Die Nachricht danach

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Vis war wie immer der Letzte der aufwachte. Nach dem sie erst am frühen Abend zurück zur Schmiede fanden, hatten sie sich alle sofort schlafen gelegt, was Vis jetzt sehr dumm vorkam. Immerhin war tags zuvor ein Hochalb bei ihnen eigebrochen. Er rieb sich die Augen und stolperte in den Haubtraum. Es musste noch vor Sonnenaufgang, dennoch waren alle anderen schon dort versammelt.
"Huch? Alle hier? Und keiner arbeitet?" Brachte er zwischen Gähnern heraus und machte sich endlich daran, die Schäden an seinem Epimokel zu reparieren.
"Wir beraten!" Antwortete Sirena.
"Was gibt es denn zu beraten? Was wir zu tun haben steht doch fest! Wir müssen noch die gefällte Eiche verwerten!"
"Genau das ist es ja. Die ist weg!"
"Wie weg?"
"Adelis war schon da! Aber der blöde Baum nicht!"
"Adelis war da? Gestern Nacht noch?"
"Nein, Gestern Mittag, aber Schlafmütze hast den ganzen Tag verpennt!"
"Achso."

Er schob noch mit halb geschlossenen Augen die letzte Linse in das Gerät und schnallte es sich wieder um. Sirena durchbohrte ihn mit Blicken.
"Also?"
"Also was?
"Was glaubst du wohl was passiert ist?"
Vis gähnte wieder.
"Wahrscheinlich hat Adelis sich verlaufen oder so..."
"Hab ich nicht!" Adelis würdigte ihn keines Blickes.
"Ich war da! Und die Eiche in gewisser Weise auch."
"Was meinst du denn damit?"
Statt einer Antwort nahm Adelis ein zusammengefaltes Stück Papier von seinem Schoß und gab es Vis. Dieser entfaltete es vorsichtig und erstarrte. Mit einem Schlag war er hell wach.
Eingewickelt in dem Papier war nichts als ein kleiner Haufen Asche.
Er stammelte: "Gab es einen Waldbrand? Bitte sag es gab einen Waldbrand!"
"Okay, es gab einen Waldbrand!" Sagte Sirena und lächelte mit zusammengekniffenen Augen.
Vis ignorierte sie und starrte weiter Adelis an. Das war nicht gut! Das konnte nicht gut sein!
"Nur, wenn der Waldbrand uns unbedingt etwas sagen wollte."
Antwortete schließlich Kell und wischte die Asche vom Papier. Darunter stand eine kleine Notiz: Nordreich! Wir sehen uns!
"Das stand mit der Asche auf den Boden geschrieben." Berichtete Adelis.
"Reuben..."
Krum zischte den Namen, als wäre er die Bezeichnung einer Darmkrankheit.
"Was meinst du, was er damit meint?"
"Was wer damit meint?"
Sie drehten die Köpfe in Richtung der Stimme und Schäfler stapfte in den Flur der Schmiede.
Begleitet von einem geduckten Probnack und den Geruch von zu lange getragener Schafswolle.
"Oh, hallo ihr beiden! Wie habt ihr uns gefunden?" Grüßte Sirena.
"Die Dörfler haben uns gesagt
wo ihr...wohnt oder wie man das hier auch nennt."
"Was wollt ihr?" Wurde Krum etwas direkter.
Schäfler spazierte an ihm vorbei zu der gewaltigen Werkbank, auf der die, inzwischen reparierte, Axt von Krum eingespannt war.
"Gar nicht so dumm. Du hast eine lange Metallhülse an den Kopf geschmiedet, richtig? Wenn der Holzstiel bricht, kannst du einfach einen neuen nachschieben. Aber wie willst du den Stiel befestigen?"
Krum trat neben ihn.
"Mit einer Spange, die zuschnappt, wenn der Stiel sie eindrückt."
Schäfler zog die Augenbrauen hoch, wodurch sie nahtlos mit seinen Haare verschmolzen.
"Das ist Schlau! So kannst den Holzstab, leicht ziehbar über den Rücken tragen und den Kopf am Gürtel, wo das Gewicht nicht aufträgt!"
Krum nickte übertrieben.
"Genau! Das war genau mein Plan!"
Sirena schmunzelte über die Lüge und er warf ihr ein Blick zu, in dem genug Wut steckte um ein Rudel bemannter Wildschweine zu verjagen.
"Ich habe eine Frage gestellt." Sagte Schäfler und drehte sich wieder zur Menge.
"Wie bitte?" Fragte Kell.
"Was meint wer womit?" Widerholte der Händler.
Adelis gab ihm den Zettel. "Das ist von einem mächtigen Albenbotschafter."
Schäfler las, dann herrschte kurz Schweigen.
"Sehr wahrscheinlich will er, dass ihr nach Nordreich geht. Worauf wartet ihr denn noch?"
"Machst du Witze?" Fragte Vis.
"Wie wissen nicht, wieso er das will und selbst wenn, wieso sollten wir es dann für ihn tun? Oder wie?"
"Kann ich beantworten: Ihr müsst dahin! Egal, was er will, es ist wichtig! Und wenn er euch bemannen will, hätte er das doch auch hier machen können." Schäfler drehte sich zu Probnack, der bisher nur dagestanden hatte.
"Gehst du bitte zum Wagen und holst die Kiste unter dem Kutschbock? Und bringst du die Kleine gleich mit?"
Der Troll nickte und stapfte hinaus.
Ein Paar Augenblicke verstrichen, dann kam er wieder hereingetrotted. In einer Hand hielt der eine kleine Kiste aus Ebenholz und auf einer seiner Schultern saß Amelie. Sie war komplett in Schafswolle gekleidet, trug sogar eine gestrickte Mütze.
"Amelie!" Sirena sprang auf.
"Du glaubst gar nicht wie froh ich bin dich zu sehen! Geht's dir gut?"
Amelie kletterte betont vorsichtig von dem Rücken des Trolls. Selbst durch die dicken, gefütterten Stiefel hörte man das leise Klingen der Glasgelenke, als sie auftrat.
"D-danke. Es geht mir gut. Schäfler und Probnack sind vorsichtig mit mir. Ich kann schon wieder gehen."
Sie sah Sirena mit glänzenden Augen an.*
"W-wir wurden noch nicht richtig vorgestellt, ich..."
Sirena fiel ihr ins Wort.
"Du bist Amelie, ich weiß und ich bin Sirena!"
Sie schüttelte dem Glasmädchen die behandschuhte Hand. Als Amelie sie anlächelte fiel der Zauberin eine Veränderung an ihr auf. Aus der Frisur, die vorher nur ein kunstvolles, aber steifes Glaskonstrukt war hatten sich einige Streifen gelöst, und hingen nun, wie echte Strenen, aus der Mütze.
"Das ist rührend, aber wie haben etwas zu bereden!" Ergriff Krum das Wort: "Warum, zur Henne, willst du, dass wir ins Nordreich gehen? Und selbst wenn wir einverstanden wären, wie sollten wir überhaupt dahin kommen?!"

Schäfler grinste, was Kell unwillkürlich an Hammelfleisch denken lies. "Ich möchte, dass ihr jemanden findet und ihm etwas gibt. Und ich weiß gäääänau, wie ihr hinkommt!"


*Nebenbei ist es denkbar schwierig, nicht mit glänzenden Augen zu gucken, wenn eben jene komplett aus Glas bestehen.

Nach dem GanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt