VENTISEI (x)

25 2 1
                                    


Dieses Mal kamen sie zu uns. Riccardo hatte sie sich zu ihm eingeladen. Ich hatte einen eleganten Overall an um möglichst gefasst aus zu sehen. Elenora schlich auch herum wie ein geprügelter Hund. Riccardo würdigte sie keines Blickes und empfing die Gäste. „Und die Fahrt überstanden." Fabio warf sich erschöpft auf die Couch. „Das war eine Höllenfahrt? Wie konntet ihr nur eine Party danach noch überstehen?" „Wir könnens halt", erwiderte er unbeeindruckt und nahm Leonardo das sicher vollgeschwitzte Jacket ab. Igitt. Als die beiden sich gesetzt hatten und einen Drink in der hatten fing ich an. „Kommen wir doch gleich zur Sache. Ihr entsorgt unseren Müll und ihr bekommt 25 % Gewinn." „Das klingt sehr gut. So hattet wir es auch mit papa besprochen aber wir können noch so viel mehr als Müll verschwinden lassen", erwiderte Leonardo zufrieden. Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Was denn noch?" „Naja Leute die euch im Weg stehen könnten wir verschwinden lassen", redete er um den heissen Brei. „Ihr haltet sie gefangen?" „Meine Güte Viola! Bist du schwer von Begriff? Sie bringen sie um und lassen ihre Leichen verschwinden", fuhr Elenora genervt dazwischen. Ich riss die Augen auf. „Das ist unser altbewährtes Geschäftsmodell", erklärte Fabio breit grinsend. Wie konnte man darüber auch nur daran denken zu grinsen wenn man darüber sprach, dass seine Familie Leute geschäftsmässig umbrachte und dann verschwinden liess!? Ich fasste mich wieder. „Wir werden uns melden falls wir dazu Gebrauch machen wollen", informierte ich sie reserviert. „Aber ihr solltet aufhören die Leichen im Meer zu versenken. An San Vito werden jetzt haufenweise angeschwemmt und macht das Geschäft mit den Drogen die die Touristen kaufen zunichte. Verbrennt sie lieber", nörgelte Elenora und setzte sich auf die Lehne des Sofas. Verlegen kratzte sich Leonardo am Kopf. „Ich leite es papa weiter. Sonst werden die Bullen noch auf uns aufmerksam" „Wir möchten damit nicht in Verbindung gebracht werden wenn ihr auffliegt. Nur damit das klar ist." Wütend starrte ich Elenora an. Ich sollte mit ihnen über dieses Zeug diskutieren um sie wieder zu überzeugen! Fabio rutschte näher zur Kante der Couch und fragte neugierig. „Aber ich bin noch etwas verwirrt über euch beide", er deute auf Riccardo und mich, „Seid ihr jetzt noch verlobt oder was?" „Ja, natürlich noch steht sie. Jemand wurde einfach falsch informiert und hat eigenständig Entscheidungen gefällt", antwortete ich und sah bedeutungsvoll zu der beschämte Elenora die nervös mit dem Saum ihres Kleides spielte. Erstaunt sahen die Brüder zu ihr. Sie zog den Kopf ein und wagte niemanden anzusehen. „Ihr hättet eigentlich gar nicht diesen mühsamen Weg auf euch nehmen müssen, Das hatten wir doch schnell." „Naja , ein paar Dinge macht man eben immer noch von Angesicht zu Angesicht aus. Ist sicherer. Ausserdem haben wir hier noch was zu tun." „Und darf ich wissen was das ist?" „Eine Säuberungsaktion." „Hat irgendwer ausgelplaudert?" Ihre Gesichter verfinsterten sich. Mehr Bestätigung brauchte ich nicht. Alles in mir sträubte sich diesen Mord geschehen zu lassen aber ich musste es wenn ich nicht so enden wollte wie die Leute auf die sie es abgesehen hatten.

Riccardo legte beruhigend einen Arm um mich. Unwillig liess ich es geschehen. Er hatte kein Problem damit dass diese Leute abgeschlachtet werden würden. Er würde sie später wahrscheinlich selbst mal anheuern jemanden zu beseitigen. Die Brüder brachen bald auf um ihre Hotelzimmer in der Stadt zu beziehen. Und ihr Geschäft abzuwickeln. Natürlich machten sie sich nicht selbst die Hände schmutzig aber ihre Leute aus dem Clan taten es. Weil ich davon wusste und es verhindern könnte fühlte ich mich irgendwie mit schuldig an ihren Tod. Wenn jemand die Omertà gebrochen hatte musste die ganze Familie leiden. Egal ob darunter unschuldige Kinder waren. Ich vertiefte mich immer weiter in diesen schrecklichen Schuldvorwürfen und Vorstellungen was sie den Opfer wohl antuen würden dass ich erschrocken zurückzuckte als mich Riccardo berührte. „Gehen wir wieder zu der Sanddüne", meinte er scheinbar unbekümmert. Wie konnte er nur. War ihm der Tod dieser Mensch so egal?!

Der Wind peitschte mir meine Haare um die Ohren. Das Meer war heute stürmisch und düster. Es hatte sich meiner Stimmung angepasst. Riccardo hatte sich wieder hingelgt spielte mit dem Saum meines Overalls. Schien in der Familie zu liegen. „Riccardo ich werde weggehen." „Wohin?" „Nachhause. Ich halte es hier nicht mehr aus. Meine Ferien sind eh bald vorüber. Das ist das Ende unserer Begegnung." „Aber wir werden doch weiterhin zusammen sein oder?" „Du kannst mit der Mafiatochter tun was du möchtest. Sie ist entführt worden. Umgekommen. Hat die Verlobung aufgelöst. Mir ist das egal", sagte ich tonlos. „Nein ich meine uns." „Du denkst doch nicht wirklich Fernbeziehungen würden wirklich funktionieren." „Du kannst doch in den Ferien zu mir kommen oder ich besuche dich!" „Das ist zu wenig." „Aber du ... liebst mich doch?" „Wir wissen doch gar nicht was wirklich Liebe ist", erwiderte ich verächtlich. „Natürlich werde ich dich vermissen, sogar sehr. Es schmerzt mich jetzt schon aber ich kann nicht mehr hier sein. Vielleicht ist es sogar Liebe. Dann werde ich zu dir zurückkehren aber hier passieren gerade Dinge die ich einfach nicht ertragen kann." „Das wird sich später auch nicht ändern." „Vielleicht kann ich darüber hinwegsehen." Die Sonne, sterbend in dem stürmischen Meer, setzte die Umgebung in Brand. Alles leuchtete für einen kurzen Moment rot auf und die Sonne verschwand unter dem Meer. Morgen würde sie erneut wiedergeboren werden. Die Leute die heute durch Leonardos und Fabios Handlanger starben würde morgen nicht wieder zu neuen geboren werden. Ich drängte mich in Riccardos Arme und schloss die Augen. Leise Tränen rollten meine Augen hinab und verschwanden in seinem Hemd. Weinte ich um uns oder um die Opfer der Omertà? Er strich mir beruhigend über den Rücken und streichelte mein verstrubbeltes Haar. „Komm ich fahr dich nachhause", sagte er belegt.

Ein Sommer in der HeimatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt