~Kapitel 17~

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Jäger? Meint er etwa die, von denen im Rudel immer Gruselgeschichten erzählt wurden, als wir noch klein waren? Meine Mutter meinte einmal, dass Jäger vor langer Zeit jagt auf uns Werwölfe gemacht haben. Vermutlich, weil die Wölfe damals die Ernte der Menschen zerstört und ihr Vieh gefressen haben. Das ging solange, bis die Werwölfe gelernt haben, sich anzupassen und zu verstecken. Soweit zu den Erzählungen meiner Mutter.
Meint Jason die damit? Aber wieso sollten sie uns jagen? Wir waren doch immer friedlich. Jedenfalls habe ich noch nie von einem Eingreifen durch Jäger gehört. Ob es sie wohl schon lange gibt? Oder gab es sie schon immer und sie haben sich nur im Verborgenen gehalten?
Logan neben mir spannt sich augenblicklich an und legt einen Arm fest um mich, so als will er mich vor einer Gefahr beschützen. Sein Blick ist starr auf Jason gerichtet und seine Miene so unbeweglich und hart, als hätte man ihn gerade ins Gesicht geschlagen.
"Die Patrouillen um das Haus und Territorium sollen sofort verdoppelt werden und niemand verlässt alleine das Haus", kommandiert Logan mit ernster Stimme. Jason nickt und macht sich sofort wieder auf den Weg. An seiner Stelle treten nun zwei groß gewachsene Männer, die ich schon einmal gesehen habe, aber nicht wirklich kenne.
"Schickt eine Nachricht an Alpha Luce. Ich will ihn sofort sprechen und sorgt dafür, dass die Kinder nicht mehr draußen spielen." Die beiden nicken und machen sich dann auf den Weg in unterschiedliche Richtungen.
Logan steht auf und verlässt das Wohnzimmer. Natürlich stehe ich ebenfalls auf und renne ihm hinterher. Ich will Antworten.
"Logan, warte!" Er geht die Treppe nach oben, bis in die Etage, in der auch unser Schlafzimmer liegt und verschwindet dann in seinem Arbeitszimmer, jedoch lässt er die Tür offen. Er weiß also ganz genau, dass ich ihm hinterher renne. Seufzend bleibt er vor dem Fenster stehen und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. In dem Moment sieht er so verzweifelt aus, als hätte er keine Ahnung, wie es nun weiter gehen soll.
Nach einigen Minuten des Schweigens dreht er sich schließlich zu mir. In seinem Blick liegt etwas entschlossenes.
"Komm her", er winkt mich zu sich und setzt sich auf den großen schwarzen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Als ich bei ihm bin, will ich mich eigentlich auf den Tisch setzen, aber er zieht mich direkt auf seinen Schoß.
Er betrachtet mich lange, weiß anscheinend nicht, wo er anfangen soll. Also nehme ich ihm die Entscheidung ab.
"Was meinte Jason mit 'sie wurden von Jägern angegriffen'?", ich sehe ihn fragend an und lege meine beiden Hände beruhigend auf seine Schultern.
"Hast du schon mal etwas von den Jägern gehört?", stellt er mir eine Gegenfrage.
"Naja, nur in den Erzählungen meiner Mutter." Er nickt.
"Als wir Werwölfe lernten uns anzupassen und zu verstecken, wurde es für die Jäger immer schwieriger uns zu fangen und zu töten. Doch nachdem ein Wolf einem Jäger im Kampf das Leben rettete, änderten die Jäger ihren Codex. Sie haben erkannt, dass wir, wie sie auch, Familie haben und ähnlich wie die Menschen leben. Also beschlossen sie, uns in Ruhe zu lassen, insofern wir keinem Menschen Schaden zufügen."
"Aber wieso greifen sie uns jetzt wieder an?", ich sehe ihn verständnislos an. Wenn zwischen Werwölfen und Jägern eine Art Frieden geherrscht hat, wieso bekämpfen sie uns dann wieder?
"Nunja, es gibt immer wieder ein paar Sonderfälle", er bedenkt mich mit einem vielsagenden Blick und langsam beginne ich zu verstehen. "Es gibt, beziehungsweise gab, immer wieder Werwölfe, die sich aus verschiedenen Gründen nicht kontrollieren konnten. Es kam zu Eskalationen und die Werwölfe haben somit die Aufmerksamkeit der Menschen erhalten. Entweder haben sie sich einfach nur zu erkennen gegeben oder es wurden Menschen durch sie verletzt und sogar getötet. Das hat wieder rum die Jäger angelockt.Solche gefährlichen Wölfe darf es nach ihrer Weltanschauung nicht geben und so haben sie sie gefangen genommen und umgebracht."
