffindbar!" Verzweifelt erhob er sich von dem einfachen Stuhl in seinem Büro. Mit großen Schritten durchquerte er mehrmals den Raum.
Benjamin, der noch an der Tür zu Lukes Büro gestanden hatte, zog sich seinen Hut an. „Das Erbe von meinem Onkel. Er hat gewollt, dass ich dieses Grundstück erbe. Er wollte, dass ich dort mit meiner Familie, die ich einmal gründen werde, lebe. Und... jetzt ist es weg! Das Testament ist weg! Ohne dieses Papierstück, kann ich doch keinen Anspruch auf das Grundstück verlangen."
Luke fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Benjamin, sein guter Freund, wollte gerade etwas erwidern, als es plötzlich laut an der Tür pochte.
Luke verließ sein Büro und öffnete die Haustür.
Vor ihm stand Jeremiah Sherwood mit... Sah er richtig? Mit einer Frau und einem kleinen Mädchen auf dem Arm. Die junge Mutter schien bewusstlos sein, denn ihr zierlicher Körper hing bewegungslos in Jeremiahs Armen. Dieser begann auch sofort zu reden: „Guten Tag, Sheriff. Ich fand diese Frau mit dem Kind als ich auf der Jagd im Wald war und dachte es wäre das beste, wenn ich sie erstmal zu Ihnen bringe. Da sie ja der Sheriff sind."
Mittlerweile war auch Benjamin, der Sohn von Jeremiah an die Tür heran getreten und zog einmal scharf die Luft ein.
„Geben Sie sie mir, Jeremiah. Ich werde sie zum Arzt bringen." Zur Hilfe trat Benjamin näher und ergriff das kleine Mädchen. Die Kleine schrie jedoch um so lauter, als sie von ihrer Mutter getrennt wurde. Mit sanften Worten brachte Benjamin sie schlussendlich zum schweigen.
„Ich nehme sie solange zu mir. Rebecca wird sich sicher über die Kleine freuen. Und die Jungs auch."
Luke gab ihm mit einem knappen Nicken zu verstehen, dass er einverstanden sei.
Ben drückte seinen Hut fester auf seinen Kopf und schritt aus der Tür, Richtung seines eigenen Farmerhauses.
Vorsichtig griff Luke nach der jungen Frau und hob sie auf seine Arme.
Jeremiah rückte seinen Hut zurecht und entschuldigte sich.
Luke durchquerte den Eingangsbereich und legte die zerbrechliche Frau auf dem Sofa ab. Sofort fühlte er ihren Puls, um festzustellen, dass sie geschwächt war und dringend zum Arzt musste.
Ohne sie weiter zu durchsuchen, hob er sie wieder auf seine Arme und ging zurück in den Eingangsbereich.
Luke unterließ es diesmal, seinen Hut aufzusetzen und öffnete mit der einen Hand die Tür.
Die Hitze des Sommertages kam ihm sofort entgegen und er beeilte sich, zur Arztpraxis zu gelingen.
Nach ein paar mal klopfen wurde Luke die Tür von dem etwa 35-jährigen Arzt geöffnet. „Guten Tag, Sheriff! Na, was ist diesmal geschehen? Banküberfall und diese Frau musste von Ihnen gerettet werden?" Schmunzelnd bat der schlaksige Mediziner ihn herein.
Die Praxis war klein, dafür aber mit allen Gegenständen, welche ein Arzt benötigte, ausgestattet.
Vorsichtig legte Luke die Kranke auf die Untersuchungsliege. „Diesmal nicht, Mr. Khelby." Die Augen des Sheriffs funkelten belustigt, doch schnell wurde er wieder ernst.
„Jeremiah Sherwood fand diese Frau, als er wieder einmal auf der Jagd war.
Ihr Puls ist sehr schwach." „Ich werde sie gleich mal untersuchen. Wenn Sie bitte im Vorraum warten würden, Sheriff."
Der dunkelgrüne Vorhang zwischen Behandlungszimmer und dem Vorraum wurde zugezogen. Luke ging nervös auf und ab, bis er sich auf einem harten Stuhl niederließ und seinen Gedanken nachhing.
