Zitternd renne ich hoch in die Wohnung. Inzwischen bin ich wieder sichtbar.
„Leo?", rufe ich und merke, dass ich weine.
Nichts. Keine Reaktion.
„Leo? Komm her. Du bist nicht aus dem Fenster gesprungen. Hör auf mich zu verarschen."
Als nichts zurück kommt, breche ich zusammen und falle auf den Boden. Hemmungslos weine ich und wische die Tränen nicht weg. NEIN!
„Nein! Das darf nicht wahr sein."
„Leo, komm her."
Schluchzend wische ich die Tränenbäche weg.
„Leo..." Zitternd, zusammengekauert sitze ich hier. Langsam, ganz langsam verliere ich mein Bewusstsein.
~
Ich wache auf, schmerzende Augen, müder träger Körper. Was ist passiert? Ein Windhauch erwischt mich und ich reiße die Augen auf.
„Leo?"
„LEO!"
Erneut breche ich zusammen. Er kann doch nicht weg sein. Wieso sollte er gehen? Er kommt zurück! Aber ich muss ihn suchen.
Ich springe auf und renne aus dem Haus. Das ich sichtbar bin, ist mir total egal.
„Leo?", rufe ich in den Straßen. „Leo?", rufe ich lauter. „LEO!"
Schluchzend laufe ich durch die Straßen. Langsam dämmert es.
„Ich muss ihn finden. Wie lange ist er schon weg?", rede ich vor mir hin.
Vor mir macht sich ein Wald auf. „Leo?", rufe ich. Die Hoffnung in mir bangt. Ich sehe ihn in meinen Gedanken glücklich auf mich zu laufen. Wie er sich dann an meine Beine schmiegt und mich anmiaut. Ich trete in den Wald hinein. Die Äste knacken unter meinen Füßen. Der Wind weht und lässt die Blätter rauschen.
Normalerweise würde mich sowas beruhigen, aber heute macht es mich aggressiv.
Die Angst in mir breitet sich immer mehr aus, und ich will schon langsam die Hoffnung aufgeben, als ich etwas sehe, dass Leos Fellfarbe ähnelt. Ich renne hin und habe das Gefühl mein Herz wird aus meiner Brust gerissen. Genau wie Leos.
Ich sehe ihn nur an, starr. Mit weit aufgerissenen Augen.
„Leo?"
Katha, akzeptiere es. Ein toter Kater kann nicht antworten.
„Er kann nicht tot sein. Lass ihn nicht tot sein!"
Ich will nicht näher an ihn herangehen. Wie er da liegt, mit geöffneten Augen. Er liegt in einer Pfütze, einer Pfütze voller Blut. Und woher das kommt?
Schnell renne ich weg, ich kann Leo so nicht sehen. Er war es eindeutig, denn ich habe ihn erkannt. Ich erkenne meinen Kater. Ich schreie und falle auf den Boden, als ich den Wald verlassen habe. Ich fühle mich allein. Schreiend und weinend drücke ich mich auf den Beton. Die Kiesel drücken sich in meine Wange, aber das ist mir egal. Er ist tot. Ermordet. Leo wurde ermordet. Wer macht sowas?
„NEIN!", schreie ich weiter und ersticke fast an meinen Tränen. Die Hilflosigkeit macht sich in mir breit. Ich habe meine Familie verloren, alles was ich hatte. Warum?
Ich werde ihn nie wieder lebendig sehen können. Nie wieder.
Meine Haare fallen durcheinander vor mein Gesicht. Ich will keinen sehen. Ich will sterben. Ich kann nicht ohne ihn leben. Mein Leben wurde mir genommen, mit einem Mal. Und ich bin schuld. Hätte ich das Fenster nicht offen gelassen! Dann wäre er nie gegangen und wäre nie ermordet worden. Wer bringt Tiere um? Es muss ein Mensch gewesen sein. Menschen besitzen Messer, genau so eins, das in seinem jetzt leblosen Körper steckt. Wie grauenvoll sind Menschen!
