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Erschöpft ließ sich der Weißhaarige auf das Sofa fallen. Warf seine Füße auf den Wohnzimmertisch und lehnte den Kopf in den Nacken.
"Keine Fortschritte, Wild?" fragte ein ältere Frau und kam näher. Sie hatte schon lauter Falten im Gesicht, ihre Augen waren in einem blassen grau sowie ihre leicht gelockten Haaren. Sie trug Gewänder, in allen möglichen Farben und Sandalen.
"Nein, leider nicht, Mutter." er seufzte "Er lässt mich nicht an ihn ran. Egal was ich versuche."
"Lass ihm Zeit. Irgendwann wird er dir vertrauen."
"Und wann ist irgendwann? Er will sich noch nicht einmal von einem Arzt untersuchen lassen." er fuhr sich verzweifelt durch das weiße Haar.
"Vielleicht ist es auch kein Wunder, dass er keinen an sich ran lässt. Wenn man all die Narben auf seinem Körper sieht." murmelte er und erinnerte sich an das Bild des geschockten Fin. Wie er dastand, Narben über Narben auf seinem Körper verteilt und dann dieses Brandmal...
"Mutter? Kennst du dich mit Brandmalen aus?"
"Brandmale? Wie kommst du jetzt auf Brandmale?" sie setzte sich neben ihn auf das Sofa und blickte ihn ernst an.
"Er hat eins."
"Ein wenig Erfahrung habe ich damit. Dein Vater könnte dir allerdings mehr dazu sagen, wenn er denn noch leben würde." Trauer schwang am ende ihres Satzes mit und blieb schwer in der Luft hängen. Nachdem Wilds Vater gestorben war, hatte er die Leitung übernommen und seine Mutter hatte ihn überall versucht zu unterstützen, wo es nötig war.
"Wie sah es denn aus?" brach die ältere Frau nun doch hervor um vom Thema abzukommen.
"Soweit ich erkennen konnte, war es eine Maske. Darunter waren die Buchstaben B und M die Zahl 70 eingebrannt."
Die Dame schwieg einen Moment als sie darüber nachdachte. Allerdings viel ihr nichts auf anhieb sein.
"Ich müsste es mir näher anschauen. Dann könnte ich vielleicht wissen, worum es sich handelt. Aber jetzt grade weiß ich nicht, von wem es ist." sagte sie ehrlich.
"Das wird aber noch dauern. Ich will mich ihm schließlich nicht aufdrängen." Wild dachte an die wenigen Minuten zuvor, als er neben dem Schlafenden lag. Wie er sich an ihn geklammert und ihn zu sich gezogen hat. Als würde er nach Schutz suchen.
Die plötzliche Wut traf ihn eine Faust, wenn er nur daran dachte, diejenigen in die Finger zu kriegen, die ihm das angetan haben.
"Beruhige dich, Wild." sagte seine Mutter sanft und legte ihre alte Hand auf seine "Ich verstehe deine Wut, aber so kann dich grade keiner gebrauchen. Bedenke, dass du heute die Kinder von der Schule abholen wolltest. Wenn dich die Menschen mit diesen Augen sehen, werden sie noch denken, du wärst ein Verrückter."
"Sind wir das denn nicht?" fragte er zurück und atmete mehrere Male tief ein um seinen schnellen Herzschlag zu beruhigen. Seine wilden goldenen Augen nahmen wieder ihre ursprüngliche Form an.
Die alte Dame schmunzelte nur "Na los, du hast es ihnen versprochen. Schließlich warst du derjenige, der ihre Eltern losgeschickt hatte, die Einladungen zu den anderen Stämmen zu schicken für das neue Friedensabkommen." sie tätschelte ihm den Kopf und verließ das große Wohnzimmer.
Wild stand auf und verließ das Anwesen, stieg in sein Auto und fuhr los. Es dauerte schließlich eine weile bis sie aus dem Wald in der Stadt sind.

"Hausaufgaben zu erst. Dann könnt ihr meinetwegen zu den anderen gehen." rief er den Kindern hinterher, die in dem großen Haus verschwanden. Es war eher eine große Villa mit über dreißig Zimmern, Wild hatte sich nie die Mühe gemacht, sie zu zählen. Die Hauswände waren in einem strahlenden weiß. Auf dem Rasen hatten sie unterschiedliche Blumen angepflanzt und zwei Wege aus Kies führten einmal komplett herum in den Garten. . Er warf einen Blick auf die Uhr und beschloss zu den anderen in den Garten zu gehen. Er lief um das Anwesen herum und kam in den weitläufigen Garten. Der Pool war abgedeckt und keiner holte sich eine Abkühlung obwohl es fast dreißig Grad waren.
"Vielleicht krieg ich ihn ja dazu, eine Runde im Pool zu schwimmen. Schließlich muss es ganz schön langweilig sein, ständig nur im Zimmer zu hocken." murmelte er zu sich selbst und beschloss, dass es einen Versuch wert war.
"Aber nicht jetzt!" rief jemand und kam von der Seite angelaufen mit der Absicht sich voll auf den Weißhaarigen zu stürzen. Dieser wich aus und der Rufende landete mit einem lauten jaulen auf der Abdeckplane des Pools. Diese löste sich vom Rand und ging mit ihm unter.
"Warum musstest du ausweichen?!" beschwerte sich der Klatschnasse Siebzehnjährige und kletterte aus dem Pool.
"Eine Abkühlung tut dir bestimmt gut." grinste Wild und ging ein par Schritte zurück als der Junge sich schüttelte. Er hatte dunkelbraunes Haar mit bunten Strähnen, die er sich selbst gefärbt hatte. Sein dünner aber starker Körper war gebräunt und er lief nur in kurzen Shorts rum. Seine blauen Augen blitzen frech.
"Aber was meinst du mit ihn dazu kriegen?" fragte er dann und blickte ein wenig verwirrt.
Wild seufzte, er hatte aufgehört zu zählen das wievielte mal es schon war.
"Das erzähle ich gleich." er hatte es lange genug vor ihnen geheim gehalten und beschlossen, es ihnen endlich zu sagen. Mit einem prüfendem Blick musterte er den größeren.
"Raph! Geh jetzt zu den anderen. Sofort!" knurrte Wild nun wütend, der eigentlich gedacht hatte, dass der Jüngere endlich gelernt hatte, niemanden der höher steht als er, so anzustarren.
Raph zuckte zusammen, drehte um und lief zu den kleinen Punkten weiter hinten. Erschöpft riss er sich dann zusammen und ging hoch erhobenen Hauptes zu den anderen.

"Jetzt sag schon, warum riecht es im dritten Stock so stark nach Mensch?" fragte ein Mann Mitte dreißig, der wie die anderen Männlichen Personen, oben ohne rumlief. Seine grünen Augen flogen dabei ständig zwischen allen hin und her.
"Das geht schon seit drei Wochen so. Das es menschlich riecht, ist nicht das Problem, aber diese kränkliche Note ist furchtbar." meckerte eine Frau in einem weißen, kurzen Spitzenkleid und strich sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht.
"Nun beruhigt euch. Er würde es uns ja erklären, wenn ihr endlich eure Klappen halten könntet." knurrte ein anderer. Seine braunen langen trug er als Dreadlocks. Er hatte leicht gebräunte Haut und seine blauen Augen funkelten die Anderen mahnend an. Daraufhin wurden alle Still.
"Danke Jack." er wandte sich zu den anderen " und nun zu euch. Ich weiß, dass es nicht richtig war, euch so lange zu verschweigen, warum ein Mensch bei uns lebt. Dennoch habe ich meine Gründe."
"Und die wären?"
Wild warf Raph einen strafenden Blick zu. Dieser ging ein par Schritte zurück und duckte sich unterwürfig.
"Ihr erinnert euch an die Leute, die Whistle entführt haben? Diese Leute hielten den Menschen bei sich im Keller fest. Unter den schlechten Bedingungen wie er dort gefangen gehalten wurde, konnte ich ihn nicht lassen. Aber es war nicht mein Mitleid, was mich dazu gebracht hat ihn mitzubringen." Er machte eine Pause bevor er fortfuhr "ich weiß, das er mein Partner, mein Mate ist."
Es herrschte schweigen. Keiner sagte etwas. Alle starrten ihn nur entgeistert oder überrascht an.
"Aber er ist ein Mensch!" rief die Blonde in dem Kleid und ihren blauen Augen funkelte ein wenig Eifersucht.
"Ob er ein Mensch ist oder nicht, hat damit nichts zu tun. Ich habe klar und deutlich gespürt wie mein Wolf sich nach ihm gestreckt hat." knurrte er sie wütend an und sorgte damit dafür, dass sie auch wütend wurde und widersprechen wollte. Allerdings hinderte Jacks durchgehender Blick sie daran.
Wilds goldene Wolfsaugen funkelten wieder und er verbiss sich ein wütendes Bellen. Er wusste, dass sie alle anfangs Schwierigkeiten hatten, ihn als den neuen Alpha zu akzeptieren. Denn das Durcheinander, dass der Tod des alten Alphas mit sich brachte hatte sich sehr negativ auf die anderen ausgewirkt und dafür gesorgt, dass sich fast jeder gegenseitig an die Gurgel ging. Erst nachdem Wild jeden unterwerfen konnte und sich eine neue Rangordnung ergab, kehrte wieder Ruhe ein. Das alles geschah natürlich auch mit der Hilfe von seiner Mutter, der Gefährtin seines Vaters.
Nachdem das aufgebrachte Gemurmel sich gelegt hatte, wagte es einer zu sprechen.
"Und warum ist er dann eingesperrt?"
"Er ist Krank und ich habe nicht die Absicht, dass sich einer von euch ansteckt. Außerdem weiß er auch noch nicht, dass wir Wölfe sind. Momentan ist es einfach noch nicht möglich es ihm zu sagen."
"Warum das denn? Wenn er dein Gefährte ist, muss er es doch verstehen können." fragte Jack und runzelte verwirrt die Stirn.
"Er ist psychisch noch ziemlich labil. Ich konnte bisher auch nicht herausfinden, warum oder was mit ihm in seiner Vergangenheit passiert ist." Da viel ihm das Brandmal wieder ein. Er wusste zwar nicht, ob einer aus seinem Rudel davon wusste, aber er könnte ja danach fragen.
"Ich habe auch noch eine Frage an euch. Weiß einer von euch was B. M. bedeutet?"
"B. M. ?"
"Es sind die Inizialien die zu einer Maske gehören. Wenn möglich würde ich gerne herausfinden, was das ist."
"Hat das was mit deinem Menschen zu tun?"
"Hat es." Wild biss die Zähne zusammen und sein ganzer Körper spannte sich plötzlich an. Er unterdrückte ein Knurren als er fortfuhr "Jemand hat es auf seine Haut eingebrannt."
"Man hat ihm ein Brandmal verpasst? Ich dachte, dass macht man nur mit Kühen oder Pferden. Nicht mit Menschen." warf einer ein.
"Also. Weis einer von euch, was es nun ist oder nicht?"
Wild hörte nur wie sie Nein riefen oder mit dem Kopf schüttelten. Enttäuscht wandte er sich mit den Worten "bleibt nicht mehr zu lange draußen" um und ging wieder zum Anwesen zurück. Er würde Fin noch einen Besuch abstatten bevor er sich in sein Büro begeben würde, um noch wichtige Dokumente und Briefe zu durschauen. Er würde auch noch warten, bevor er Fin dem Rudel vorstellt. Dafür war es einfach noch zu früh.

Er schloss die Türe auf und sah, wie Fin, wie sonst auch, in seinem Bett lag und schlief. Wären da nicht erneut die Fieberkrämpfe, die ihn erneut überfielen und ihn in quälten. Er wälzte sich im Bett hin und her. Schwer atmend blieb er schließlich liegen, mit verzerrtem Gesicht öffnete er die Augen und blickte in die Goldenen von Wild. Der strich ihm die Nassen Haare aus der Stirn. Seltsamerweise ließ der Andere es zu und schlug auch nicht seine Hand weg. Stattdessen krallten sich seine Hände an ihm fest. Seine fiebrigen Augen brachten Wild dazu, ihn in seine Arme zu nehmen und sich mit ihm auf die Matratze zu legen. Wie es am Vormittag der Fall gewesen war, hörten die Krämpfe auf und er entspannte sich. Bald darauf hörte er seine gleichmäßigen Atemzüge.
So würde der Weißhaarige nicht in sein Büro kommen, aber das war ihm grade recht. Er schloss seine Arme fester um ihn und drückte seinen Mund für einen sanften Kuss auf die Stirn des Schwarzhaarigen. Der seufzte im Schlaf und vergrub seinen Kopf an der Brust des Goldäugigen. Der schloss schließlich auch seine Augen und glitt langsam in einen Schlaf.

Das Leben eines Wolfes Mate - Boy x Boy (ABGEBROCHEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt