Kapitel 11

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"Du musst gehen, Harry," flüsterte ich, befreite mich aus seinem ziemlich festen Griff.

Er legte seine Stirn in Falten.

"Was? Warum?" fragte er, fuhr eine Hand durch seine Haare.

"Du gehst das alles zu schnell an," stammelte ich.

"Nein, tue ich nicht," schoss er zurück.

"Doch, das tust du," zischte ich, schmälerte meine Augen.

"Okay, wenn du wirklich willst das ich gehe, dann werde ich gehen, schätze ich," murmelte er, begab sich zu dem Fenster herüber. Er legte seine Hände auf den Fensterrahmen, doch stand nur da, machte keinen Schritt mehr.

Ich ließ ein Stöhnen heraus.

"Gibt es irgendein Problem?"

Harry kratzte sich am Hinterkopf und zuckte mit den Schultern.

"Ich, ähm, ich weiß nicht wie ich wieder runterkomme."

Ich hob eine Augenbraue.

"Geh einfach so wieder runter, wie du auch hochgekommen bist!" schrie ich praktisch.

Harry lachte nur.

"Das ist nicht so einfach wie es klingt, Liebling."

"Wenn du hier hochgekommen bist, dann kannst du ganz sicher auch wieder runterkommen," brodelte ich.

"Okay, aber wenn ich mir meinen Arm oder meine Rippen breche, dann ist das deine Schuld," murmelte er, begab sich aus dem Fenster und auf das Dach.

Ich lehnte mich aus dem Fensterrahmen und beobachtete, wie Harry zu dem Ende des Daches lief.

"Ich werde es tun," rief er mir zu.

"Nur noch einen Schritt."

"Okay," sagte ich achselzuckend.

"Ich könnte mir das Genick brechen, aber ich mache es," fuhr er fort, mir zuzurufen.

"Okay," murmelte ich.

"Ich könnte eine Gehirnerschütterung bekommen, meinen Schädel zertrümmern," fuhr er fort.

Ich verdrehte meine Augen.

"Sei ein Mann."

"Es geht ganz schön tief nach unten," schmunzelte Harry, sah wieder zu mir zurück.

"Du hast dich selbst in diesen Schlamassel gebracht," verteidigte ich.

"Für dich," wies er hin.

Ich ließ ein Seufzen heraus.

"Komm wieder rein."

Harrys Lächeln wuchs, als er wieder durch das Fenster kletterte, seine Haare von dem Wind draußen total zerzaust.

"Ich wusste, dass du es dir anders überlegen würdest," zwinkerte er.

"Das habe ich nicht, ich werde dich einfach heimlich aus der Haustür bringen."

Harry hob verteidigend seine Hände hoch und seine Augen weiteten sich.

"Was? Woah, nein, nein, nein, in diesem Fall ist es die bessere Option lieber zuerst vom Dach zu springen, glaube ich."

"Mein Dad wird dich nicht sehen, und meine Mum auch nicht," versicherte ich ihm.

"Woher willst du das wissen?" fragte er, hob eine Augenbraue.

"Sie sind vermutlich beide in der Küche, räumen auf."

"Bist du dir sicher?" fragte er.

"Ich bin mir sicher," lachte ich.

"Nun, dann geh voraus," schmunzelte Harry.

Ich nahm seine Hand und und führte ihn den Gang entlang, seine Füße bewegten sich synchron mit meinen, sodass es sich nur nach einer Person anhörte, anstatt nach zwei. Sobald wir die Treppen runter und direkt an der Haustür waren, hallte die Stimme von meinem Vater durch das Haus.

"Harley? Harley, bist du da draußen?" fragte er, seine gemurmelte Stimme kam aus der Küche.

"Wir müssen reden," beendet er und ich konnte hören, wie sich Schritte auf uns zu bewegten.

"Du musst dich verstecken," rief ich Harry zu.

"Aber die Tür ist gleich-"

"Du musst dich verstecken! Du wirst es nie nach draußen schaffen, ohne erwischt zu werden," unterbrach ich ihn.

Ohne ein weiteres Wort duckte Harry sich hinter dem Sessel, der außer Sichtweite von mir und meinem Vater war.

"Harley, oh, da bist du ja," rief mein Vater, seine Augen fanden meine, als er aus der Küche lief.

"Über was?" fragte ich, gab mein Bestes, mich unschuldig zu verhalten.

"Du weißt über was," murmelte er.

"Harry?" fragte ich.

"Er ist nicht gut für dich, Harley, auch wenn ihr den selben Anhänger habt."

"Aber du hast ihn gerade zum ersten Mal gesehen, du hast ihn noch nicht einmal richtig kennengelernt," verteidigte ich.

Mein Vater hob eine Augenbraue.

"Kennst du ihn überhaupt?" fragte er.

"Nun, n-nein nicht wirklich, aber ich arbeite dran," flüsterte ich.

Meine Vater verengte seine Augen.

"Hat er in der Vergangenheit irgendwas Schlimmes getan, worüber du zufällig Bescheid weißt, dass du mir nicht erzählst?" fragte er.

"Nein," meinte ich achselzuckend, log nach Strich und Faden.

"Und wie viele Tattoos brauch dieser Junge? Und diese Piercings, er hätte sie wenigstens für eine Nacht rausnehmen können."

Ich legte meine Stirn in Falten.

"Warum sollte er das tun? Wenn er Piercings haben möchte, dann kann er Piercings haben."

"Und diese eingebildete Haltung von ihm, wenn ich-"

Ich unterbrach meinen Vater mitten im Satz.

"Du hattest kein Recht, ihn rauszuschmeißen."

"Er war respektlos, ich hatte jedes Recht ihn rauszuschmeißen."

"Konntest du ihn nicht einfach schonen, so wie Mum es gesagt hat?" begann ich zu schreien, und ich wusste das mein Vater es nicht mochte, mich wütend zu sehen.

Er fuhr eine Hand aus purer Frustration über sein Gesicht.

"Kannst du mir einfach versprechen, dass du versuchst, dich von ihm fernzuhalten?" flehte er praktisch.

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, ehe ich meinen Kopf schüttelte.

"Ich verspreche dir gar nichts."

Ich beobachtete, wie die Lippen von meinem Vater zuckten, ehe er flüsterte,

"Wenn du weißt was gut für mich ist, dann wirst du dich von ihm fernhalten."

Damit machte er auf seinem Absatz kehrt und lief weg, das Geräusch davon, wie sich seine Schritte in Richtung Küche begaben, wurde schwacher und schwacher. Ich hörte, wie Harry hinter dem Sessel raschelte, bevor ich seine Augen sah, zusammen mit seinem Fedora.

"Ist er weg?" fragte er.

"Ja," flüsterte ich.

Harry stand von seinen Knien auf und klopfte seine Hose ab. Seine Augen blickten wieder einmal in meine, ehe er in meine Richtung lief. Sobald er die Tür erreichte, drehte er sich zu mir zurück.

"Danke," nickte er.

"Für was?" fragte ich.

Er nahm gedankenverloren seine Lippe zwischen seine Zähne.

"Das du an mich geglaubt hast."

Und damit verschwand er aus der Tür.




Keeper » German TranslationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt