Emorragia

SAMIRA: 21. 3. 2016

Policeman von Eva Simons^^

Teil 1:

Montage sind die Pest.

Alle erzählen sich von ihrem wahnsinnig guten Wochenende, wer wen auf dem Josefball flachgelegt hat und was man nächstes Mal nie wieder tun will. Das Problem dabei ist einfach: diese Wochenenden sind so alltäglich, diese Flachlegerei ist sowieso die Hälfte gelogen und an diese „Nie-wieder-werde-ich" hält sich sowieso nie eine Sau.

Die ersten drei Stunden waren die Hölle.

Anders als Babygirl - mit ihrer Sportlektion und den beiden Deutschstunden - musste ich Mathematik und Französisch über mich ergehen lassen. Eigentlich hätte ich mit ihr zusammen Deutsch, aber nein, man musste mich unbedingt noch für diese ungenügende Note zusammenscheissen. Ach und nicht zu vergessen wegen dem stetigen und provozierenden Kaugummikauen bekam ich auch noch eine Standpauke. Alles in allem war mein Morgen vor der Pause die Hölle. Besonders, wenn man eigentlich viel Wichtigeres hätte tun können. Zum Beispiel Casey den Rücken stärken was die Sache mit Jimmy angeht.

Der 3. Oberstufenbank ist in dem Ecken neben dem Schuleingang, unter dem Vordach.

Wir sitzen alle zusammen da, kaufen was vom Pausenkiosk und tun so, als würden wir uns nicht gegenseitig hassen. Ich zu meinem Teil wäre ganz froh, dem einen oder anderen eine zu kleben. Einfach aus Spass. Aber ich will keine Schlägerei auslösen, bei der ich sowieso gewinne. Als hätte einer von diesen hirntoten Fussballern die leiseste Chance gegen eine Kickboxerin. Also echt, wovon träumen die wohl nachts?

Ich lasse meinen Blick verächtlich über die anderen schweifen. Die Jungs sitzen in der Sonne, labern über irgendwelchen Scheiss vom Wochenende und nerven die anderen Mädchen andauernd. Die Mädchen haben eine Traube um Michelle gebildet, die unter der grossen Aufmerksamkeit förmlich aufblüht. Tim und Casey sitzen nebeneinander und reden ebenfalls, allerdings über den Film, den Tim gestern im Kino gesehen hat. Die 5. Welle. Ich, der Anti-Filme-Typ, stalke lieber. Wegen dem eher kühlen Wetter habe ich mich entschlossen, die neue grüne Nike-Jogginghose und den weissen I-know-I-love-me-too-babe-Hoodie anzuziehen. Casey hingegen sieht völlig verändert aus. Auf positive Weise. Ihr momentaner Inka-Trip passt ausgezeichnet zu ihr, macht sie aber auch taffer.

Ich hebe die Augenbraue, als ich Jimmy dabei beobachte, wie er seinen Blick über Casey wandern lässt. Sein Grinsen verleitet mich beinahe dazu, zu kotzen. Es wirkt nicht echt, sondern sowas von gefakt. ER wirkt nicht, als wäre er stolz darauf, mit Michelle die Nacht verbracht zu haben. Michelle hingegen schon. Wahrscheinlich zeigt sie den anderen Mädchen gerade Fotos von seinem zerkratzten Rücken.

Jimmy fängt meinen Blick ein und dann tut er etwas, was ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Seine Hand zittert, er schiebt sie in seine Hosentasche und steht auf, obwohl Yussef ihm gerade eine Kippe anbietet. Casey neben mir versteift sich einen Moment lang. Aha, sie ist also doch nicht so ignorant wie sie sich gibt.

Jimmy kommt auf sie zu und ich kann sogar sehen, wie Michelles Miene sich verdüstert. Oha, Eifersuchtsalarm!

„Casey? Können wir reden?"

Casey hebt arrogant ihren Kopf und wirft sich ihren losen Zopf über die Schulter. Ich beisse mir ins Innere meiner Wange, warte gespannt auf ihre Antwort.

„Pricaj sa zidom!"

Als Einzige, die diesen Satz verstanden hat, grinse ich. Rede mit der Wand, Allah, Babygirl ist endlich erwachsen geworden! Tako sam prokleto ponsma na nju! Ich bin so verdammt stolz auf sie, dass sie trotz ihrem verletzten Herzen diesem verfluchten Arschloch die Stirn bietet.

Jimmy runzelt verwirrt die Stirn, schnallt aber ihre Feindseligkeit ihm gegenüber. Oh, wow, er besitzt ein Hirn. Sowas hat schnallt er noch, aber als er sich an mich wendet, ist es vorbei mit dem Spass.

„Bitte, Samira..."

Ich seufze genervt auf. In Caseys Augen erkenne ich, dass sie tatsächlich will, dass ich mit ihm rede. Aber ich es eigentlich trotzdem nicht tun soll, einfach weil es alles viel einfacher machen würde.

„Auf keinen Fall redest du mit dieser Hure!", unterbricht jemand meine Gedankengänge und ich stehe ganz langsam auf. Ausgerechnet Michelle will mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe? Und dann bezeichnet sie mich auch noch als HURE?!

In mir kocht alles hoch. Adrenalin durchströmt mich, Hitze wallt hoch und ich bin schneller bei ihr als sie blinzeln kann. Casey hinter mir sagt nur noch: „Schön dich gekannt zu haben, Michelle!", bevor ich austicke.