ROMAN: 19. 3. 2016

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Teil 1:


Mum zerdrückt ihre Kippe im Aschenbecher, als ich in die Küche komme. Ihre Augen wandern über meinen Körper und dann fragt sie: „Darf ich wissen, warum du um diese Zeit schon auf bist? Warst du gestern nicht noch in der Shisha-Bar?"

Ja. Und eigentlich sollte ich vollkommen zugedröhnt in meinem Bett liegen und im Delirium vor mich hin grinsen. Oder so...aber stattdessen stehe ich angezogen in der Küche mit der Aussicht auf ein Date mit Casey Raif. Wie ich auf die Idee mit dem See gekommen bin, weiss ich ja selbst nicht. Wahrscheinlich einfach, weil ich sie unbedingt mal in Unterwäsche sehen will. Oh ja, das wäre mal wirklich was, was mich interessieren würde. Nicht, dass Casey nur weite Sachen trägt, aber auch nicht gerade Kleider, die einem einen Ständer bereitet. Abgesehen vom Sportunterricht bekomme ich selten einen freien Blick auf ihren Arsch, wenn ich so darüber nachdenke.

„Ja. Warum?", frage ich zurück und schnappe mir ein Schokoladenjoghurt aus dem Kühlschrank. Seit gestern Nachmittag hatte ich nichts Essbares mehr zwischen den Zähnen. Gut, keine echte Nahrung, wenn ihr es so wollt.

Ich setze mich ihr gegenüber hin und sie mustert mich weiterhin scharf.

„Ist es wieder Casey?"

„Woher willst du das jetzt schon wieder wissen? Normalerweise interessiert es dich doch auch nicht, mit wem ich was mache!", knurre ich sie ab. Muss sie mir unbedingt die gute Laune nach dem Gespräch mit Casey versauen? Casey wurde sowas von blamiert und will trotzdem auf ein Date mit mir kommen. Der Wahnsinn.

Ich öffne mein Joghurt, aber dann entdecke ich, dass ich den Löffel vergessen habe. Mum überblickt das Ganze natürlich sofort und lehnt sich mit ihrem Stuhl zurück, zieht die Besteckschublade aus und reicht mir dann den Löffel. Ich nicke ihr einfach nur zu, bevor ich mich über mein mageres Frühstück hermache.

„Nun", Mum seufzt, „Normalerweise sind es auch erfahrene Mädchen. Casey wird daran zerbrechen, wenn du sie fallen lässt!"

„Wer sagt denn, dass ich sie fallen lasse?"

„Ich bezweifle, dass du jemals deine Traumfrau treffen wirst. Und auch wenn Casey im Moment noch so taff wirkt, wirst du sie zerstören – "

„Als wäre daran etwas schlimm. Du machst alles einfach gerne dramatischer als es ist, Mum..."

„Meinst du?", sie zieht die Augenbraue hoch und wendet sich dann wieder ihren Samariterprotokollen zu. Gestern hatte sie anscheinend wieder eine Sitzung und als Schreiberin ist es ihre Aufgabe, die Sitzung festzuhalten. Als ich meinen Blick über ihr Gesicht schweifen lasse, erkenne ich, dass sie müde aussieht. In letzter Zeit haben Dad und sie andauernd Streitereien. Es fängt so gegen Abend an, wenn Dad nach Hause kommt und Mum total am Ende am Küchentisch sitzt. Dann komme ich hinzu, hinter mir eine Rauchfahne herziehend. Dad schnuppert dann idiotenmässig in der Luft herum und fängt dann an. Meistens handelt es sich darum, dass ich mein Geld falsch verwende. Dann geht es auf gegenseitige Vorwürfe über und zum Schluss verschwinden die beiden einzeln, um ihr Zeugs zu rauchen. Ja, und dann fragen sie sich, warum ich mit Problemen nicht umgehen kann!

Mum ist einfach jemand, der sich wie Casey die Liebe wie ein magisches Gefühl vorstellt. Und wenn Komplikationen vorkommen, schläft sie überhaupt nicht gut.

Ich löffle mein Joghurt und warte. Warte darauf, dass sie mich fragt, was ich mit ihr machen will. Und prompt kommt die gedachte Frage.

„Sie kommt heute Nachmittag vorbei, dann kann sie eines meiner Edelweisshemden aussuchen und danach gehen wir noch an den See..."

Mum schmeisst ihren Stift hin und lacht lauthals.

„Was ist?"

„Wie blöd muss man sein, ein Mädchen zum Schwimmen im März einzuladen!"


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