Weinend sitze ich hier in der Dunkelheit. Und ich will nur weg. Weg von allem. Weg von der Erde. Langsam wird es kalt. Ich spüre nichts. Ich fühle nichts.
Doch, ich fühle nichts als Schmerz, der meinen ganzen Körper beherrscht. Alles erinnert mich an ihn. Jede Sekunde lang war er für mich da. Er war der beste Kater der Welt. Ich sehe in der Dunkelheit nur meine Tränen ab und zu auf den Boden tropfen. Es ist vorbei. Für immer.
~
Stille.
Ohrenbetäubende Stille.
Rauschen.
Ein Rauschen und Stille.
Wind.
Stille.
Stille.
Stille.
Ohrenbetäubende Stille.
Kein Miau.
Kein Schnurren.
Kein Kater.
Kein Leo.
~
Stille. Die Sonne scheint. Trotzdem ist alles still. Meine Wange an den Boden gepresst. Meine Beine angewinkelt. Meine Wangen nass, trocken, alles.
Meine Augen starr. Meine Ohren hören nichts, nichts als Stille.
Ohrenbetäubende Stille.
Ich liege nur da. Meine Gedanken sind leer. Absolut leer, wie mein Herz.
Ich schließe die Augen und achte auf meinen Herzschlag. Leos Herz schlägt nie wieder. Aber mein Herz schlug nur für ihn alleine. Und jetzt hat es keinen Grund mehr zu schlagen.
Meine Haare liegen durcheinander. Meine Hände zittern. In mir bebt es.
Leo.
Ich unterdrücke die Tränen, die wieder aufsteigen wollen. Doch ich entscheide mich sie laufen zu lassen. Still und heimlich.
Stille. Ab und zu ein Vogel zwitschern. Stille.
Ich weiß nicht wie lange ich hier lag, aber irgendwann sehe ich jemanden laufen. Doch ich habe keine Kraft um aufzustehen, um mich zu bewegen. Ich bin starr.
„Alles okay, bei Ihnen?"
Stille.
„Hey?" Zwei Hand, die mich hochzuheben versuchen. Sie scheitern.
„Können sie mir mal helfen, bitte?" Eine dritte Hand und eine vierte. Langsam hebt sich mein Kopf vom Asphalt.
Wenn sie reden, bekomme ich nichts mit. Ich bin starr.
Stille.
„Leo.", flüstere ich.
„Sie hat was gesagt!", ruft jemand. Ein Mann in grüner Uniform tritt auf mich zu. Ein Polizist.
„Was ist passiert?"
„Leo, ermordet. Im Wald.", ist alles was ich rausbekomme. Die Wörter in meinem Mund sind unreal, aber so real.
Ich sitze da, gefühlslos, trotz allem laufen die Tränen an meinen Wangen herab.
Die Polizisten rennen in den Wald, der hinter mir ist.
Einige Menschen befinden sich hier.
„Leo, ermordet." Wörter, die nicht real sein dürfen. Sie dürfen es nicht.
Kurze Zeit später kommen die Männer zurück. Etwas in einer Tüte. Einer hat ein Messer in der Hand.
Ein Schrei, ein lauter Schrei aus meinem Mund. Alle sehen mich an. Ich weine wieder. Ich muss weg. Ich stehe auf. Zum Glück gehorchen meine Muskeln noch auf mich.
„Ich muss gehen.", sage ich, nervlich am Ende.
Ob jemand antwortet, keine Ahnung. Ich gehe. Um mich herum nur Stille.
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Zauber
خيال (فانتازيا)Glaubst du an Zauberei? Nein? Ich eigentlich auch nicht. Eigentlich? Tja, mein Leben wurde schlagartig auf den Kopf gestellt, als sich herausstellt, dass ich mich unsichtbar machen kann. Wieso ausgerechnet ich? Keine Ahnung. Es ist ein Zauber. Etw...