VENTIDUE (x)

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Er liess mich sprachlos zurück. Mein Herz hatte bereits entschieden!? Mein Herz konnte mich mal! Entschlossen wollte ich ihn folgen als gegenüber ein Licht in der geschlossenen Bar gegenüber sah. Hinter dem Gebäude sah ich ein bekanntes Cabrio hervorlugen. War das seine Verabredung? Schon so lange? Aber lange sollte das ja eigentlich nicht mehr gehen. Eng an Gabrièle gekrallt nach Hause zufahren hatte ich keine Lust. Ich schnappte mir in der Garderobe meine Jacke und entschwand der Wohnung. Zögerlich lief ich auf das Lokal zu. Sollte ich einfach durch die Vordertür? Oder durch den hinteren Eingang? Vielleicht waren sie ja bewaffnet und dachten ich sei ein Einbrecher! Tausende Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Ich kehrte sie mir geistig aus dem Kopf und betrat selbstbewusst das Lokal. Glücklicherweise war die Türe offen. Im vorderen Teil waren die Lichter aus und aus der Küche drang Licht und Geräusche in den Raum. Die Trattoria war niedlich mit gemütlichen Stühlen und vielen eingerahmten Bildern an der orange-getünchte Wand. Ich lief auf das Licht zu und straffte schon mal die Schultern. „Riccardo?" Ich öffnete die angelehnte Tür vollständig. Ein gestresster Typ im weissen Hemd stand Riccardo und zwei bulligen Typen gegenüber. Anscheinend war er der Ladenbesitzer. „Viola! Was tust du hier?", fragte er überrumpelt. „Guten Abend die Herren. Nun ich war in der Nähe", erwiderte ich und lächelte gewinnend in die Runde. Die Gorillas zeigten sich unbeeindruckt und der Besitzer schien noch nervöser zu werden. „Und unterhaltet ihr euch gut?", flötete ich und stand immer noch bei der Tür. „Was suchst du hier?", fragte Riccardo scharf. „Die Party gegenüber. Ich hab euch gesehen und dort war es schrecklich lahm. Du hättest mich gleich mitnehmen können anstatt mich dort abzuladen", log ich und klimperte mit den Wimpern. „Wer ist sie?", ging der Gastronom dazwischen und wischte sich die schweissnasse Stirn ab. Riccardo zögerte einen Moment. „Meine Verlobte", antwortete er entschlossen, mein Herz tat unmerklich einen Sprung. „Worüber unterhaltet ihr euch denn?", erkundigte ich mich unschuldig. „Geht es um das Schutzgeld? Den pizzu?" Der Besitzer erbleichte. Ich trat auf ihn zu und die Augen von allen anderen wurden grösser. Es war so falsch, aber es gefiel mir irgendwie ihn einzuschüchtern und die anderen zu überraschen. „Wissen Sie, ohne unseren Schutz sind sie Einbrüchen schutzlos ausgeliefert. Ebenso sind sie durch unsere Hilfe, unsere Anwesenheit, vor Randalierern, die ihr niedliches Lokal zerstören würden beschützt", erläuterte ich mit schmeichelndern Stimme. „Es ist nur zu ihren Besten. Sie können ohne diese Störenfrieden viel mehr Umsatz machen! Was machen dann ein paar Prozente ihres Gewinns?" Unwohl kratzte er sich in den spärlichen Haaren und wich weiter zurück. Ich kam mir vor wie eine lauernde Katze die ihre Beute schon bald in ihren Fängen halten würde. „Das klingt wunderbar aber ich brauche auch jeden kleinsten Cent um für meine Kinder sorgen zu können und diese Preise die ihr da verlangt kann ich nicht tragen." „Wollen Sie denn dass ihren geliebten Kindern etwas geschieht? Das wenn sie hier auf Sie warten ein Wahnsinniger kommt und hier tobt?!", zischte ich. Was war nur los mit mir? War ich nun der Capo oder er? Warum bemühte ich mich vor ihm so sehr? „Natürlich nicht!" „Dann können sie auch den pizzu zahlen", erwiderte ich kühl. Ich stolzierte aus der Küche und wartete draussen an der Hintertür auf Riccardo. Hatte er mir einer Gehirnwäsche unterzogen oder warum hatte ich das getan? Die Tür ging auf und er trat hinaus. „Das war der Hammer" Stolz überflutete mich. Ich hatte gerade einen verzweifelten Familienvater bedroht und ich war stolz darauf? War ich sein verdammter Hund oder warum hechelte ich so nach seiner Aufmerksamtkeit. „Können wir gehen?" „Ich möchte dir noch etwas zeigen."

Er wollte nicht sagen wo hin er mich bringen wollte. Ich war ziemlich am Boden. Der Tag hatte mich sehr aufgewühlt. Elenora. Gabrièle. Und jetzt noch Riccardo. Ach meine Nonna durfte ich ja auch nicht vergessen die mir, wie alle anscheinend, abgeraten, ja gar verboten, hatte mich mit ihm herumzutreiben. Riccardo stellte den Wagen vor einer Sanddüne ab und erklam sie zu Fuss. „Na komm." „Ich gehen nicht schwimmen. Und wenn du mich erneut ins Wasser wirfst werde ich alles der Polizei erzählen!", drohte ich. Lachend zog er seine Schuhe aus und warf einen nach mir. Empört fing ich ihn auf, schoss ihn ihm an den Kopf und meine Schuhe warf ich gleich noch hinterher. Sein Schuh traf ihn, doch meinen wich er mühelos aus. „Keine Sorge." „An deiner Stelle würde ich mir Sorgen machen", grummelte ich und folgte ihm hinauf. Die Sonne war schon längst untergegangen und die Sterne schmückten den Himmel. „Hier sieht man sie viel besser als vorhin in der Stadt", bemerkte ich. „Ja dort ist es ihnen zu hell." Ächzend liess er sich auf den Sand nieder. Ich folgte seinem Beispiel. Der Sand war hier so fein, er hätte fast als Staub vom Stein schneiden durchgehen können. Fasziniert liess ich die Überreste unendlicher Muscheln durch meine Finger rieseln. „Ich komme hier manchmal noch gerne hin, wenn es mir in der Stadt einfach zu viel wird."

Das Meer leckte unter uns wie eine riesiges Monster am Strand, schäumte und zog sich wieder zurück. „Es ist auch so ruhig hier. Man hört nur das Meer flüstern." „Das Meer flüstern hören?", wiederholte er spöttisch. „Was haben sie dir dieses Mal gegeben. Ein bisschen Gras?" Beleidigt schlug ich nach ihm. Er liess es lachend über sich ergehen. „Und hat Elenora es geschluckt? Unsere... Vermählung?" „Nur widerwillig. Sie hat immer noch ihre Zweifel und das hat sie mir auch sehr deutlich gemacht." „Sie ist fremden nicht sehr aufgeschlossen und ist von Natur aus sehr misstrauisch", gab er schmunzelnd zu. Und unhöflich. „Aber für den Moment hat sie es wohl geschluckt." „Aber Viola, eines musst du mir erzählen. Wie bist du hier hingekommen?" „Ich habe Gabrièle angerufen um mich abzuholen und später hat er mich dann zu dieser lahmen Party genommen." „Wer ist Gabrièle?", erkundigte er sich neugierig. „Ein Freund."

Wir schwiegen. Ich genoss das Rauschen, das Flüstern, des Meeres, dachte an all die Geschichten die es erlebt haben muss und Riccardo hatte sich hingelegt mit geschlossenen Augen und tat was auch immer. So viele Geschichten hatte ich schon gehört. So viele Bücher gelesen. Für das Meer waren wir vielleicht auch nichts weiter als ein paar Schauspieler die ihm eine Geschichte vorspielten. Vielleicht waren wir das auch und wussten es nur nicht. Nur das Meer wusste es. Ich wollte meine Überlegung mit Riccardo teilen und seine Meinung hören. Ich war ja so abhängig von ihm geworden. "Riccardo, vielleicht sind wir alle nur Schauspieler in einem Film von welchem wir gar nichts wissen. Vielleicht sind wir Figuren in einem Roman und dem Willen des Autoren unterworfen." "Oder vielleicht sind wir einfach nur Menschen auf dieser Erde weil Gott auf uns herunter gesabbert hat und uns damit den brillianten Funke Verstand gegeben hat den wir brauchten um alle und bis dato überlegenen Tieren zu übertrumpfen und uns zur Herrscher dieser Welt heraufzuschwingen.", sagte er und lächelte charmant. "Und was ist denn mit diesen auf uns herab sabbernden Gott passiert?",fragte ich ihn skeptisch . Er zuckte mit den Schultern. "Der ist irgendwann an Altersschwäche verreckt" "Wie soll das gehen? Götter sind unsterblich!" "Vielleicht haben wir nur die falsche Vorstellung von ihnen." „Meinst du?" „Ich meine gar nichts." Und wieder wurde es ruhig. Ich hing weiter diesen aufwühlenden Gedanken nach. Es beschäftigte mich. Entschied jemand anderes über mein Leben ohne dass ich es mitbekam? War dieser ganze Aufstand, dieses ganze hin und her zwischen uns, vorbestimmt gewesen? War alles einem Wesen übergeordnet ,welches unser Schicksal bestimmte? Waren die Worte „Riccardo, ich denke ich mag dich." auch Schicksal?

Ein Sommer in der HeimatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt