Kapitel 5

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Oregon, August, 1869
Die Sonne stand schon hoch am Himmel und die Vögel zwitscherten fröhlich ihre Lieder. Erschöpft setzte Rosaleen einen Fuß vor den anderen. Sie war schon ganz müde von dem weiten Weg, den sie bereits mit Joyce zurückgelegt hatte. Ihre wenigen Habseligkeiten hatte sie noch immer zu einem Bündel zusammengeschnürt und sich über den Rücken geworfen.
Unruhig begann Joyce zu zappeln und quengelte. Rosaleen stellte sie vorsichtig auf den Boden und fasste sie bei der Hand. Langsam gingen sie weiter. Zwar waren sie so um einiges langsamer, doch da Joyce bereits laufen konnte, brauchte sie die Bewegung. Die wenigen Kleider die sie noch bei sich hatte, hingen locker um ihre Taille, da sie einiges abgenommen hatte. Sie hatte immer wieder kleine Arbeiten annehmen müssen, um sich das Geld für die Zugfahrt zu verdienen. Doch sie durfte nie zu lange an einem Ort bleiben, denn sie wusste nicht, wo Jacob war. Sicher suchte er immer noch nach ihr. So schnell gab der Bruder von Joseph nicht auf. Für Geld konnte er sogar töten. Das wusste sie jetzt. Schnell verdrängte sie die Gedanken von Joseph aus ihrem Kopf und konzentrierte sich lieber auf den Weg. Sie waren in einem Wald angekommen. Wieder quengelte Joyce. Sie war schon 18 Monate alt. „Shhh, mein Schatz. Ich weiß du hast Hunger. Ich denke, dass wir in dem nächsten Ort in dem wir ankommen, auch bleiben werden. Wir werden uns dort ein neues Leben aufbauen! Sicher sind wir schon weit genug entfernt von Louisiana. Oregon. Ich hoffe die Menschen dort sind zivilisiert und nicht so wild, wie alle aus dem Osten sie gerne beschreiben." Rosaleen schloss für einen kurzen Moment die Augen. Die sengende Hitze machte ihr zu schaffen und ihr Magen knurrte immer wieder. Das meiste Essen, welches sie in den Dörfern oder Städten gekauft hatte, hatte sie großzügig an Joyce gegeben und selbst immer nur ein kleines bisschen davon gegessen. Selbst das Essen hatte Joyce manchmal nicht gereicht. Sie hatte auch schon kräftig zugenommen. Zwar war sie nicht dick, doch sie bestand auch nicht nur aus Haut und Knochen. Rosaleen hatte Joyce ein einfaches Tuch um den Kopf gebunden, um sie so vor der Sonne zu schützen. Ihre Braunen Locken kräuselten sich im Nacken. Sie schaute fröhlich zu Rosaleen auf und ihre dunklen Augen funkelten vergnügt. Sie begann irgendwas vor sich hin zu brabbeln. Rosaleen selbst trug ihren zerschlissenen Strohhut. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte unbarmherzig auf sie herab. Sicher war es gerade um die Mittagszeit, doch Rosaleen hatte kein Essen mehr, welches sie sich mit Joyce hätte teilen können. Lieber Gott, bitte schenk, dass wir bald zu einem Dorf kommen, bitte! Schon wieder knurrte ihr Magen. Joyce streckte die Arme aus um wieder auf den Arm genommen zu werden. Rosaleen nahm sie wieder hoch und schleppe sich weiter. Sie war froh, dass die Bäume im Wald ihnen wenigstens Schatten anboten. Da... Hatte sie da nicht gerade etwas gesehen? Hoffnungsvoll ging sie etwas schneller und wandte ihren Blick nicht von den Bäumen hinten links ab. Ja! Dort war tatsächlich etwas, bei der Lichtung. Dort waren einfache Holzhütten und drei Pferde standen an einem Baum gebunden. „Joyce! Sieh mal da! Gott hat uns zwar kein Dorf geschickt, aber eine Hütte. Hütte,hörst du? Sie scheint bewohnt zu sein! Siehst du die Pferde?Sie werden uns hoffentlich etwas zu essen geben, oder?" Zur Bestätigung nickte Joyce heftig mit dem Kopf. Ihre kurzen Locken wippten dabei auf und ab. Bei der Hütte angekommen, wollte Rosaleen gerade ihre Stimme erheben, um die Menschen anzusprechen, als sie zwei Männer sprechen hörte. „Also, hast du alles vorbereitet? Nichts soll schief lauf'n." „Wieso 'n jetzt schon? Wir haben noch genug Zeit! Der Überfall is doch erst 'n zwei Monaten geplant.
Ich glaube, das ist der größte Überfall, an dem ich jemals beteiligt war! Das alte Weib wird Augen machen. Sie wird alles bezahlen." Rosaleen ging leise ein paar Schritte näher um die Männer besser zu verstehen. Anscheinend, nein offensichtlich hatten sie etwas Böses im Sinn. Plötzlich packte sie jemand grob an der Schulter...

...Weil ich dich liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt