Chapter 2

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Am nächsten Morgen fand sich Ginny mit einer Beule auf dem Flur vor Amycus' Büro wieder. Alles tat ihr weh. Sie spuckte Blut und schleppte sich schwerfällig in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Dort wärmte sie sich am Feuer und nickte ein.
Etwa eine halbe Stunde später kam Seamus Finnigan mit Neville und weckte sie.
„He, Gin!" Seamus rüttelte sie sanft.
Sie hob den Kopf und war sich sicher, dass sie tiefe Ringe unter den Augen hatte.
„Alles okay?", fragte Neville.
„Nein", brachte Ginny unter Tränen hervor. „Die haben mich gefoltert... Eher Amycus, Alecto hat nur zugesehen..."
Neville nahm sie in den Arm und half ihr dann, die Schultasche zu packen.

***

Doch sie blieb nicht die einzige. Im Verlauf des zum Glück von dem Fach Die Dunklen Künste freien Tages landeten trotzdem insgesamt vierzehn Schüler im Krankenflügel.
Ginny hatte sich noch nicht ganz erholt. McGonagall war untröstlich, dass ihre Schüler gefoltert werden durften und sie nichts dagegen tun durfte.
Die DA-Münze trug Ginny seit langem nicht mehr bei sich. Dumbledores Armee war ohne Leiter und Namensgeber sowieso so gut wie gestorben. Doch heute hatte sie die Fake-Galleone mitgenommen, weil sie ihr das Gefühl gab, dass noch nicht alles verloren war.
Plötzlich wurde die Münze ganz heiß.
War Harry da? Um nachher nicht enttäuscht zu sein, erstickte Ginny die Hoffnung im Keim. Dennoch machte sie sich auf den Weg zum Raum der Wünsche.
Als sie eintrat, waren überraschend viele da. Aber natürlich keine Slytherins. Und auch kein Harry. Leider. Ach, ich muss aufhören, so zu denken! Er hat mit mir Schluss gemacht und ich sollte ihm nicht hinterhertrauern. Punkt. Aber ich vermisse ihn so sehr... Ihr Herz fühlte sich bei diesen Gedanken an, als würde es langsam und qualvoll in zwei Stücke gerissen.
Ginny wurde herzlich begrüßt. Dann hielt Neville eine Rede: „Hallo, Leute! Willkommen zurück! Wir wollen Dumbledores Armee neugründen, wie ihr sicher schon vermutet habt." Grinsend hielt er die DA-Münze, Hermines ureigenste Erfindung, hoch. „Die Carrows und Snape wissen nicht, mit wem sie sich angelegt haben!!"
Alle brachen in laute Jubelrufe aus. Ginny war etwas skeptisch.
Dann entdeckte sie Luna und ging zu ihr hin.
„Was hältst du davon?", fragte die Rothaarige.
„Ich freu' mich", antwortete die andere. „Vielleicht wird dann ja alles wie früher...", sagte sie hoffnungsvoll.
Ginny schüttelte leicht den Kopf. Als ob. Sie waren keine Kinder mehr, Dumbledore war tot, Harry fort und sie alle anderen an einer Schule, die von Wahnsinnigen geleitet wurde. Kurzum: Alles war so gut wie verloren. Warum noch weiterkämpfen, wenn es nur Verluste bringen konnte?

***

„Ich habe gleich Wahrsagen bei Firenze", verkündete Ginny bemüht heiter und räumte ihr Besteck auf dem Teller von der einen zur anderen Seite.
Luna bemerkte: „Ich auch nachher." Sie hatte ebenfalls fertiggegessen.
„Seit wann das denn?", wollte die Rothaarige verdutzt wissen.
Das andere Mädchen lächelte verträumt: „Seit ich gelernt habe, dass Lepustellas mit dieser Art von Wahrsage-Magie herbeigerufen werden können."
„Lepu- was?" Ginny war verwirrt.
„Lepustellas", wiederholte Luna. „Das sind kaninchenähnliche Wesen, die nachts über den Himmel wuseln und die Sterne auffressen."
Hermine hätte jetzt gesagt, dass das gar nicht möglich und überhaupt nicht logisch war, dass Wahrsagen zu wählen die größte Fehlentscheidung ihres Lebens gewesen war, aber Ginny blieb stumm. Sie musste wieder an Harry denken. Ob er noch lebte? Vermutlich machte er sich die gleichen Sorgen... Ach nein, er hatte ja mit ihr Schluss gemacht und Hogwarts' Wohlergehen lag ihm wohl auch nicht am Herzen, weil... Weil darum.
Mit einem furchtbaren Gefühl im Magen verließ sie die Halle. Völlig in düsteren Gedanken versunken schlenderte sie durch die von vereinzelten Fackeln erleuchteten Gänge. Selbst das Licht, das neblig durch die Fenster dran, schien es nicht heller zu machen.
Wütend ging sie schneller, während sie frustriert auf den Boden starrte.
Plötzlich rannte sie mit einem dumpfen Uff in jemand Schwarzgewandeten hinein. Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst. Sie und die andere Person stürzten zu Boden. Während sich der Mann wütend aufrappelte, blieb sie noch benommen liegen und rang nach Luft.
Überraschenderweise klopfte ihr die Person auf den Rücken und befahl leise: „Einatmen."
Sie folgte der Anweisung mit Mühe. Keuchend drang wieder Luft durch ihren Mund. „Danke."
Dann sah sie auf – und sah mit Schrecken, wer in sie hereingerannt war oder sie in ihn. „Professor Snape." Warum zur Hölle hatte sie ihn nicht an seiner Stimme erkannt? Vermutlich weil er relativ freundlich geklungen hatte. „Entschuldigen Sie." Sie sah ihm ihren Worten zum Trotz stur in die rabenschwarzen Augen.
„Seien Sie vorsichtiger", knurrte er und ging weg.
Sie starrte ihm verdutzt auf dem Boden sitzend nach, wie er mit wehendem Umhang davonrauschte.
Keine Strafarbeit... Er ist besser als die Carrows. Warum keine Strafarbeit? Sag bloß, Ginny, du willst eine. Sie lachte bitter auf. Vielleicht würde mich das ablenken, eine stinknormale Strafarbeit wie Kesselputzen oder Sätzeschreiben zu machen.

His Best Horcrux (Tominny) ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt