Kapitel 26

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Ich merkte wie der Motor gestartet wurde und der Van sich langsam aber sicher in Bewegung setzte. Je weiter wir fuhren, desto weniger machte ich mir Hoffnung noch hier von der Polizei gefunden zu werden. Wir fuhren und fuhren. Wahrscheinlich waren wir schon Stunden unterwegs. Inzwischen wurde es draußen immer heller und das Licht drang durch das Verbindungfenster zum Fahrerraum hindurch. Nun konnte ich mich auch hier hinten im Laderaum umsehen. An der linken Seite war ein kleines Regal aus Metall eingelassen. Im untersten Fach stand ein kleiner Werkzeugkasten, der etwas geöffnet war. Ob ich darin wohl etwas Nützliches fand? Mit ständigem Blickkontakt zum Fenster robbte ich ganz leise zur anderen Seite hinüber. Ich lehnte mich gegen die Wand um mich so auf meine Knie setzen zu können. Vorsichtig schob ich ihn mit meiner Nase weiter auf und schaute hinein. Zollstock, Schraubenzieher, Schraubenschlüssel, irgendwelche anderen Werkzeuge und... oh mein Gott! Meine Rettung! Ein kleines Cuttermesser! Ich drehte mich auf meinen Knien, sodass ich nun mit dem Rücken zum Kasten kniete. Langsam ging ich in die Hocke und versuchte mit meinen verbundenen Händen das Messer aus dem Kasten herauszufischen. Leichter gesagt als getan. Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis ich es endlich geschafft hatte. Danach setzte ich mich erstmal wieder auf meine Knie. Ich ließ das Messer herausfahren und machte mich daran, das Seil an meinen Händen zu zerschneiden. Ich hätte ja niemals gedacht, dass ich das mal sage, aber: In diesem Moment hoffe ich wirklich, dass wir noch etwas fahren, damit ich genug Zeit habe, mich von den Fesseln zu befreien. Ich schnitt mit dem Messer immer und immer weiter am Seil entlang. Ab und zu sah jetzt einer der Männer durch das Fenster, aber nur kurz. Zum Glück konnten sie nicht sehen, was ich hinter meinem Rücken machte. Dann hatte ich es endlich geschafft! Das Seil war durch! Nun machte ich mich an meine Fußfesseln, die ich glücklicherweise auch schnell loswurde. Das eklige Leinentuch um meinen Mund ließ ich vorsichtshalber noch dran. Sonst wäre es auch zu auffällig, wenn die Männer das Fehlen durch's Fenster entdecken würden. Nach einiger Zeit wurde die Fahrbahn ziemlich huckelig bis der Van immer langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Ich hörte, wie die Türen des Fahrerhauses aufgingen und krabbelte leise zur Tür. Schnell nahm ich mir noch das Tuch ab und schon öffnete sich die Tür. Mit voller Wucht sprang ich gegen Heinrich, der rückwärts umfiel. Ich sah wie die zwei anderen Männer an einer kleinen Hütte standen. Anscheinend waren sie erneut mit mir in einen Wald gefahren. Nun kamen die anderen zwei auf uns zugerannt. Schnell stand ich auf, wurde aber von Heinrich festgehalten. „Du gehst so schnell nirgendwo hin, du Rotzgöre!" Ich trat ihm in sein bestes Stück woraufhin er mich sofort los ließ und sich vor Schmerzen krümmte. „AUAA! DU ELENDES MISTSTÜCK!" Schnell rappelte ich mich auf und rannte davon. Die zwei Männer waren mir dicht auf den Versen. Ich rannte und rannte und nahm alle Kraft zusammen. Ich wollte einfach nur entkommen. Sie irgendwie abhängen. Ich sprang über rumliegende Baumstämme, dickes Geäst und immer wieder sah ich mich um. Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass der Abstand zwischen mir und meinen Verfolgern immer größer und größer wurde, bis ich sie schließlich nirgends mehr entdecken konnte. Dennoch rannte ich weiter. Wahrscheinlich Stunden. Irgendwann ließ auch meine Kraft nach und ich stürzte zu Boden. Ich war völlig außer Atem. Meine Lungen brannten und mit dem Atmen kam ich kaum hinterher. Als sich meine Atmung einigermaßen normalisiert hatte, stand ich wieder auf. Wo soll ich denn jetzt hin? Was, wenn sie noch nach mir Suchen und in der Nähe sind? Ich schaute mich um und sah ein paar Meter weiter einen Baum, auf den man wohl gut heraufklettern konnte. Ich ging hinüber und nahm meine letzte vorhandene Kraft zusammen, um mich wenigstens hoch oben im Baum etwas in Sicherheit zu bringen. Ich weiß nicht, wie hoch ich kletterte, aber es sah schon ziemlich schwindelerregend aus. Ich setzte mich auf einen etwas dickeren Ast, der mich durch die ganzen Blätter drum herum schützte. Hier wird mich sicherlich niemand so schnell sehen! Langsam konnte ich mich entspannen und ich ruhte mich hier oben etwas aus. Dann brach langsam aber sicher die Dämmerung herein und ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Ich saß ganz alleine in einem Wald auf einem Baum und bald wird es hier stockduster sein. Ich hatte Angst. Richtige Angst...

Ehrlich Brothers - Die magische Wende?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt