Der Zug danach

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Es war Adelis, der Sirena im Wald aufgabelte. Er hatte sich entschieden nach ihr zu suchen, damit die anderen vorgehen konnten.
Nun hatten es die beiden bemannt eilig. Sirena blieb nicht mal die Zeit, ihre sonderbare Begegnung anzusprechen. Sie japste nach Luft, während sie hinter ihrem Freund her rannte.
Dem schien weder die Geschwindigkeit noch die frühherbstliche Hitze etwas auszumachen.
Als sie schließlich ankamen fiel Sirena auf die Knie und hechelte ein paar Minuten, bevor sie dazu kam, sich die Gegend genauer anzuschauen.
Mitten im Wald war hier eine Art künstliche Lichtung geschaffen worden, auf der man eine Plattform aus gewaltigen Sandsteinblöcken gebaut hatte. Das Mädchen kam wieder auf die Beine und drehte dich einmal im Kreis.

Krum, Kell und Vis standen am Rand der Plattform, Adelis gesellte sich gerade zu ihnen.
Abgesehen davon waren da noch fünf weitere Personen: zwei Männer standen beieinander und unterhielten sich lachend.
Einer trug einen weiten braunen Umhang und einen Turban, der andere eine enge Ledermontur.
Ebenfalls am Rand der Ebene, aber ein Stück weit entfernt von der Schmiedebesatzung stand eine junge Frau in einem leichten Kleid aus einem feinen, schwarzen Stoff.
Sirena schätzte sie auf knappe Zwanzig, also etwa so alt wie Vis, jedenfalls ein oder zwei Jahre älter als Kell oder Krum und somit auch älter als Adelis.
Sie hatte den Kopf leicht nach oben gewand, als würde sie zum Horizont sehen. Allerdings hätte sie auch sonstwo hingucken können, denn sie trug einen Sommerhut auch schwarzem Samt und einen schwarzen Schleier vor dem Gesicht, der ihre Blickrichtung versteckte. Alles, was man von ihrem Gesicht sehen konnte war schwarzes Haar, war ihr bis zu den zierlichen Hüften reichte und mit einem langen Band zu einen engen Zopf gebunden war.
Selbst ihre Hände und Arme waren mit gebundenen Handschuhen bedeckt, die bis unter ihre Ärmel reichten und aus dem selben schwarzen Stoff gemacht waren.
Ihre Füße und Schienbeine, die nicht mehr vom Kleid bedeckt waren, waren seltsamerweise nackt und gaben einen Einblick auf weiße, makellose Haut.
Abseits der Plattform waren noch zwei Leute.
Sirena reckte den Hals. Als sie erkannte, wer es war, grinste sie breit und lief zu ihnen.
Herane saß im Schneidersitz an die Beine ihres Bruders gelehnt.
Dieses Mal trug sie ihre Haare offen und ihr Säbel lag samt Scheide auf ihren Oberschenkeln.
Sie hatte sich schlafend gestellt und öffnete ein Auge, als sie Sirenas Schritte hörte.
Herud war überragend wie immer, obwohl er nicht mehr Oberkörperfrei war, sondern eine Lederweste trug.
Über seiner Schulter lag ein gewaltiger Stab, wohlmöglich hatte er Mal als Achse einer Kutsche gedient, auf dessen beiden Seiten, je ein Harken saß, an dem ein Eimer hing, aus denen es seltsam roch.
"Hallo! Was macht ihr denn hier?"
Fragte Sirena, gewohnt heiter.

"Das haben wir schon deinen Freunden erzählt: Schäfler hat uns gesagt, wir sollen hierher kommen. Von euch hat er nichts erzählt..."
Gab Herane gespielt gelangweilt zurück.

"Ach, hat er euch gesagt warum?"
Sirena hatte die ungeheuer nervige Fähigkeit, jegliche Form von Genervtheit auszublenden.

"Nein, darüber hat der Schafskopf natürlich kein Mäh zu hören gegeben."

Das war irgendwie seltsam. Warum wollte ein fahrender Händler so viele Zauberer zum Nordreich lotsen?
Sirena verließ die beiden und stellte sich neben Adelis. Erst jetzt viel ihr auf, dass an der Seite der Plattform keine Bäume standen.
Vielmehr bildete der Wald hier eine Schlucht.
Adelis neben ihr begutachtete den Boden der Waldschlucht. In der Mitte der flachen Senkung war Schotter in einer Bahn aufgeschüttet. Darüber verlief eine Reiche parallel angeordneter, fester Holzbohlen, die überraschend wenig verwittert waren und darüber...
Adelis war sich nicht sicher, was genau da verlief. Auf den ersten Blick sah es nur wie zwei Parallelen aus Metall aus.
Er folgte den langen, rostbraunes Streben mit den Augen, aber anscheinend waren sie auf jeder Seite länger länger als bis zum Horizont. Vis, der sich mit diesem Zug-gedönse auskannte hatte sie "Schienen" genannt, wie die Teile, die man in den Verband stecke, wenn man sich was gebrochen hatte.
Aber was diese Teile sein sollten...
Keine Ahnung.
Wer hatte sich denn bitte so viel Mühe gemacht, um Metallschienen, mit denen man einen Berg hätte verarzten können, mitten im Wald über den Boden zu verlegen?!
Sirena stieß ihn an und riss ihn aus seinen Gedanken.
Er sah zu ihr und bemerkte, das sie ganz hibbelig war.
Sie deutete, bedacht, dass nur er es bemerkte, mit dem Kinn auf Vis.
Adelis sah unauffällig hinüber.
Vis sah zum dem in dunkel gekleideten Mädchen, das immernoch durch ihren Schleier zum Zimmer zu schauen schien.
Dabei war er offensichtlich noch bedachter als Adelis, was die Unauffälligkeit anging.
Mit dem Auge, das vom Epimokel verdeckt war wanderte er langsam von den nackten Füßen hinauf zu den Knien, wo das Kleid anfing, und wieder zurück.
Dabei hätte sein, sonst so ernster Blick, etwas verzaubertes angenommen.
Adelis müsste breit grinsen, als er bemerkte, worauf Sirena hinaus wollte.
Er überlegte kurz, dann tat er so als müsse er einen Nieser zurückhalten und ein Taschentuch suchen.
In Wahrheit tasten seine Hände allerdings nach den Windströmungen um ihn.
Als er eine gefunden hätte, packte er sich, und riss die Hände bei einem herzhaft gespielten Nieser vor Gesicht.
Ein Windstoss peitschte auf.
Das schwarze Kleid der Dame wurde für einen winzigen Moment nach oben geweht und riss sie aus ihrer Starre.
Vis drehte drehte  seinen Kopf so schnell, das sich das Epimokel fast löste und starrte ins Leere.
Sein Gesicht war so rot, dass er aussah, als würde er ersticken.
Adelis biss sich die Unterlippe blutig, um nicht laut los zulachen.
Zumindest, bis Sirena ihm mit aller Kraft den Ellenbogen in den Bauch rammte und er sich krümmte.
Kell und Krum drehten sich erstaunt um.

"Er hat sich verschluckt!" Log Sirena.
Vis versuchte sich wieder zu fangen, und Tat, als müsse er sein Epimokel putzen.
Die beiden Handwerker sahen sich kurz an und drehten sich mit dem gemeinsam gebrummten Wort: "Kleinkinder..."
wieder zu den Schienen.

So verging die Zeit, ohne das etwas passierte. Jedenfalls nichts wichtiges.
Irgendwann aber holte Vis seine Uhr hervor und studierte kurz ihre kupfernen Zeiger. Darauf hin wandte er sich zu den Metallstreifen und suchte ihren Horizont auf beiden Seiten ab. Mehrmals kehrte sein Blick zur Uhr und zurück zu der Ferne und dann begann er zu Lächeln.
"Es geht los, Leute. Da kommt der Zug!"
Krum schäute auf, Kell tat es ihm gleich, Sirena trat zu Vis und Adelis schulterte ihr Gepäck.
Der Wald lag ruhig und friedlich da und auch die Schneise, durch die die Schienen verliefen wies nichts Besonderes auf. Krum dachte scharf nach: Vis meinte, der Zug wäre wie ein Wagen. Woran hatte er hier etwas wie ein Wagen erkannt.
Als er selbst die Veränderungen wahrnahm, blieb ihm der Atem weg.
Niemals hätte er das mit einem Wagen verglichen. Es war eher wie ein Gewitter!
Es fing mit ein paar dunklen Wolken am Himmel an, die schnell über die
Schienen hinweg waberten.
Dann hörte man ein Grollen. Nicht wie ein Donnern, nein, es kam nicht aus dem Himmel.
Es kam über den Boden! Und es kam auf sie zu!
Erst war es nur ein dröhnender Lärm, doch je näher es kam, des so deutlicher konnte Krum hören, dass es aus einer Reihe von rauschenden Pfeiftönen bestand, die sich unglaublich schnell und gleichsam wiederholten.
Unter den Schwarzen Wolken blitze etwas auf, wurde zunehmend größer.
Vis hätte sich am Liebsten die Ohren zugehalten und sich auf den Boden gekauert, als das Grollen urplötzlich von einen noch viel läuterem Schrillen übertönt wurde.
Die Wolken verdunkelten nun allmählich die Schneise. Krum wurde bewusst, dass es in Wahrheit keine Wolken waren sondern Qualm, unsagbar viel Qalm, mehr als die ganze die ganze Schmiede, mit ihren unsagbar vielen Brennöfen ausatmete.
Der stieg über die Baumwipfel, sammelte sich zu gigantischen apokalyptischen Konstrukten und schien an seinen dichtesten Punkt zu einer nach unten gerichteten Säule zu manifestieren. Da wo die Säule ihren Boden fand, wehte etwas über die Schienen.
Krum konnte ein paar Details ausmachen: Metall, Räder, ein Schornstein, für mehr bewegte es sich zu schnell. Es war, als hätte der Wind eine Faust aus Eisen.
Und donnerte Eine Lawine aus Metall in den Bahnhof und blieben kreischend stehen.
Krum suchte nach Worten. DAS war kein Wagen! Das war eine Naturgewalt auf Rädern!

Vis stieß ihn in die Seite. "Beeindruckend, was?"

Ja, beeindruckend war es auf alle Fälle. Jetzt da es stand konnte man uch tatsächlich ein paar Ähnlichkeiten mit einem Wagen erkennen. Oder besser gesagt mit sehr vielen Wagen.
Und jeder von ihnen hatte die Flächen eines kleinen Hauses. Der Wagen ganz vorne erinnerte etwas an ein Bild von einem Nashorn, das Krum mal in einen Buch gesehen hatte.
Nur hatte er viele Räder, statt Beine, einen Schornstein statt einem Horn und Metall statt allem anderen.
Da musste dieser mysteriöse Adlige drin sein, von dem Vis gesprochen hatte, auch wenn Krum weder Fenster, noch eine andere Möglichkeit sah, hinein zukommen oder hinaus zu sehen.
Dahinter befanden sich zwei Wagen, die genau so gepanzert waren. Wie Metallummantelte kleine Häuser auf Rädern.
Dahinter waren fünf Wagen, die aus Holz waren und ebenfalls aussahen wie kleine Häuser und darauf folgte eine Reihe von Wagen, die entweder aussahen wie fahrende Floße oder wie hausgroße Kisten auf Rädern. Sie waren unregelmäßig aufgereiht und mit kräftigen Haken jeweils mit dem Vorder- und dem Hinterwagen verbunden, was das ganze Konstrukt wie aufgefädelt aussehen ließ.
Alle Leute auf der Plattform sammelten sich am Rand, einschließlich Herane und Herud, aber niemand machte Anstalten, den Zug zu betreten.
Vis erklärte auf Sirenas fragenden Blick:
"Wir müssen warten, bis sie uns reinlassen!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 23, 2016 ⏰

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