Am nächsten Morgen hatte ich das ungeheure Glück, genau dann beim Haus der Horans anzukommen, als Niall gerade mit Kopfhörern auf den Ohren die Eingangsstufen herunterkam und in Richtung Wald davonjoggte. Ich runzelte die Stirn und begann, ihm in sicherem Abstand zu folgen. Was zur Hölle wollte er da? Dort war es nicht sicher, weder für ihn noch für einen anderen Menschen. Da dies der einzige Wald in der Umgebung war, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass irgendjemand unserer Art gerade darin auf der Jagd war – man musste ja nicht immer Menschenblut ... naja, okay. Ich hör lieber auf mit den Einzelheiten.
Wenn das, was mein Vater gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, war Niall ohnehin erst vor ein paar Tagen hiergewesen, hatte sich einen gewaltigen Schrecken einjagen lassen und war dann wieder verschwunden. Ich konnte nur hoffen, dass es diesmal genauso ablaufen würde.
Meine Sorge schien unbegründet zu bleiben, denn offenbar hatte er nicht vor, hineinzugehen, sondern joggte auf dem Feldweg weiter, der am Waldrand entlang verlief.
Was tat ich hier eigentlich? Ich spionierte ihm hinterher, obwohl ich meinen Auftrag ja schon fast aufgegeben hatte. Vielleicht machte es mir einfach Freude, Niall bei allem, was er tat, zu beobachten. Schnell schüttelte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. So ein hirnrissiger Quatsch! Niall war ein normaler Mensch, wie die anderen auch, also interessierte ich mich für ihn auch genau so wenig wie für die anderen.
Falsch.
Seufzend gab ich es auf, irgendwelche Rechtfertigungen zu erfinden – und hätte mich beinahe in den Straßengraben geworfen, als ich bemerkte, dass Niall nun stehengeblieben war und sich mit dem Rücken zu mir ins Gras fallen ließ. Erleichtert atmete ich aus und schlängelte mich hinter meinem Versteck namens Baum hervor, um einen seiner weiter vorne stehenden Kollegen als Deckung zu nehmen.
Von dort aus beobachtete ich eine Weile, wie Niall reglos im Gras lag und dem Himmel entgegenblickte, von dem nun das Grau allmählich aufzureißen und die Sonnenstrahlen durchzulassen schien. Unschlüssig kratzte ich an der Rinde des Baums herum. Sollte ich noch länger wie ein Stalker unnötig hierstehen und blöd schauen? Nach einigem Hin und Her zwischen Gehirn und Bauchgefühl gab ich mir letztendlich einen Ruck, verließ mein „Versteck" und ging langsam quer über den Weg auf Niall zu. Im Licht der vereinzelten Sonnenstrahlen leuchtete sein Haar wie Gold. Ich kam nicht umhin, ihn lächelnd zu betrachten, bis er wohl spürte, dass er unter Beobachtung stand, denn im nächsten Moment stemmte er sich auf die Ellbogen und wandte sich um. Kaum hatte er mich entdeckt, fuhr er wie vom Blitz getroffen herum, während er mit einer Hand nach dem Handy in seiner Hosentasche tastete. „Was willst du hier?"
Wieder schlich sich ein Grinsen auf meine Lippen, das ich mir verärgert verkniff, und mich bemühte, meinen gewöhnlichen, gleichgültigen Gesichtsausdruck aufzusetzen.
Bin ich wirklich so ein Arschloch?
Anscheinend.
Schnell schob ich den Anfall von Selbsthass beiseite. Jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für diesen Schrott.
„Das hier ist ein öffentlicher Ort, wieso sollte ich nicht hier sein?"
Niall legte den Kopf schief, während er festzustellen versuchte, ob er nun die Flucht ergreifen oder sich mit mir unterhalten sollte. „Du folgst mir doch sowieso schon die ganze Zeit."
Ich hob eine Augenbraue, um mein Erstaunen zu verbergen. „Woher willst du das wissen."
Seine blauen Augen waren unergründlich. „Ich kenne dich."
„Tust du nicht."
„Gut genug, um zu wissen, dass du mir buchstäblich an den Hacken klebst." Aus irgendeinem Grund klang seine Stimme bei dieser Aussage leicht amüsiert, was nur noch zu meiner Verblüffung beitrug. „Ich habe zwar keine Ahnung, was dich dazu bewegt, mich von A bis Z zu verfolgen, aber es ist ziemlich verstörend."
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Vampire (Ziall)
FanfictionNach einer nächtlichen Begegnung im Wald schwört Yaser Malik, der Anführer der Vampire, den Vampirjägern Maura und Bobby Horan bittere Rache - und will dafür ausgerechnet ihren Sohn Niall als Mittel zum Zweck benutzen. Auch vierzehn Jahre später hat...