Teil 1:
Mit einer aggressiven Bewegung stopfe ich meine schwarze Ray-Ban-Sonnenbrille in meine beige Handtasche, wobei ich das heute Abend sowieso bereuen werde. Aber egal, denn ich bin so verdammt wütend auf Casey.
Ich klingle Sturm bei den Raif's, bis mir Arian die Tür öffnet - natürlich in Boxershorts und einem verschlafenen Gesichtsausdruck. Gott, es ist sechs Uhr nachmittags, war der mit jemandem im Bett?! Selbst ich trage entgegen meiner sonstigen Gewohnheit trage ich einen schwarzen Faltenrock, ein weisses Top und meine silbernen Kettchen. Arian mustert mich, reibt sich die Augen, sieht meinen heruntergerutschten BH-Bügel an und dann wieder mein Gesicht.
„Nemoj slucajino da si je ubijo!", ist alles, was er als Begrüssung sagt. Seitdem er weiss, dass ich ebenfalls aus Montenegro komme, redet er nur noch Serbisch mit mir. Das witzige ist, dass er mich gerade angewiesen hat, Casey nicht umzubringen. Anscheinend kann er sich immerhin merken, dass ich nur aufgetakelt bei Casey auftauche, wenn ich sie am liebsten erwürgen würde. Sinnbildlich gemeint, natürlich.
„Več jasno, kretenu!", den scharfen Unterton hört er bei meinem: „Schon klar, Wichser!" sehr wohl heraus. Er zieht die Augenbrauen hoch, ich linse auf seinen Oberkörper. Nur ganz kurz ist erlaubt. Er ist sowieso viel zu beschäftigt damit, was ich gesagt habe. Bevor er eine Antwort bilden kann, dränge ich mich an ihm vorbei und gehe die Treppen hoch. Als ich kurz vor dem Klopfen bin, ruft er mir noch keck nach: „Das macht mir schon jemand!"
Meine Hand hält beim Klopfen inne. Das hat er nicht gerade ernsthaft zu mir gesagt, oder? Er ist so ein hässliches Schwein! Er hat weder Caseys Manieren, noch den Anstand, mir aus dem Weg zu gehen! Klar, er hat ein ziemlich grosses Brett vor dem Kopf, aber selbst er war doch nicht gerade so blöd, sowas einer Frau nachzurufen, die auf ihn - stopp, befehle ich mir innerlich. Ich stehe nicht auf Arian Raif. Er ist ein Kretenu, fertig.
Die Tür geht auf und Frau Raif bittet mich mit einem Lächeln hinein.
Nichtsahnend liegt Casey auf ihrem Bett und liest in ihrem neusten Fang: Frostkuss. Sie sieht auf und ich schliesse die Tür hinter mir. Die Packung neben ihr sieht verdächtig leer aus, obwohl sie mir hoch und heilig versprochen hat, kein Caramellpopcorn mehr zu essen, weil sie davon ziemliche Pickel bekommt.
„Warum hast du vorhin einfach aufgelegt?", fragt sie mich. Sogar jetzt sieht sie noch nicht ein, was für einen Fehler sie gemacht hat.
Ich werfe meine Tasche einfach zu Boden und platze. Den ganzen Weg hierher konnte ich mich noch zurückhalten, aber damit ist jetzt Schluss.
„Jes ti normalna?? Kako možes sa njim da ides tamo glupačo jedna?! Koliko ti daski falje da bi pristala na takvu glupost kravo?? Znas ti da je on jedan od onih muškaraca sto se samo igraju sa curama?! Ti si stvarno luda! To je prešlo svaku meru! Ali ipak si zaboravila onog glupana sto te je iskoristio to je jedino dobro!"
So als Zusammenfassung schreie ich sie gerade an: „Geht's noch? Wie kannst du mit ihm dorthin gehen, du Behinderte?! Wie viele Schrauben fehlen dir im Hirn, damit du bei soetwas zustimmst, du Kuh? Du weisst, dass er ein Player und typische Playboy ist, der mit den Mädchen nur spielt? Jetzt hast du echt jede Grenze überschritten!", ich atme tief durch und wische die Vase vom Tisch, die mit einem Scheppern zu Boden geht, „Aber ich bin auch froh, dass du den Idioten vergessen hast, der dich ausgenutzt hatte. Das ist das einzig Positive!"
Casey stürzt auf die Glasscherben hin, will sie aufsammeln, doch ich schubse sie zurück aufs Bett und mache es selbst. Casey soll sich nicht wegen meiner Wut schneiden. Das hat sie nicht verdient, trotz all ihrer Dummheit.
Leise erwidert sie meinen Redestrom: „On me je samo pitao ako hoću da idem da vidim kako je to, to nije pozivnica za večeru, Mira!"
Wieder schnaube ich. Er hat mich ja nur gefragt, ob ich mir das mal ansehen will. Es war keine Einladung zu einem Date, Mira...genau sowas kann sie sich bei jemandem wie Roman Hauser abschminken. Er ist und bleibt ein Idiot - egal, wie oft sich Badboys in ihren Büchern noch ändern.
Ich werfe ihr einen Dein-Ernst-Blick zu, was sie sofort erwidern muss. Casey lässt solche Sachen nicht gerne unausgesprochen.
„I ne zovi me kravo, dorbo znaš da to mrzim kad me tako zoveš! Nisam više dete malo, ne treba niko da mi kazuje sta cu da radim i sta ne, u pisdu materinu!"
PS: das heisst: „Und nenn mich nicht Kuh, du weisst ganz genau, dass ich das hasse, wenn du mich so nennst. Ich bin kein kleines Kind mehr! Man muss mir nicht sagen, was ich tun oder lassen soll, verfluchte Scheisse noch mal!"
Okay. Vielleicht war ich doch ein wenig hart zu ihr, das muss ich zugeben.
„Sorry, Babygirl..."
Casey seufzt und sieht von oben auf mich hinab. „Ja znam ko je Roman Hauser. Ali on može i da bide drugči sigurna sam u to!"
Ich weiss, wer Roman Hauser ist. Aber er kannauch ganz anders sein, da bin ich mir sicher!
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Emorragia
RomanceEmorragia; ital. blutend Casey Raif ist knapp fünfzehn, wohnt in einem unbedeutenden Dorf in der Schweiz, liebt Bücher und kennt sich super mit Computern aus. Sie ist das typische Goodgirl und kennt auch kaum was anderes. Wie sehr wünschte sie sic...