"Und wieso greifen sie Alpha Luces Rudel an?"
"Das will ich ja herausfinden. Aber wie es scheint, gibt es immer mehr Jäger, die mit diesem Codex nicht mehr einverstanden sind. Sie wollen ihrem Namen wieder alle Ehre machen und beginnen uns wie vor ein paar hundert Jahren zu jagen."
Ich halte etwas erschrocken die Luft an. Sie jagen uns also grundlos. Sie treten in die Fußstapfen ihrer Vorväter und beenden, was diese begonnen haben. Unsere Ausrottung.
"Aber...woher kennst du Alpha Luce eigentlich?" Ich dachte, hier in der Nähe lebt kein weiteres Rudel.
"Er lebt außerhalb der Stadt mit seinem Rudel, ähnlich wie wir", er scheint meinen Gedankengang erraten zu haben. "Ich habe ihm einen Besuch abgestattet, als du in der Schule warst. Es ist besser ein anderes Rudel als Freund, statt als Feind zu haben und wir sind die einzigen beiden Rudel hier in der Gegend. Im schlimmsten Fall, wie einen Angriff, wären wir auf uns allein gestellt, aber Luce scheint ein sehr ehrenhafter Alpha zu sein."
Ich nicke. Durch mein Vater bin ich an diese ganzen Freundschafften zwischen Rudeln gewöhnt.
Mit den Fingern hebt er mein Kinn an, streicht zärtlich mit der Hand meine Konturen nach und fährt dann durch mein Haar.
"Mach dir keine Sorgen. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert", er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
Unsere Zweisamkeit wird unterbrochen, als es an der Tür klopft. Einer der Männer von vorhin kommt herein und informiert Logan darüber, dass Alpha Luce unten warten würde.
Also stehen wir auf und begeben uns nach unten.. Im Wohnzimmer stehen zwei fremde Männer und eine Frau.
Sofort spüre ich die Autorität, die der große Mann mit den schulterlangen blond braunen Haaren ausstrahlt. Er hat graue Augen und ein sehr kantiges Gesicht. Das ist dann wohl der Alpha. Einen Arm hat er um die viel kleinere wunderschöne Frau geschlungen. Sie ist sehr zierlich, strahlt aber eine unglaubliche Wärme aus, so als könnte sie alleine durch ein Lächeln die Welt zu einem besseren Ort machen. Sie ist bestimmt die perfekte Luna..
Der andere mir unbekannte Mann scheint dann wohl der Beta zu sein. Als ich ihn betrachte und unsere Blicke sich treffen, sehe ich schnell wieder weg. Sein stechender Blick jagt einen Schauer über meinen Rücken. Er ist mir eindeutig unheimlich.
Während ich die ganze Situation in mich aufgenommen habe, müssen die Männer wohl beschlossen haben, die Geschehnisse in einem etwas privateren Raum zu besprechen. Natürlich will Logan nicht, dass ich dabei bin. Erstens, weil er mich immer noch etwas zu jung für den vollen Posten einer Luna hält und zweitens, weil er sich vermutlich zu viele Sorgen um mich macht.
Die Frau macht kurzzeitig Anstalten den Herren zu folgen, entscheidet sich aber um, als sie sieht, dass ich mich auf die Couch setze. Mit einem Lächeln setzt sie sich neben mich.
Wir unterhalten uns nicht, sitzen einfach nur in unsere Gedanken vertieft da.
Als ich sie näher betrachte, fällt mir die Besorgnis in ihren Augen auf. Vermutlich macht sie sich große Sorgen um ihr Rudel. Verständlich und zu wissen, dass man nichts gegen die Bedrohung tun kann, muss die Sache noch schlimmer machen. Denn sie kann das Rudel nur trösten und ihm Beistehen, aber ihnen nicht versprechen, dass es bald aufhört und sie beschützen.
Meine Mutter meinte immer, dass eine gute Luna immer für das Rudel da ist, aber die Last, die sie manchmal zu tragen hat, kann nur eine andere Luna verstehen.
Einem inneren Impuls folgend, lege ich ihr einen Arm um die Schulter und ziehe sie an mich. Sie atmet tief durch und vergräbt den Kopf an meiner Schulter.
Auch wenn ich diese Frau kein bisschen kenne, kann ich sie auf irgendeine verrückte Art und Weise verstehen und will ihr Trost spenden. Das scheint auch ziemlich gut zu klappen und genau das zu sein, was sie in diesem Moment braucht.
So sitzen wir den ganzen Nachmittag einfach nur da. Zwei Lunas, die sich gegenseitig Trost spenden.

Alpha's MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt