TRE

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Gabriele musste bei meinen Nonni nur kurz seinen Charme spielen lassen und ich war entlassen.

Während ich ihm durch das Treppenhaus folgte, versuchte ich herauszufinden was er genau mit „neue Freunde kennenlernen" meinte. Aber er ignorierte mich einfach oder lenkte geschickt ab.

„Wo soll ich denn meine neuen Freunde denn treffen? «, fragte ich zum gefühlten 20sten-mal. „Lass dich doch überraschen", sagte er leichthin. „Ich möchte mich aber nicht in einem Stripclub wiederfinden! Oder in einer Opiumhöhle! Oder...", meckerte ich weiter. Er lachte bloss. „Wie kann man nur so wehleidig sein?" „Ich hasse Überraschungen!", patzte ich zurück. „Dir wird es gefallen. Du wirst schon sehen." „Woher willst du denn sicher sein, dass es mir gefallen wird? Du kennst mich doch gar nicht!" „Das gefällt jedem Mädchen», sagte er im Brustton der Überzeugung. „Ich bin aber nicht wie jedes Mädchen!", begehrte ich auf. Wieder lachte er nur. Langsam aber sicher ging er mir damit gehörig auf die Eierstöcke! Fiel ihm nichts Besseres ein als zu lachen? Wie wär's mit intelligent auf meine Fragen zu antworten?

Mittlerweile liefen wir in den dunklen Parkplätzen unter der Wohnung meiner Grosstante. „Leider habe ich nur einen Helm", meinte er bedauernd und reichte mir seinen Motorradhelm, den er irgendwoher gezaubert hatte. Ok was soll's, er denkt ja sowieso, dass ich die reinste Spassbremse war. „Wofür der Helm? Ist es gefährlich was wir jetzt machen?" „Natürlich nicht! Ich will einfach nur verantwortungsbewusst rüberkommen." „Aha na klar. Und du selbst hast keinen an?" „Wie schon gesagt, ich habe nur einen."

Gabriele fischte einen Bund Schlüssel aus seiner Hose und lief zu einem schwarzroten Motocross-Bike. Mein Mund klappte auf und ich bewunderte das heisse Gerät. „Ist das deine?", fragte ich erstaunt. Sichtlich stolz auf sein Baby nickte er. „Und mit dem fahren wir zu meinen neuen Freunden? «, fragte ich weiter. Sein fettes Grinsen war Antwort genug.

Ich war noch nie auf so einem Ding gefahren, aber ich verspürte grosse Lust es auszuprobieren. Entschlossen stülpte ich mir den Helm über und schaute Gabriele erwartungsvoll an. „Worauf wartest du? «, fragte ich ihn aufgeregt. „Genau auf das», erwiderte er grinsend (mal ehrlich was nahm er und woher bekam ich das auch?) und schwang sich auf die Maschine. Er umfasste die Lenker und sah abwartend zu mir. Ich hüpfte etwas zu überschwänglich auf den Bock, sodass wir fast umkippten. Doch nur fast. Ich zog den Riemen des Helms nochmals an und klammerte mich an Gabriele. Er liess das Bike aufdröhnen und setzte es langsam in Bewegung. Ziemlich vorsichtig verliess er das Wohngebiet. Sobald wir draussen waren, mitten im Gewirr der Innenstadt, gab er Gas.

Geschickt manövrierte er uns durch die Autos und Gassen bis wir auf einer Landstrasse waren, wieder raus aus der Stadt in Richtung Strand, ich roch es. (Meine Augen waren zu sehr mit meinen Haaren beschäftigt.) Dort legte er nochmals zu.

Der Motor röhrte laut auf und mein Haar peitschte um meine blossen Arme. Der Zug erhöhte sich und ich klammerte mich noch fester an Gabriele. Die salzige, warme Luft hüllte uns ein und ich atmete tief ein. Wie befreiend sich das anfühlte! Obwohl die Luft schwer und feucht war, erfrischte sie mich nach der vollen, stickigen Wohnung mit alten Leuten.

Die Landschaft flitze an mir vorbei doch irgendwann schaltete er den Motor aus und ich löste meine Hände von ihm. Wir befanden uns irgendwo am Strand, vielleicht der von Trapani, doch in dieser Dunkelheit konnte ich nur Schemen erkennen.

Seinen Helm gab ich ihm zurück und streckte meine steifen Glieder. „Sie sollten das Feuer schon angezündet haben", meinte er und kletterte über die Steinbank, die sich anscheinend wie eine kleine Mauer vor dem ganzen Strand zog. „Warum ein Feuer?", fragte ich ihn misstrauisch. „Weil es sonst ja zu dunkel ist." „Ist das denn erlaubt?" „Keine Ahnung und wenn schon. Das macht hier jeder." Ich sah mich um und entdeckte tatsächlich überall kleine Feuerchen um die ein paar Gestalten sassen. Ob es nur Jugendliche waren oder auch Obdachlose, konnte ich nicht recht sagen. „Ich glaube, ich sehe sie. Da vorne", vermutete er und zeigte auf ein Feuer knapp 100 Meter vor uns. „Na das hoffen wir doch", murmelte ich und folgte ihm über dem Strand.

Ein Sommer in der HeimatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt