Ich hatte es mittlerweile aufgegeben ständig gegen die Tür zu stürmen. Meine Schulter war schon taub und morgen würde sie grün und blau sein. So lief ich nun im Zimmer auf und ab. In meinem Kopf wirbelten abertausende Bilder herum, wie ich Ray umbrachte oder zumindest versuchte es zu tun. Die Tür wurde aufgemacht. Fauchend sprang ich einige Meter zurück. Graydon stand in der Tür. Er blickte mich von oben bis unten mürrisch an. Schließlich sagte er:
„Mitkommen!"
Ein ziemlich harscher Befehl. Ich stolzierte mit erhobenem Haupt an ihm vorbei. Als ich ein paar Zentimeter vor ihm war und den Gang entlang guckte, um Ausschau nach einem Fluchtweg zu halten, packte er mich grob am Arm. Er zog mich in die Richtung, in der auch Rays Büro lag. Sobald ich merkte, wo genau er mit mir hin wollte begann ich mich zu wehren. Es berührte ihn kein bisschen, dass ich mich sträubte. Jetzt wusste ich, warum Relyn ihm immer so abweisend gegenüberstand.
An der Tür des Büros angekommen, klopfte er erst einmal formell an diese. Als daraufhin ein Brummen ertönte, machte er die Tür auf. Ray stand mit dem Rücken zur Tür dar.
„Ich habe Sasha hergebracht, Mylord. Versuche sie aber bitte nicht umzubringen."
Ich musste innerlich auflachen. Als ob er jemals einer Frau etwas zuleide tun würde.
Graydon ging und ließ mich allein mit einem miesgelaunten Drachen, welcher anscheinend nur brummen konnte.
Also ergriff ich als erstes das Wort:
„Warum hast du mich herbringen lassen, Ray?"
Ray schaute aus dem Fenster. Er wollte Sasha nicht früher als unbedingt nötig in die Augen gucken.
Seit drei Tagen fragte er sich nun schon, wie jemand ihn nur so sehr hassen konnte, so wie Sasha es tat. Erst hatte sie ihn bestohlen. Dafür hatte er ihr nicht den Kopf abgerissen und das allein war schon bewundernswert. Danach fand sie es auch noch irgendwie toll ihn zu beschimpfen, sich aufzuführen, als ob er ihr etwas angetan hätte. Aber die Krönung des ganzen Spektakels war ja immer noch, dass sie versucht hatte zu fliehen und Anur überzeugt hatte ihr zu helfen. Er hatte allmählich das Maß gestrichen voll von dieser Person.
„Warum ich dich habe herbringen lassen?! Fragst du das allen Ernstes noch? Du hast mich hintergangen; für deine kleinen Spielchen benutzt hast du mich!", brüllte er sie an.
Augenblicklich musste er sich in seiner Wut doch umdrehen. Dort stand sie nun vor seinem Schreibtisch. Sie ließ die Schultern nach vorn hängen, den Kopf gesenkt, die Hände vor ihren Brüsten verschränkt.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, eine Frau von deinem Volk zu sein, geschweige denn, dass ich hier bleibe, um eine deiner weiteren Bettgeschichten zu werden. Oh, jetzt guck' nicht so, als ob du davon nichts wüsstest, Raymond McCorfort. Ich bin mir sicher, deine Gefährtin dreht sich im Grab herum, während ihre Seele in der Unterwelt in tausende Einzelteile zerbr..."
Ray ging Sasha an die Gurgel. Sie sah in seine Augen. Ihre Augen waren dabei leer, vollkommen ausdruckslos. Nach wenigen Augenblicken wurde Rays Verstand wieder klar. Er zog eine Augenbraue nach unten und die andere gleichzeitig nach oben. Dann erst ließ er sie los. Sasha hatte Würgemale an ihrem Hals, doch das schien sie nicht zu kümmern. Ray drehte ihr den Rücken zu.
„Tut mir leid.", sagte er mit rauer Stimme. Sasha zog die Augenbrauen zusammen.
„Hmm, warum glaube ich dir das nur nicht?", erwiderte sie daraufhin mit spöttischem Unterton.
Ray stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ es auf die nächste Eskalation ankommen, indem er zurückfragte:
„Ja, warum nur nicht?"
Sie wurde rot im Gesicht.
„Erstens, schaust du mich überhaupt nicht an...", schrie sie, „und Zweitens, hättest du es nicht gemacht, wenn du es nicht gewollt hättest. Ich frage mich, warum du der Normannenhexe nicht ins Gesicht gesprungen bist, während sie meinte, du sollst jemanden heiraten, der nicht deine Gefährtin ist?"
Jetzt zeigte ihr Ray wieder sein Gesicht.
„Woher weißt du das? Hast du etwa den Tag an der Tür gelauscht?", fragte er ungläubig.
„Ja, denn ich wollte dir eigentlich etwas Wichtiges mitteilen."
Ray schritt im Zimmer auf und ab. Letztendlich setzte er sich auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch.
„Deine Strafe wir wie folgt lauten: Du wirst für den Verlobungsball als Dienstmädchen eingeteilt. Solltest du dich gut benehmen, entscheide ich, ob du noch länger hierbleiben musst oder nicht. Du kannst wieder zurück auf dein Zimmer. Graydon bringt dich hin."
Sasha stand verdutzt und zutiefst verletzt da.
„Du willst gar nicht wissen, was ich dir zu sagen hatte", stellte sie mit gebrochener Stimme fest.
Er richtete seinen Blick auf ihr Gesicht. Sie weinte diese roten Tränen. Er fragte sich, was genau mit ihr nicht stimmte, doch bevor er sie fragen konnte, rauschte sie zur Tür. An dieser blieb sie stehen.
„Meine Königin wird mich holen kommen, ehe du eine Entscheidung über mich fällen kannst."
Damit riss sie Tür auf und schlug sie danach hinter sich zu.
Warum empfand er so tiefgehende Gefühle für sie? Von der einen zur anderen Sekunde brachte sie seine Gefühlswelt vollkommen durcheinander. Jetzt saß er allein und grübelte darüber nach, ob er lieber doch nicht seine Schutzwände hätte hochfahren sollen und einfach hätte fragen sollen, was genau sie ihm mitteilen wollte. Doch nun war es zu spät. Für ihn, sowie für Sasha. Er drehte sich mit seinem Stuhl zum Fenster. Draußen spielten die Kinder seines Volkes. Sie hatten es definitiv einfacher als er. Ray ließ den Kopf in seine Hände sinken. Was hatte er nur angerichtet?
Ich stapfte vor Wut schnaubend neben Gray her. Er fragte glücklicher Weise nicht, was dort drinnen geschehen war. Ich kämpfte mit größter Kraft gegen meine Tränen an. Mein Herz würde nicht schon wieder aufgrund eines Drachen zerbrechen. Gray hielt mir die Tür zu meinem Zimmer auf. Ich ging hinein und bemerkte die erdrückende Leere.
„Es tut mir leid, Sasha.", sagte Graydon mit aufrichtig mitfühlender Stimme.
Ich schloss die Augen. Mein kurzes Nicken reichte ihm anscheinend und er machte die Tür zu. Erst jetzt erlaubte ich mir, mich völlig meinen Gefühlen hinzugeben. Es donnerte am Himmel. Die Elektrizität entlud sich im Zimmer. Möbel flogen in meinem goldenen Käfig umher. Ich ließ mich zu Boden gleiten. Die Musikanlage im hintersten Teil des Zimmers ging an. Broken von Bullet for my Valentine erklang. Wie passend.
Ich sang innerlich und fühlte mit Matt.
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Immortal Love - Donnervogelblitz
FantasiVor 11 Jahren war Sasha das letzte Mal auf der Erde. Vor 11 Jahren wurden sie und ihre Familie umgebracht. Nun ist sie zurückgekehrt, um sich an denen zu rächen, die sie damals verraten haben und es wagen einen neuen Krieg zu beginnen. Kann Sasha s...