Wer diese Frau wohl sein mag! Mit einem Kind noch dazu. Sie scheint  noch recht jung zu sein!

Nach ca 10 min, in denen Luke ungeduldig auf irgendwelche Kommentare des Arztes gewartet hatte, hörte er sich Schritte nähern. Der Vorhang wurde wieder aufgezogen und der Kopf von Mr. Khelby erschien. „Sie dürfen jetzt rein kommen, Sheriff.
Die junge Frau ist sehr schwach. Sie muss eine lange, beschwerliche Reise hinter sich haben, nach ihrem Aussehen und Gesundheitszustand zu beurteilen."
Der Arzt führte Luke zu der einfachen Liege, auf dem er die junge Frau untersucht hatte.
„Noch dazu kommt, dass sie sehr wenig gegessen hat. Ihr Körper ist anhand dem Mangel an Essen sehr geschwächt und krank.
Es wäre empfehlenswert, wenn sie sich erstmal ausruhen könnte. Sie muss wieder ganz zu Kräften kommen. Und Essen muss sie auch bekommen.
Ansonsten, denke ich, müsste es ihr bald wieder besser gehen.
Wissen sie schon, wo sie sie unterbringen wollen? Ich werde sie in baldiger Zeit mal besuchen müssen, um zu kontrollieren ob sich ihr Zustand gebessert hat."
Das hatte Luke sich auch schon überlegt. Zu sich in seine Sheriffwohnung konnte er sie nicht mitnehmen, da sie nicht verheiratet waren und er wollte nicht, dass die Leute schlecht über sie redeten, ohne, dass sie sich ihnen beweisen konnte.
„Ich werde nachfragen, ob Abigail sie zu sich nehmen könnte, bis sie sich wieder soweit erholt hat."
Abigail Lorese war eine schon etwas ältere Witwe, die alleine in einem Haus umgeben von vielen Bäumen wohnte. Sie lebte einige hundert Meter neben dem Gemischtwarenladen von Mr. und Mrs. Tomby.
„Lassen Sie mich schnell zu ihr rüber gehen, Sheriff. Ich war noch nicht oft draußen heute und die frische Luft wird mir auch gut tun. Hätten sie etwas dagegen, wenn sie so lange dieser Frau Gesellschaft leisten?"
Bereitwillig stimmte Luke zu.
Die Tür schloss sich, als der Doctor seine Praxis verließ um Mrs. Lorese aufzusuchen.
Mit den Händen hinter seinem Rücken verschränkt, wanderte Luke in dem Untersuchungsraum auf und ab.
Schließlich blieb er neben der Liege, auf der die junge Frau lag, stehen.
Schmutzflecken auf ihrem Gesicht verdeckten ihre Gesichtszüge und einige Strähnen hatten sich aus ihrem dunklen Haarknoten gelöst.
Luke schritt zu einem kleinen Tisch auf dem eine Wasserschüssel stand und tauchte ein danebenliegendes Tuch in das lauwarme Wasser.
Vorsichtig tupfte er ihr Gesicht ab und entfernte die Schmutzstreifen. Einige kleine Kratzer durchzogen ihr Gesicht.
Darauf bedacht ihr nicht wehzutun, reinigte er ihre Wunden.
Er wunderte sich ein wenig, warum der Arzt das nicht schon getan hatte, doch wahrscheinlich hatte er sich erstmal auf die allgemeine Untersuchung beschränkt.
Plötzlich fiel Lukes Blick auf ihre ineinander verschränkten Hände. Ein mit Edelsteinen besetzter Ring steckte an dem Ringfinger ihrer linken Hand.
Er wunderte sich, dass diese Frau ein solch wertvolles Schmuckstück trug.
Er schob den Gedanken aus seinem Kopf und fuhr sich mit der einen Hand durch seine wirren Haare.
Da. Ihre Hände bewegten sich und sie gab einen leisen Laut von sich.
Mit der Zunge befeuchtete sie sich die Lippen. Ihre Augenlider flatterten einige Male, bis sich ihre Augen öffneten.

...Weil ich dich liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt