Five Elements - Blazing Fire

Kapitel 1 || Machtlos ||

|| Selin ||

Kalter nackter Stein, leblos und so glatt wie ein Blatt Papier. Gefertigt mit Erde, Wasser, Luft und Feuer. In Form gegossen und hoch hinauf bis zum Himmel aufgetürmt. Stein um Stein. Ein Fundament gebaut für eine Vereinigung der Magie – der vier Elemente. Eine Gründung einer Gesellschaft in der jeder seinen Platz fand. Unmengen von Magie an einem Ort – auf einer künstlich errichteten Insel mitten auf dem Meer. Wasser überall, wohin man sah. Wellen, die unbändig gegen die Mauern von Seltsi Rahvas schlugen, zu Milliarden von Tropfen brachen und wieder zu einem Ganzen schmolzen.

Außerhalb der Insel herrschte tröstliche Ruhe, doch im Inneren von Seltsi Rahvas erwachte der angebrochene Tag zu einem hektischen Treiben. Die Marktstände öffneten ihre Läden, Kinder liefen zwischen den Beinen der Erwachsenen hindurch und strahlten freudig der aufgehenden Sonne entgegen.

Rastlose Augen suchten den blauen Horizont ab, hielten nach fremden Welten und abenteuerlichen Orten Ausschau, doch egal wie oft sie den Rand des Meeres abfuhren, es kam kein Land in Sicht. Traurigkeit schimmerte in den wachen Augen des jungen Mädchens.

Seit ihrem fünften Lebensjahr hatte Selin mit Begeisterung den Erzählungen der Seeleute gelauscht, die am Hafen anlegten, um auf Seltsi Rahvas eine Pause einzulegen. Die Männer erzählten von saftig grünen Wiesen, hohen Bergen und Tieren in allen existierenden Farben. Es wurde von Palästen am Rande eines sagenhaften Wasserfalls oder Hütten an den Wänden von Klippen berichtet. Jedes Mal wenn die Seemänner wieder an Bord ihrer Schiffe gingen und der Insel den Rücken kehrten, keimte in der jungen Frau der Wunsch mit ihnen die Segel zu setzen.

Selin wollte etwas erleben, die Welt sehen und nicht den akribischen Vorschriften der Gesellschaft Folge leisten. Ein vorbestimmtes Leben war nicht Teil ihres Traumes, den sie sich für ihre Zukunft ausgemalt hatte. Eigenständigkeit und die Möglichkeit ihren eigenen Weg selbst zu bestimmen, das war es, was sie wollte.

Die Welt hatte viel mehr zu bieten, als kalten glatten Stein entstanden aus Magie. Diese Insel war mit Gewalt geformt worden und nicht von Mutternatur gewollt. Es wurde das Gesetz der Natur mit allen Mitteln umgangen und in den Kreislauf des Lebens eingegriffen.

Die Geschichten führten dem Mädchen vor Augen, dass Wasser nicht gleich Wasser war oder jedes Land den gleichen Idealen folgte. In Magie steckte so viel mehr, so viel Macht, die jeder für sich beanspruchen konnte. Die Elemente wurden dem Menschen seit ihrer Geburt zugeteilt, doch erst ab einem bestimmten Alter konnten sie vollends angewandt werden.

Selin erinnerte sich an die anschauliche Beschreibung ihres Onkels, wie sich die Magie in seinem Inneren begonnen hatte zu regen. Als Erstes hatte er die Anziehung zur Erde deutlicher gespürt, dann konnte er förmlich fühlen, wie die Pflanzen wuchsen und wie sie starben. Das Erstaunlichste war, dass ihr Onkel hörte, wie die Bäume und Blumen zu ihm sprachen, als wäre er mit ihnen verbunden. Bei der Vorstellung unsichtbare Ranken könnten sich um seine Arme winden, stellten sich die kleinen Härchen auf ihren Armen auf.

Pure Vorfreude durchströmte ihren Körper, sie wollte es selbst erleben, ihr eigenes Element in den Adern pulsieren fühlen. Selin hatte es kaum erwarten können herauszufinden, welches der vier Elemente das ihre war. Aber als sie an diesem Morgen aus ihrem tiefen Schlaf erwachte, und versuchte die Quelle ihrer Magie aufzurufen, spürte sie nichts. Alles war wie zuvor. Kein Funke, der entfacht wurde, keine unsichtbaren Ranken an den Armen, kein sanfter Wind im Haar oder Wasser auf der Haut – nichts. Der Morgen verlief wie jeder andere auch, bis auf das starke Kribbeln in ihrem Nacken, welches wieder so schnell verschwand, wie es gekommen war. Es war nicht von Dauer – nicht beachtenswert.

Als das Mädchen sich auf das Kribbeln konzentrierte verblasste das Gefühl und mit ihm kam die Leere. Sie fühlte sich ihrer Emotionen beraubt, ihrer Hoffnung und Träume. Auch als ihre Augen den Horizont absuchten, wie so oft, blieb die Sehnsucht, der Drang nach Freiheit und neuen Erfahrungen aus. Ihr pochte hart gegen ihre Brust, ihre Gedanken kreisten unentwegt und ihr Körper zitterte.