Kapitel 25

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Bestürzt schlug Mrs. Sherwood die Hände vor den Mund. Sie wechselte einen Hilfe suchenden Blick mit ihrem Mann und strich dann tröstend über Rosaleens Arm.
Oh Herr! Cholera! Willst du mir jetzt meine stützende Hilfe nehmen?
Mit jeder Sekunde die verstrich, wurde Rosaleens Herz schwerer. Sie atmete einmal tief ein und erinnerte sich wieder daran, warum sie überhaupt hier war und Abigail alleine gelassen hatte.
„Dr. Khelby meinte, dass ich niemanden in Abigails Haus lassen soll, um keinen anzustecken. Die Krankheit ist noch nicht so weit fortgeschritten, als dass ich das Haus nicht mehr verlassen dürfte. Aber ich kann mich nicht gleichzeitig um Abigail und um Joyce kümmern,da Abigail jetzt vollste Versorgung und Pflege benötigt. Ich hatte gedacht, weil Joyce schon eine Zeit bei Ihnen verbracht hat, würden Sie sie vielleicht wieder aufnehmen." Eine leichte Röte kroch ihren Hals hoch, da es ihr etwas unangenehm war die Sherwoods um einen solchen anspruchsvollen Gefallen zu bitten. „Aber natürlich, Mrs. Laster. Wir alle lieben Abigail und wollen nur das Beste für sie. Unsere Jungs freuen sich sicher auch, wieder eine neue Spielgefährtin zu bekommen." Auch Mr. Sherwood schien einverstanden zu sein und so drückte Rosaleen Joyce einen kleinen Kuss auf die Wange und machte sie sich schon kurz darauf auf zu Abigail.

***

Schon wieder sah Luke den Einspänner von Abigail den Staub auf der Straße aufwirbeln. Er setzte schnell seinen Hut auf und beeilte sich schneller zu Mrs. Laster zu gelangen.
Als er näher kam bemerkte er, wie weiß ihr Gesicht war und, dass ihr Blick und ihre Haltung etwas ausgelaugt wirkten.
Luke rief ihren Namen, doch sie gab ihm durch Handzeichen zu verstehen, dass sie keine Zeit habe.
Dann werde ich später zu Abigail rausfahren müssen.
Als er leider erst am nächsten Tag zu Abigails Haus hinausritt, band Luke Black Beauty an einen großen, schattenspendenden Baum und schritt auf die Tür zu. Dabei fiel ihm auf, dass fast alle Fenster hoch geschoben waren und die Vorhänge im inneren fröhlich einen kleinen Tanz vorführten.
Nachdem er geklopft hatte, dauerte es einen längeren Moment, bis die Tür aufging, Mrs. Laster hinaustrat und die Tür sofort hinter sich zuzog. Eine leise Vorahnung machte sich in ihm breit und er drehte, unwissend was er nun tun sollte, den Hut in seinen Händen.
„Guten Tag, Sheriff. Kommen sie doch mit." Ohne auf seine Antwort zu warten, entfernte sie sich einige Meter von dem Haus und zog Luke fast mit sich. Verwirrt von ihrem Verhalten begrüßte er sie ebenfalls. Mrs. Laster jedoch, ließ sich nicht anmerken, ob sie seine Verwirrung nun sah oder nicht. „Was führt sie hierher, Mr. Corner?" Ihre smaragdgrünen Augen waren direkt auf ihn gerichtet und Luke musste sich auf die Zähne beißen, um sich nicht in ihnen zu verlieren. Er lenkte seinen Blick auf ein Objekt hinter ihr, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Dann wandte er sich wieder ihr zu.
„Sie waren bei dem Arzt? Ich hoffe doch Abigail geht es gut?" Luke kam direkt zum Punkt. Jetzt wo Luke direkt vor Mrs. Laster stand, viel ihm erneut auf, wie bleich ihr Gesicht war und, dass sich leicht erkennbare Augenringe unter ihren Augen gebildet hatten.
Seine Stirn runzelte sich etwas.
Ihr Blick wechselte von interessiert zu resigniert und Luke konnte sehen, wie sie einen Seufzer unterdrückte.
„Ja, ich war bei Dr. Khelby. Es ging Abigail nicht gut und so fühlte ich mich gezwungen, den Arzt zu holen." Sie stockte. „Und dann?", fragte Luke. „Was ist die Diagnose?"
Wieder machte sich die schreckliche Vorahnung in ihm bemerkbar und er hielt gespannt den Atem an.
„Sie hat Cholera. Ich will einfach nur hoffen, dass sie keinen ansteckt, oder sogar eine Epidemie ausbricht! Aber vor allem natürlich das sie wieder gesund wird." Er stoß, bestätigt was seine Vorahnung anging, die Luft - die er angehalten hatte - wieder aus.
Bei dem traurig sehnsüchtigen Ausdruck in ihren Augen wurde selbst Luke noch trauriger.
„Wie lange hat sie schon diese Krankheit?" Fragte er. „Der Arzt war erst gestern hier, aber ihr ging es - wie Sie wissen - schon mehrere Tage lang nicht gut." Beunruhigt scharrte sie mit ihren Füßen im grünen Gras. „Deswegen ist auch Joyce wieder bei Mr. und Mrs. Sherwood und sie durften auch nicht näher am Haus bleiben. Lukes Blick legte sich kurz zu dem einladenden Haus und dem halb gejäteten Garten und wieder zurück zu Mrs. Laster.
Dann muss ich sie erst fragen, wenn es Abigail wieder gesund wird. Sie scheint schon jetzt überfordert genug zu sein. „Das tut mir leid. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm sein würde!"
Dann mummelte er „Cholera", als würde er es selber noch nicht richtig fassen.
Da sie sehr erschöpft zu sein schien, wechselte er nur noch ein paar Worte mit ihr und verabschiedete sich schließlich.
Während ihrem Gespräch hatte sich ein riesiger Stein auf sein Herz gelegt, welcher sich jetzt nicht mehr bewegen ließ.
Oh Herr, bitte mach Abigail wieder gesund!

***

Die Sonnen zeigte sich von ihrer besten Seite und auch der Himmel strahlte in einem satten Blau, sodass auch Rosaleen nicht anders als gut gelaunt sein konnte. Während sie an diesem schönen Freitagmorgen die Fenster in Abigails Zimmer aufschob und in die dämmrige Dunkelheit das Licht der Morgensonne hereinließ, summte sie unbeschwert eine schöne Melodie. Abigails Zustand hat sich zwar noch nicht verbessert, doch sie lebt noch. Und das ist es doch, was zählt!
Nachdem Rosaleen Abigail für diesen Morgen versorgt hatte, holte sie sich ihre neue Bibel aus dem Zimmer und ließ sich in der Sitzecke auf dem Sessel nieder. Leider schaffte sie es jedoch nur ein paar Verse zu lesen, da Abigails Gesundheit alles andere als gut war. Ihr ganzer Körper war erhitzt und sie musste sich mehrmals übergeben.
Im Laufe des Tages, den Rosaleen noch mit fröhlichem Gesang begonnen hatte, verflog ihre gute Laune, da Abigail so sehr zu leiden schien. Auch das einfache Essen, welches Rosaleen für die beide zubereitet hatte, wollte Abigail nicht zu sich nehmen, wodurch auch Rosaleen nichts essen wollte.
So oft wie sie in ihr Schlafzimmer ging, hörte sie nur das leidende Stöhnen der Kranken und sie musste sich zusammen reißen, um nicht gleich mit zu stöhnen, weil sie schon beim Zuhören tiefes Mitleid mit Abigail empfand.
Am Abend jedoch, bestand Rosaleen hartnäckig darauf, dass Abigail etwas zu sich nahm und auch sie selber würgte sich einige Bisse hinunter.
Schenke ihr Gesundheit, Herr und bewahre Joyce und Familie Sherwood."
Das waren die einzigen Worte, die sie an diesem Abend über die Lippen brachte, bevor ihr die schweren Augen zufielen.

...Weil ich dich liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt