Seit der merkwürdigen Erinnerung war ich ständig abgedriftet und hatte das Zeitgefühl völlig verloren. Wenn ich mal bei Sinne war, welches viel zu selten geschah, versuchte ich immer wieder meine Augen zu öffnen, aber vergeblich.
Das Einzige, was mich dazu antrieb, überhaupt wieder aufzuwachen, war dieses Rätsel.
Anscheinend war meine Mutter, die ich seit meiner Geburt kannte, auch ein Teil davon, was ich nie in Betracht gezogen hatte.
Ein normaler Mensch wäre bei dem Zusammenstoß mindestens schwerverletzt worden, aber sie hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen, während der Autofahrer mitexplodiert war.
Sie hatte sich nicht einmal von der Stelle gerührt.
Wie hatte ich diesen Tag nur so lange verdrängen können?Mittlerweile war ich schon eine ganze Zeit lang wach und versuchte mich abzulenken, damit ich nicht an meine unmenschliche Mutter dachte, weil sie der Grund war, weshalb der Monitor in den letzten Tagen immer wieder gepiept hatte.
Ich durchforstete gerade mein Gedächtnis nach einer Ablenkung, als ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde und jemand das Zimmer betrat.Neugierig lauschte ich, ob es der Arzt war, der meine Diagnose vielleicht wieder vor sich hin murmeln würde, wodurch ich über meinen Zustand erfahren würde.
Doch es war kein Angestellter aus dem Krankenhaus, welches ich an dem Duft erkannte, der in meine Nase drang.
Inzwischen hatte sich mein Gedächtnis verbessert und ich hatte mich an diesen Geruch gewöhnt, der mich erfüllte, wenn er in meiner Nähe war.Dann nahm ich ganz leicht wahr, wie er meine Hand in seine legte und sie miteinander verschränkte.
Leider spürte ich nicht die Wärme seiner Hand, da mein Körper wie betäubt, in einem Krankenbett lag. So mussten sich wahrscheinlich Körperbehinderte fühlen. Vermutlich hätte ich nicht einmal etwas gemerkt, wenn er mir brühheißen Tee über den Körper geschüttet hätte.Ich wollte gar nicht wissen, wonach ich roch oder wie fettig meine Haare aussahen.
Bestimmt hatten sich die Krankenschwestern und Ärzte sich nicht darum geschert, mich mal zu waschen."Claire", flüsterte Andrew und ich spitzte meine Ohren, um jedes einzelne Wort, dass von ihm ausging, mitzubekommen.
"Du liegst schon über zwei Monate im Koma und ich gebe es zwar nur ungern zu, aber ich vermisse dich schon." Ein leises Lachen war zu vernehmen, was mich innerlich schmunzeln ließ."Ich weiß nicht, ob du mich hörst, aber ich tu so, als wärst du wach und unterhalte mich ein bisschen mit dir. Wie du weißt, haben die Sommerferien bereits angefangen und du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich ohne dich langweile. Du gestaltest meinen Tag zweifellos aufregender."
Ich grinste innerlich vor mich hin, weil er nur Dreck laberte. Wir hatten bisher nur einen gemeinsamen Tag verbracht und einige kurze Momente.
Daraus konnte er nicht schließen, dass ich sein Leben aufregender machte."Ich möchte dir nur mitteilen, dass ich für dich da bin. Du hast immer noch jemanden, dem du wichtig bist. Du solltest nur wissen, dass es jemanden gibt, der über dich trauern wird, falls du dich anders entscheidest."
Eine kurze Pause entstand und ich dachte über seine Worte nach. Sie klangen so aufrichtig, dass ich nicht anders konnte, als ihnen Glauben zu schenken.Eine angenehme Wärme breitete sich in mir aus, weil es ein berauschendes Gefühl war, von jemandem geliebt zu werden.
Sollte ich jemals aufwachen, wäre ich nicht allein, sondern hätte jemanden an meiner Seite.
Diese Vorstellung tröstete mich und ich wollte am liebsten seine Hand drücken, damit er Bescheid wusste, dass ich seine Nachricht empfangen hatte.
Leider war ich nicht einmal im Stande, ein Lächeln hervorzubringen, weshalb ich bei dem ersten Versuch aufgab."Aber nicht nur ich wäre über deinen Verlust erschüttert, sondern auch deine ganzen Freunde und deine Familie.
Vielleicht haben sich deine Freunde nicht gemeldet, weil sie entweder keine Zeit dazu fanden oder gar nichts davon erfahren haben, dass du im Koma liegst.
Und weshalb deine Mutter nicht aufgetaucht ist, ist ein anderer Grund, dem ich nachgegangen bin."
Augenblicklich verschwand die Wärme und es breitete sich stattdessen eine frostige Kälte in mir aus, der alles in mir einzufrieren schien.
Kannte er tatsächlich die Wahrheit?
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Shooting Star - Mysterious
FantasyVor etwa einem Jahr hat die Sechzehnjährige Claire eine schmerzhafte Bekanntschaft mit den Gefühlen gemacht, die man empfindet, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat. Seitdem scheint sich alles dem Negativen zu zuwenden. Doch seit dem Zusam...