Kapitel 26

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Als ich meine Augen öffnete, sah ich eine friedlich schlummernde Michelle neben mir liegen. Ich richtete mich auf, nur um mich gleich darauf wieder in mein traumhaft weiches Kissen sinken zu lassen. Meine Gedanken schweiften um die verschiedensten Sachen, bis ich mich mit einem Ruck aufrichtete. Verdammt. Heute ist Montag. Es ist neun Uhr. Michelle und ich liegen noch im Bett. Warum hat mein Wecker denn nicht geklingelt? Hektisch tippte ich Michelle auf die Schulter. >>Hm?<< murmelte sie schlaftrunken. >>Aufstehen, wir haben verschlafen!<< Ich befand mich bereits im Bad und putzte meine Zähne, während ich nebenbei im Kleiderschrank nach Sachen suchte, die ich anziehen konnte. >>Oh man, warum passiert uns immer sowas?<< Auch Michelle war nun aus ihrem Bett gesprungen und suchte hektisch ihre Sachen zusammen. Keine fünf Minuten später rannten wir über das Gelände und anschließend zu unserem Raum, in dem wir jetzt, glücklicherweise zusammen, Mathe hatten. Außer Atem klopfe ich an die Tür und drückte anschließend die Türklinke herunter. 

>>Ihr seid zu spät meine Damen.<< Sofort wurden wir mit einem strengen Blick bedacht. >>Tut uns wirklich leid, wir haben verschlafen.<< >>Setzt euch.<< Schnellen Schrittes machten wir uns auf den Weg zu den einzigen beiden freien Plätzen im Zimmer, denn dadurch, dass die Plätze hier genau abgezählt waren, gab es keinerlei freie Plätze in den Räumen. Unser Kurs war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und so vergingen zwei todlangweilige Stunden Mathe. 



Bald würde die Auswahl für die Halbjahresaufführung stattfinden, das hieß, wir mussten alle nochmal unser Bestes geben, um eine möglichst bedeutende Rolle zu ergattern. Die Lehrer werden eine Vorauswahl treffen, es werden also nur wenige Schüler überhaupt die Chance bekommen, für die Hauptrolle vorzutanzen. Philipp stand nun vor unserem gesamten Jahrgang, um uns endlich zu verraten, welches Stück aufgeführt werden wird. >>Ich will euch nicht allzu lange auf die Folter spannen, ich möchte euch nur sagen, dass ich nicht will, dass ihr enttäuscht seid, wenn ihr nur eine kleine Rolle bekommt, wir sind einfach zu viele Schüler, als dass jeder im Rampenlicht stehen kann. Jetzt habt ihr außerdem noch das Glück, mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit eine Rolle zu bekommen. Im Endjahr müsst ihr darum kämpfen. So, nun zum interessanten Teil. Das Stück für die Halbjahresaufführung ist Giselle. Morgen wird sich entscheiden, wer für die Hauptrollen vortanzen darf. Bis dahin, einen schönen Tag noch.<< Mit diesen Worten verließ er den Raum und überließ uns uns selbst. Der Unterricht war für diesen Tag vorbei, ich hatte nur noch um 18 Uhr eineinhalb Stunden Ballett, somit beschlossen Michelle und ich, einfach solange in der Villa zu entspannen. 

>>Wie konntest du das bitte vergessen?<< fragte Michelle mit einem ungläubigen Unterton in der Stimme. >>Ich hab es halt verdrängt, tut mir ja leid.<< Das aufgezwungene Date mit Nick stand mir noch bevor und ich hatte es bewusst in die hinterste Ecke meines Bewusstseins gedrängt, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen. >>Ich finde die Idee eh scheiße, ich meine, wie alt sind wir denn bitte?<< >>Wem sagst du das.<< gab ich genervt zurück und ließ meine Beine im Pool baumeln. 

Zwei Stunden später befanden wir uns in einem der vielen Proberäume der Academy, während Madame LeClerc uns ununterbrochen Anweisungen zurief. >>Elena, heb dein Bein mehr an! Ich möchte, dass ich darunter durchgehen kann!<< Meine Muskeln schmerzten bereits in der Position, die ich gerade versuchte zu halten, doch heute war einfach nicht mein Tag. Nun stand meine Lehrerin neben mir. >>Höher sagte ich!<< Mit einem Ruck wurde mein Bein hochgerissen und machte eine schmerzhafte Verrenkung. >>So ist es richtig.<< Entnervt seufzte ich auf, was mir einen strafenden Blick ihrerseits einbrachte, mich jedoch nicht weiter störte. Eigentlich hätte ich an diesem Tag nochmal alles geben sollen, da morgen verkündet werden würde, wer für die Hauptrollen der Halbjahresaufführungen infrage kam, aber kein Schüler in diesem Raum war sonderlich motiviert. Vielleicht hätte ich gestern früher ins Bett gehen sollen, überlegte ich. Aber auch diese Trainingseinheit war irgendwann vorbei und wir konnten uns zurückziehen. 

