Kapitel 20

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PoV Ashton

Genervt drehte ich mich von Michael weg und zog mir die Decke über den Kopf. „Ich will nicht aufstehen."

„Du kannst gleich im Auto weiter schlafen. Wir treffen uns in einer Stunde vor dem Motel. Ich geh noch schnell was zu essen holen und checke uns aus." Wiederwillig nickte ich und stand auf, um dann langsam anzufangen meine Sachen zu packen.

Als ich dann eine dreiviertel Stunde später fertig war, verließ ich auch schnell das kleine Motel. Es gab vier Sorten von Motels. Erst mal die ganz normalen, wie man sie halt so kennt. Alles was man braucht vorhanden, und noch ein paar Zusätze. Dann die, die ich mir selbst vorher nicht leisten konnte. Halt immer nur das Beste vom Besten. Und jetzt kommen wir zu unserer Preiskathegorie:

Die, die noch erträglich sind, das wichtigste vorhanden.

Und dann gab es noch die Absteigen. Klein, dreckig, laut und eklig.

Dieses Motel war wieder eines von dieser Sorte gewesen, damit wir noch ausreichend Geld fürs einkaufen hatten.

In der Hoffnung schnell fertig zu werden, damit ich dann weiterschlafen könne zog ich mich um und packte meine Sachen zurück in meine Reisetasche. Dann ging ich noch schnell ins Bad und schlenderte zehn Minuten später auch schon zu dem Impala. Dort schmiss ich meine Tasche in den Kofferraum und setzte mich auf den Beifahrersitz, damit ich einfach schlafen konnte, wenn Michael kommen würde.

Es war anstrengend so zu leben. Wirklich. Natürlich muss man nicht arbeiten und hat sozusagen keine Verpflichtungen, aber doch kann man nicht tun was man will. Immer wussten wir auf der Hut sein, dazu dieser eine Gedanke im Hinterkopf. Was, wenn alles schief geht? Ich sah praktisch den Blick von Calum und Luke vor mir, wenn ich sie wieder sehen würde. Ein Blick, voller Enttäuschung. Wut. Hass. Was ich tat, würde jeder andere als falsch bezeichnen. Es war schließlich ganz einfach: Michael war der böse. Er hatte Dinge getan, die nicht richtig waren. Aber niemand wird böse geboren. Wenn einer Mutter ihr Kind weg genommen wird, dann wird sie nie mehr so sein wie vorher. Wenn ein Mensch tag täglich verspottet und verachtet wird, dann verändert er sich auch. Es sind kleine Momente oder Ereignisse in dem Leben eines Menschen, die einen so verändern. Bei der Mutter ist es ein Moment, der schlagartig alles in ihr verändert, bei jemandem wie Michael ist das anders. Bei ihm war das ein Prozess. Niemand wird zu einem ‚schlechten Menschen' wenn einmal jemand etwas verletzendes zu ihm sagt. Aber wenn es Tag für Tag so ist, dann macht das etwas mit einem, was man nicht verhindern kann. Die einen werden/ bleiben stiller, traurige, verschlossener, negativer. Die anderen verwandeln diese Traurigkeit irgendwann in Hass und sie können nichts dafür. Es ist diese Gesellschaft, die diese Menschen so kaputt macht. Aber wissen Sie was? Das ist gar nicht schlimm. Denn es können nicht alle Menschen gut sein. Dann würde kein Gleichgewicht mehr auf der Welt herrschen. Sicherlich befürworte ich es nicht, was Michael getan hat, aber meiner Meinung nach sollte man auch über seine Gründe nachdenken.

Sie fragen was mein Grund war, mit ihm diesen Weg zu gehen? Mein Grund war es, dass ich ein Zeichen setzen wollte. Nicht alle Menschen, die das eine oder andere Mal falsch gehandelt haben, sind von Grund auf bösartig. Der Satz ‚Diese Psychos haben keine Gefühle', ist vollkommener Schwachsinn. Auch das sind Menschen. Und wie wir anderen auch, haben sie Gefühle. Vielleicht wurden diese Gefühle aber einfach zu lange unterdrückt, weggeschoben, ignoriert. Aber irgendwann muss man seine Gefühle raus lassen, das geht gar nicht anders.

***

Mit einem stechenden Schmerz an meinem Kopf wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Erschrocken riss ich meine Augen auf und setzte mich wieder grade auf meinen Sitz, während die Landschaft nur so an uns vorbei zu fliegen schien. Michael sah konzentriert auf die Straße, während ich verwirrt hinter uns sah, doch da war nichts zu sehen. „Was ist los?", erkundigte ich mich also verwirrt. „Jemand hat mich erkannt", murmelte er konzentriert. „Ich war noch schnell was einkaufen und dann war da plötzlich einer vom AFP der so ne alte Frau befragt hat. Ashton, ich hab scheiße gebaut!" Frustriert schlug er auf das Lenkrad. Leicht ängstlich fragte ich: „Was hast du gemacht?" Er antwortete nicht, aber das musste er auch nicht. Sein Blick sagte alles, obwohl ich nicht genau sagen konnte, warum. Aber er strahlte so einen Hass aus. Einen Hass auf sich selbst. „Verdammte scheiße Michael, das kann so nicht weiter gehen", hauchte ich.

„Ash, ich habe sie beide Umgebracht. Es sind schon sechs Menschen! Ich kann das nicht mehr, bitte hilf mir." Tränen verließen seine Augen, doch er sah mich weiterhin nicht an. Ohne genau zu wissen warum macht es mich das aber auch irgendwie etwas zuversichtlicher. Offensichtlich sah er ein, dass es falsch war, was er tat. Also konnte er nicht komplett verloren sein. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung darauf, dass er irgendwann wieder wird wie früher. Obwohl... nein, das nicht. Er hat Dinge getan, die ihn endgültig verändert hatten, also konnte er nicht wie vorher werden, doch vielleicht konnte er wieder er selbst werden. Ja, das war es, was ich wollte.

„Alles wird gut Michael. Ich werde nicht zulassen, dass sowas noch einmal passiert... und wenn ich dafür mit meinem Leben bezahlen muss."

Und das meinte ich auch so. Michael war mir das Wichtigste. Wenn es ihm nicht gut ging, ging es mir auch nicht gut. Sein Lachen machte mich glücklich. Auch wenn ich wusste, dass er mich nicht liebte, würde ich alles für ihn tun, denn ich liebte ihn und das würde sich auch nicht ändern. Auch wenn ich es manchmal hasste ihn zu lieben, und mich fragte wieso ich mir das alles antat, konnte ich einfach nicht anders. Nie war mir jemand so wichtig wie er gewesen. Ich meine, ich hatte für ihn mein gesamtes Leben aufgegeben. Und insgeheim hoffte ich, dass er irgendwann auch mich lieben würde. Diese Hoffnung war schließlich das einzige, was mir noch blieb. Doch was sollte schon schief gehen, ich saß schließlich in diesem Moment nur neben einem Mörder und wurde von dem AFP gesucht.

Doch auch wenn ich es niemals erwartet hätte gefiel mir dieses anstrengende Leben.

das Ding mit der FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt