Der neue Zauber

9 3 0
                                    

Der Marktplatz war nun leer. Ein Erfolg von den "Überzeugungskünsten" Heranes und Heruds und einem vierarmigen Troll, der mit einem Sarg dazu gestürmt war. Die fünf Zauberer mussten alle mit anfassen, damit sie den Sarg, eine Eisenanfertigung mit Unmengen Schichten Leder und Fell gefüttert, überhaupt tragen konnten und das machte sie schrecklich langsam. Doch auf kaum der Hälfte des Weges kam ihnen Probnack entgegen, was, davon war Vis überzeugt, die enorme Weitsicht von Schäfler bewies. Probnack hatte den Sarg wortlos genommen und getragen, als hätte er das Gewicht einer toten Gans. Schäfler hatte den Kopf des verletzten Mädchen auf dem Schoß und der Heiler des Dorfes saß neben ihm, sichtlich bemüht fachmännisch auszusehen. Er hatte mal so gar keinen Erfolg, wie Kell fand. Aber es war auch schwer fachmännisch zu wirken, wenn zwei Kampfzauberer, wie Herud und Herane, einen anstarrten.
"Lebt sie noch?" Fragte Vis an Schäfler gewandt.
"Sonst wird ich ja wohl kaum noch hier sitzen!" Antwortete dieser.
"Gut, dann fangen wir an. Adelis, kannst du ihn finden?"
Adelis nickte kurz, dann atmete er tief ein und hielt die Luft an. Mit ausgestreckten Armen huschte er dann längs und quer über den Platz und blieb dann abrupt stehen. Er konnte ihn ganz deutlich spüren, Wie ein dünnes Band wehte der Wind hier zwischen den Häusern, perfekt für eine Windnaht!
"Ganz sicher?" Fragte Krum, der das Band aus laufender Luft nicht spüren konnte. Adelis nickte und ergriff es wie ein Seil.
Vis schaute zu Krum. Der nickte kurz und nahm dann das Mädchen, vorsichtig wie ein Neugeborenes. Er legte es links von Adelis auf den Boden und wies Probnack an, das selbe mit dem Sarg auf der anderen Seite zu tun.
Sirena ging der Weil zum Medicus und sprach ihn an:
"Wie heißt sie eigendlich?"
Der Medicus schaute überrascht auf.
"Wie bitte?"
"Das Mädchen. Wie heißt sie!"
"Achso....Amelie!"
"Amelie..." Sirena schaute zu dem Mädchen. Schäfler hatte irgendwie geschafft, die Ärmste so zu verbinden, dass sie schon fast friedlich wirkte. "Das ist ein schöner Name!"
"Mag sein..." sagte Vis. "...aber das tut jetzt nichts zu sagen!" Er stand nun direkt vor dem Sarg. Seine Hand ruhte auf dem Deckel, dann drückt er mit zwei Fingern in das Holz und zwei verborgene Tasten gaben nach. Die Wände der Kiste lösten sich und der Deckel spaltete sich in der Mitte, wie ein Tor, das nun nach außen aufschwang. Der Medicus wurde beim Anblick der Puppe noch bleicher und selbst Herane riss die Augen weit auf. Herud starrte eine Weile auf die Puppe, dann zu seiner Schwester, dann zum Himmel, wieder zur Puppe und dann erregte er den Eindruck, im Stehen eingeschlafen zu sein.
"Wa...wa..was...habt ihr vor?" Stotterte der Medicus.
"Na, wonach siehts denn aus? Wir ersetzen einen sterbenden Körper durch einen, der bisher nicht lebte!"
Gab Kell Auskunft.
"Wie soll das denn funktionierem?" Herane wurde neugierig.
"Na ja." Vis räusperte sich. "Wenn meine Theorie stimmt und ich hege kaum Zweifel daran, sollte es durchaus möglich sein, dass ein menschlicher Geist in der Lage ist, einen abiologischen Körper zu bewohnen, wenn er nur genug geisteigenen Äther besitzt."
"Geisteigenen Äther?" Heranes Interesse wuchs.
"Ja! Laut meiner Theorie, hat jeder Geist eine Art Energie, die ihm ermöglich Prozesse in Gang zu setzen, mit denen er seinen Körper steuert. Kann ein Geist aber noch mehr von dieser Energie, diesem Äther, erzeugen, sollte er doch in der Lage sein, Prozesse außerhalb der Körpers zu bewirken. Zum Beispiel so etwas wie Zauber. Das würde jedenfalls erklären, warum es Menschen gibt, die Zauber wirken können und welche, die es nicht können."
"Leute!" Sirena hatte sich zu Amelie gebeugt und eine Hand auf ihre Schulter gelegt.
Vis war aber so in seine Erläuterungen vertieft, dass er sie gar nicht bemerkte: "Wenn also, ein Geist mehr als genug geisteigenen Äther hat, und wir gehen davon aus, dass das bei unserer Patientin hier der Fall ist, sollte er doch auch in der Lage sein, einen etwas schwierigeren Körper zu steuern, oder?"
"LEUTE!!!" Sirena schrie nun fast. Alle wandten sich zur ihr um. "Sie atmet nicht mehr!"
Der Medicus sackte zusammen und der Rest scharrte sich um Amelie und Sirena.
"Das ist jetzt natürlich Scheise." Merkte Kell an.
"Ja, ganz schöne Scheise." Echote Krum.
"Nur, weil Vis sein Maul nie halten kann!"
Kommentierte Adelis.
"Was kann ich denn dafür?"
Beschwerte sich Vis.
"Jetzt seit endlich still!"
In Sirena kochte Wut und ihr ganzer Körper schien zu beben. Sie hatte Tränen in den Augen und wollte nur noch schreien. Sollte es das gewesen sein? Waren sie alle zu mehr nicht fähig? Da musste doch noch irgendetwas kommen! Irgendetwas! 
Sie spreizte die Finger. Energie rann durch ihre Arme und wurde zu Zauberei, die in ihren Handflächen knisterte und ein mattes Schimmern in die Nacht warf. "Wenn keiner von euch, in der Lage ist, etwas zu tun..." Sie hoffte, das ihre Stimme in den Ohren der anderen nicht so zitterte wie in ihren eigenen. "...dann mach ich es allein!" Sie ließ ihre Handflächen auf den Oberkörper des Mädchen rasen, als wolle sie ihr das Leben mit roher Gewalt wieder in den Körper prügeln. Es enstand ein Geräusch, dass irgendwo zwischen einem Knall und einem Pfeifen lag und in der darauffolgenden Stille konnte Adelis ihn auf einmal wieder wahrnehmen, den leichten Atem.
"Jetzt macht schon!" Sirena konnte spüren, wie ihre Energie in den andern Körper floss. Es zerfraß sie förmlich von innen.
Adelis nickte, dann kniete er sich nieder und griff in das Luftband. Seine Krallen umschlossen einen Strang aus Wind und langsam zog er diesen wie einen Faden nach unten. Eine Windnaht war nicht einfach, aber um etwas zu verbinden war sie einfach perfekt. Den ersten Punkt setzte an der Halsschlagader des echten Körpers. Die Metallkralle stach ein winziges Loch und der Windfaden sog das Blut heraus. Den zweiten Punkt setzte er an der Stelle, wo er die Halsschlagader der Glaspuppe vermutet hätte. Der Faden trug das Blut als feinen Regen auf das Glas. Auf diese Weise arbeitete Adelis sich nach unten vor und vernähte das Amelie fein säuberlich mit der Puppe. Währenddessen begann Vis pulverförmigen Eisenrost mir einem anderen zermalenen Metall in einem kleinen Tonbehälter vermischen. Dann holte er ein Stückt Zundschnur hervor, drückte ein Ende in das Gemisch und entzündete das andere mit Reubins Feuerzeug. Das Gemisch verwandelte sich augenblicklich in rotgelb glühendes, flüssiges Metall.
Adelis nickte zu Kell. Okay, dachte der. Jetzt gehts los. Er war Experte für materielle Austauschszauber und das war ja im Grund nichts anderes. Nur in hart. In sehr hart! Er benutzte die Elfenbeinarme von seinem Vater.
Eine legte er auf die Stirn des Mädchens, die andere auf die Stirn der Puppe. Wenn alles klappte, sollte der Geist des Mädchens über die Windnaht zu dem neuen Körper finden, dann könnte er seinen Zauber wirken und den zerstörten Körper gegen den gläsernen eintauschen. Was dann passierte wusste er nicht im Geringsten. Er schloss die Augen und begann. Unglaublich viel Energie verließ ihn in unglaublich kurzer Zeit, aber noch konnte er weiter machen.
"Los! Krum!" Keuchte er. Wenn er schon am Ende war, wie gang es denn erst Sirena?
Krum nickte, packte dann beide Körper an den Schultern und lies sie in einandersausen. Als sie sich berührten blitzte es auf. Krum drückte fester zu, aber die Körper schienen sich voneinander ab zu stoßen. Er kurbelte seinen Zauber hoch und die Muskeln in seinen Armen spannten sich wie Bogensehnen. Dann, unglaublich langsam, begannen die Körper zu verschmelzen. An den Stellen leuchte es. Das Licht wurde immer heller und dann gab es eine Explosion. Vis ging in Deckung, Kell und Krum wurden von den Füßen gehoben, Herud machte einen Satz nach vorne und riss mit unglaublicher Geschwindigkeit Sirena und Herane aus dem Explosionsradius.
Als der Rauch sich gelichtet hatte, war Amelies Körper verschwunden und nur noch die Glaspuppe lag da.
"Ha...hat es funktioniert?" Stammelte der Medicus.
"Mal sehen...." Vis beförderte eine kleine Zange aus seiner Tasche und griff damit den noch glühnden Klumpen Metall.
"Was hast du vor?" Fragte Herane.
"Ganz einfach. Wenn der Geist im diesem Körper ist, dann sollte er doch Empfindungen für diesen Körper haben. Schmerz ist die stärkste Empfindung und immerhin müssen wir jemand wecken, der grad noch Koma lag!" Mit diesen Worten presste Vis das glühende Metall der Puppe direkt unters Kinn. Erst geschah gar nichts. Dann zuckte die Puppe, schlug die Lieder auf und öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. Vis warf die Zange weg. Die Puppe zuckte, als würde sie hektisch atmen und klappt den Mund mehrfach auf und zu.
"Meine Damen und Hääähhrren, sie wurden die Zeugen des ersten Geistübertragungszauber!"
Raunte Schäfler, die Augen vor Erstaunen weit aufgerissen.

Nach dem GanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt