Teil 2:
Sie blinzelt überrascht und wird dann rot.
„Du willst mich ernsthaft mitnehmen?"
Ich schweige, sehe sie einfach an. Würde ich sie fragen, wenn ich sie nicht dabei haben will? Würde ich mich hier zum Affen machen, wenn sie mich nicht faszinieren würde? Hätte ich die Shisha-Bar sausen lassen, würde sie mir nichts bedeuten? Gott, ich hoffe, Casey stellt sich nur so blöd an, wie sie sich gerade angehört hat. Sowas muss doch auf der Hand liegen.
Sie hebt ihren Blick und nickt dann. Ein leises Lächeln stiehlt sich in ihre Mundwinkel, als ich ihr zum Abschied noch sage: „Und trag ein Edelweisshemd. Dann erkenne ich dich leichter!"
Ihr Blick brennt sich in meinen Rücken, als ich die Kurve mache und aus ihrer Sichtweite verschwinde. Erst jetzt fällt mir auf, wie heftig mein Herz schlägt und wie ich mir schon ausmale, wie sie mir zu meinem Sieg gratuliert. Natürlich muss da zuerst ein Sieg her, aber das schaffe ich schon. Immerhin habe ich Ansporn genug.
Als ich zuhause ankomme, hängt Mom gerade die Wäsche auf. Die nassen Kleider wehen nur schwach im Wind. Ich stelle mein Mofa in die Garage, schmeisse meinen Helm zur Seite und hoffe, dass Mom keinen Kommentar von sich gibt, doch das kann ich mir heute wohl abschminken. Schon ihr wissender Blick sagt alles. Freitags bin ich nur morgens und mittags zuhause, dann bin ich irgendwo, wo man illegales Zeug unter sechzehn kiffen kann.
„Ich war heute bei Elinor Raif. Wegen der letzten Samaritersitzungsprotokollierung!", sie greift nach dem leeren Wäschekorb und geht auf den Wäscheraum zu. Ich folge ihrer stummen Aufforderung und lehne mich an den Türrahmen, während sie die Weisswäsche aus der Waschmaschine zieht und in den Korb stopft.
„Und was hat das mit mir zu tun?", frage ich desinteressiert. Eigentlich hatte ich vor, noch was für meine Ausdauer zu tun. Oder gleich auf das Rauchen auf dem Balkon überzugehen. Je nachdem, wie lange mich Mom hier festhalten will. ¨
„Ihre Tochter sollte heute aus dem Krankenhaus entlassen werden und sie wollte sie abholen gehen - du weisst doch, Casey, die, die in deine Klasse geht. Hat sie nicht Mathe mit dir?"
„Ja. Ich weiss. War das alles?"
Mom lacht kurz auf, dann drückt sie mir den Korb in die Hände und marschiert an mir vorbei wieder nach draussen, zur Wäscheleine. Wahrscheinlich stehe ich wie der letzte unfähige Depp mit diesem Korb voll Spitzenunterwäsche meiner Schwester, Badezimmervorhängen und Tüchern da, sodass sie mich für noch blöder hält als immerhin schon.
„Kommst du heute noch?"
Genervt gehe ich wieder zu ihr hin und stelle den Korb auf den Boden. Mit verschränkten Armen beobachte ich sie dabei, wie sie Klammern zwischen ihre Zähne schiebt und einen blütenweissen BH aufhängt. Macht sie das mit Absicht?
„Doch Casey verbot ihr, sie abholen zu lassen. Sie habe sich bereits selbst eine Fahrgelegenheit besorgt. Und jetzt rate mal, wer das ist?"
„Samira?", gebe ich genervt von mir. Hoffentlich hat Casey jetzt nicht ernsthaft ihrer Mutter erzählt, dass ich sie abgeholt habe. Denn dafür werde ich sie ernsthaft umbringen müssen. War ja klar, dass ihre Mom meiner von ihrem wundervollen zukünftigen Schwiegersohn berichten würde. Ich weiss, ich bin ein Traum. Ich weiss, dass niemand mir widerstehen kann. Aber ich weiss auch, dass ich mich nicht für die Ehe eigne. Dafür habe ich wirklich zu wenig Abwechslung.
„Eben nicht. Elinor hat Samira darauf angesprochen, doch diese hat einfach nur gelacht und gemeint, dass ihr Retter anscheinend doch mehr Interesse gezeigt habe als erwartet. Und dieser Retter würde sie um vier abholen, mit dem Mofa. Sei in ihrer Matheklasse, hätte einen Hang zu illegalen Machenschaften und sei einfach ein Traum mit einem süssen Grinsen..."
Gut. Ich muss es einfach zugeben. Es ist verdammt schwer, mir das Grinsen zu verkneifen. Besonders bei der Bemerkung mit dem süssen Grinsen. Casey hat eindeutig mehr Interesse an mir, als ihr guttut, dass sie sich sogar traut, es Samira anzuvertrauen. In meinem Kopf bilden sich Bilder, wie sie ungeduldig darauf wartet, dass ich komme. Wie sie nachts einfach nicht schlafen kann, nur weil sie zu lebhaft von mir träumt. Wie sie sich mich nackt vorstellt und dabei sabbern muss.
„Warst du dieser besondere Junge, Roman?"
Ich schrecke aus meinen Tagträumen. Moms triumphierender Blick halte ich nicht mehr lange aus und antworte ihr mit einem: „Und wenn?"
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Emorragia
RomanceEmorragia; ital. blutend Casey Raif ist knapp fünfzehn, wohnt in einem unbedeutenden Dorf in der Schweiz, liebt Bücher und kennt sich super mit Computern aus. Sie ist das typische Goodgirl und kennt auch kaum was anderes. Wie sehr wünschte sie sic...