SAMIRA: 16. 3. 2016

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Teil 1:

Ich beobachte Jimmy dabei, wie er aus dem Zimmer von Casey kommt. Seinen verschlossenen, sowie arroganten Gesichtsausdruck kann ich nicht leiden. Und mir gefällt auch nicht, dass er so selbstsicher herauskommt. Casey ist meine beste Freundin und wahrscheinlich hat er es gerade fertig gebracht, dass sie ihn total hasst. Nichts dagegen, ehrlich, aber so hat das auch mit Dem, dessen Name nicht genannt werden darf, angefangen. Er hat ihr einen Ball in die Magengrube geschossen und sie hat ihn dafür gehasst. Einziges Problem...das Arschgesicht sieht gut aus. Und irgendwann träumte Casey von ihm, dann ging sie mit ihm und dann überredete er sie, dass sie mit ihm ins Bett ging.

Jimmy verschwindet, ohne ein weiteres Wort an Frau Raif. Ich persönlich empfinde dies als unhöflich, immerhin durfte er als erstes zu Casey rein - statt mir.

Arian neben mir mustert mich und ich drehe mich zu ihm um. So kalt wie möglich frage ich ihn: „Was ist denn jetzt schon wieder?"

„Stehst du auf dieses Arschloch?"

Seine Eifersucht steht ihm förmlich in das gemeisselte Gesicht geschrieben. Arian sieht wie die männliche Form von Casey aus, nur nicht ganz so attraktiv. Er hat schwarze Augen, schwarze Haare und einen geilen Körper - aber er ist tabu. Casey denkt, ich bin eine Männerhassende Femme, doch eigentlich liegt es eher daran, dass Arian noch nie treu war. Er ist nicht wie Casey. Er ist weder treu, noch so unschuldig und sanft. Er versteht meine schwesterliche Sorge um sie nicht. Er ist einfach zu blöd dazu, sie zu beschützen.

Ich stehe ohne eine Antwort auf, richte meinen Schal und marschiere anmutig wie immer auf die Tür zu, hinter der sich Casey befindet. Ich klopfe leise an und trete ein - und ein Kissen knallt mir voll ins Gesicht. Völlig verdattert stehe ich da, bis Casey erschrocken aufkreischt.

„Gott, ich dachte, du seist...jemand anderes, tut mir echt Leid, Mira! Ehrlich, das war nicht Absicht. Gut, doch irgendwie schon, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass du hereinkommen würdest!"

„Schon okay...", grinse ich und werfe ihr das Kissen zurück, bevor ich die Tür schliesse. Denn draussen lauscht Arian mit angespitzten Ohren und das, was ich mit Casey bespreche, geht ihn nichts an.

Ich gehe auf ihr Bett zu. Um ehrlich zu sein, sie sieht schrecklich aus. Aber was kann man anderes erwarten, sie liegt hier im Krankenhaus ohne Make-up und nach einem Unfall. Ihre schwarzen Haare wirken kraftlos, ebenso sie selbst. Ich nehme mir automatisch vor, dass wir bald wieder einen Wellness-Nachmittag machen. Am besten schon ziemlich bald, denn dann kann Casey beweisen, dass Jimmy etwas entgeht.

„Du dachtest, ich wäre Jimmy, oder?"

„Ja! Dieser Idiot hat einfach abgeblockt, als ich ihn fragen wollte, wann er mich gefunden hatte! Und dann ist er verschwunden! Was erlaubt der sich eigentlich?!"

Ich verflechte meine Finger mit Caseys. Normalerweise beruhigt sie das immer, denn dann fühlen wir beide uns irgendwie stärker. Schon cool, wenn man nebst einer verrückten Familie noch eine coole Freundin wie sie hat.

„Hat er dir wenigstens dein Handy zurückgegeben?"

Sie schnaubt eingeschnappt. Ich weiss ganz genau, was jetzt kommt. Wenn Casey wütend wird, wird sie irgendwann in Tränen ausbrechen - und genau das muss ich verhindern. Es ist ein natürlicher Schutzmechanismus, statt dass sie wie ich um sich schlägt. Aber eben sowas kann Casey sich nicht leisten.

„Ja. Hat er, dieser Vollpfosten! Es ist, als hätte er mich nur aufgelesen, damit er allen rumerzählen kann, dass er ein Held ist. Er will doch sowieso nur sein Ego aufpolieren, dieser arrogante Sack! Was denkt der eigentlich, was er sich erlauben kann?! Ich bin dank ihm dem Tod entronnen, aber das heisst noch lange nicht, dass er jetzt rumspinnen kann!"

Ich mustere sie. Ihre Hand krampft sich an meine, kalt und verlassen fühlt sie sich an. In ihren Augenwinkeln stehen Tränen und bevor sie weich wird, schreite ich dazwischen.

„Wir müssen ihm beweisen, dass er sich mit den falschen Mädchen angelegt hat! Du bist Casey Raif, ein Geschenk für die Menschheit - und deshalb wirst du ihn auf dem Joseftag-Ball umhauen!"

Ich weiss auch schon, welche Farben wir beide tragen werden. Sie das traumhafte gelb und ich das fantastische grün. Das perfekte Duo auf einem Ball. Auf dem Schulball...der perfekte Ort, um zwei Idioten zu beweisen, was sie mit Casey verlieren.

„Weisst du, wer mich angefahren hat?", fragt sie mich leise, aber gefasst. Anscheinend hat sie sich innerlich wieder aufgebaut und die Lücken in ihrer Schutzmauer gestopft. Ja, meine Freundin gibt nicht schnell auf, trotz den Vorurteilen gewissen Ausländern gegenüber. Trotz der Tatsache, dass sie Bluterin ist und trotz allem, was ein gewisses Arschgesicht ihr angetan hat.

Ich zucke zusammen. Oh ja. Ich weiss, wer schuld ist. Und derjenige wird dafür bezahlen.

„David. Aber keine Sorge, er wird bezahlen!", schwöre ich ihr wütend. Niemand fährt einfach mein Babygirl an und haut dann einfach ab!

Casey saugt geschockt die Luft ein und ich klammere mich noch mehr an ihre Hand. Ich weiss, ich hätte ihr sowas schonungsvoller beibringen sollen. Aber das bringt mir doch nichts. Und ihr schon gar nicht. Ich gehöre nicht zu derjenigen Session Mensch, der Probleme „durch die Blume" unterbreitet und schon gar nicht zu jenen, die schummeln.

„Ich liebe dich, Mira. Ehrlich. Jeder andere hätte mir sowas...gar nicht gesagt...", schluchzt sie trotzig und ich bin stolz auf mich selbst. Ja, ich liebe mich auch. Gut, ich sollte vielleicht mit ihr reden, bevor sie in Tränen ausbricht.

„Pass auf, Babygirl. Ich liebe mich auch - immerhin bin ich unwiderstehlich - und da wir mich beide lieben, trete ich zwei Typen morgen in den Arsch, okay?!"

Sie lacht schon wieder, auch wenn es ein wenig zittrig ist. Immerhin, ich habe sie zum Lachen gebracht. Und wenn Casey mich anlacht, dann sind alle Probleme vergessen. Die Tür geht wieder auf, Arian und die anderen kommen herein. Um ihnen ein wenig Zeit mit Casey zu geben, umarme ich sie vorsichtig und verdufte dann aus dem Raum.

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