Auf dem Weg zur Villa fing Michelle sich an zu beschweren >>Was denkt sie eigentlich wer sie ist? Sollen wir jetzt 24 Stunden am Tag trainieren oder was?<< >>Ich fand heute auch echt anstrengend.<< >>Anstrengend ist extrem untertrieben! Das kann doch nicht wahr sein!<< Sie redete sich immer weiter in Rage. >>Hey, beruhig dich. Alles ist gut, okay?<< Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. >>Machst du dich gerade über mich lustig?<< fragte mich meine beste Freundin mit einem ungläubigen Unterton in der Stimme. >>Nein, ich doch nicht. Ach ja, was ich dich den ganzen Tag schon fragen wollte: Wie war dein Abend denn gestern noch?<< Nun schlich sich doch ein Lächeln auf meine Lippen. >>Er war toll, wir haben noch mega lange geredet, ich glaube bis zwei Uhr nachts. Ich könnte mir da echt was vorstellen.<< Eine leichte Röte schlich sich auf ihr Gesicht. >>Na wenigstens bei einem von uns läuft es, nicht wahr?<< erwiderte ich lachend. >>Ach komm schon, du bist einfach zu wählerisch.<< >>Kann schon sein.<< Gemeinsam stiegen wir die Treppen zur Villa herauf. Der Großteil unserer Mitschüler befand sich am Esstisch, unter anderem auch Adrian, Chris und Nick, woraufhin wir beschlossen, noch eine halbe Stunde mit dem Abendessen zu warten, da es uns eindeutig zu voll war. 

Vor unserer Tür stand ein sichtlich angespannter Alex. >>Hey, ich hab dich gesucht.<< sagte er an Michelle gewandt. >>Hier bin ich.<< gab sie lächelnd zurück. >>Wollen wir mal raus gehen?<< >>Ähm .. ist das okay?<< fragte sie mich mit einem entschuldigendem Blick.<< >>Macht ihr nur euer Ding, ich komm schon alleine zurecht.<< antwortete ich ihr lächelnd. Ich werde den beiden ganz bestimmt nicht ihre gemeinsame Zeit kaputt machen. Ich rechnete fest damit, dass er sie endlich nach einem richtigen Date fragen würde, sie passten so unglaublich gut zusammen. 

Als die beiden um die Ecke bogen, fiel mir auf, dass ich wahrscheinlich mein Abendessen alleine einnehmen musste. Also ging ich die Treppe wieder hinunter und sah, dass sich der Tisch bereits gelichtet hatte. Nun saßen lediglich noch zwei Mädchen aus meinem Jahrgang daran, jedoch hatte ich ihre Namen schon wieder vergessen, lächelte sie aber dennoch an. Unser Kühlschrank war wie immer prall gefüllt, neuerdings wurde er nämlich täglich von den Angestellten der Academy aufgefüllt. Ich hatte einen Mordshunger und da ich sowieso nichts besseres zu tun hatte, beschloss ich kurzerhand, mir Spaghetti zu machen. Die beiden Mädels waren anscheinend fertig mit Essen, denn sie verabschiedeten sich von mir und machten sich auf den Weg nach oben. 

Zwanzig Minuten später machte ich es mir mit meinem gigantischen Pastateller und einer Zeitschrift im Wohnzimmer bequem. Als ich die erste Gabel mit meinen noch dampfenden Nudeln in meinen Mund schob, wurde meine Ruhe jedoch gestört. Ein ziemlich mies gelaunter Adrian kam die Treppe herunter, und als er mich sah, hellte sich seine Miene auch nicht gerade auf. Kauend blickte ich in seine Richtung. Seine Mundwinkel bewegten sich unmerklich nach oben, als er mich genauer ansah. >>Was?<< fragte ich. >>Nichts.<< gab er schulterzuckend zurück, während er die letzten Stufen zurücklegte. >>Dann hör auf mich so dumm anzugucken.<< antwortete ich bissig. Sein Blick verfinsterte sich erneut und er machte sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg nach draußen. Die Tür fiel mit einem lauten Knall zu und Adrian war verschwunden. Ich wusste selber nicht genau, warum ich ihn so angefahren hatte, aber nachdem er am Strand so beleidigt gewesen war, hatte ich kein Bedürfnis danach, den Schein einer heilen Welt zu wahren. Ich ließ den Abend noch entspannt ausklingen und fiel gegen 23 Uhr in mein Bett. 

>>So meine Lieben, nun werde ich verkünden, worauf ihr alle gewartet habt. Folgende Schüler werden eine Chance auf die Hauptrolle haben: Nancy, Amanda, Lea, Adrian, Paul, Rebecca und Niklas.<< Erstaunt blickte ich meinen Bruder an, der genauso überrascht aussah wie ich. Mein Ellenbogen landete in seiner Seite. >>Gut gemacht.<< flüsterte ich. >>Die restlichen Schüler wurden bereits von uns in Paare eingeteilt.<< fuhr Philipp fort. >>Die Liste hängt unten im Foyer aus. Das Training ist für heute beendet. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.<< Sofort stürmten Michelle und ich die Treppe herunter, beim Anblick der Liste blieb mein Herz jedoch stehen.



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