Kapitel 29

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Als wir bei besagtem Gefängnistrakt angelangt waren – er befand sich am westlichen Rand der Stadt inmitten von Fabriken und alten Großbauten. Nie hätte ich gedacht, dass meine Eltern eine so mächtige Organisation unter ihrer Leitung haben könnten. Ich wusste eben fast gar nichts über meine Familie ... oder mich selbst.

Dad stellte den Wagen versteckt hinter einem anderen anliegenden Gebäude ab, bevor er und Mum sich aus Sitzen wühlten und allerhand Waffenzeug einsteckten.

„Du bleibst hier, verstanden?", befahl er mir in scharfem Ton.

„Ach, hier bin ich also sicherer als zu Hause?", gab ich schnippisch zurück und reckte mich, um leichte Rauchschwaden zusehen, die aus den Fenstern des Vampirgefängnisses austraten, oder wie auch immer man einen solchen Komplex nannte. In einer heilen Welt dürften eigentlich weder Vampire noch Jäger existieren ...

„Niall, jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für Späßchen!", fauchte er, dann schlug er nachdrücklich die Tür zu. Im Rückspiegel beobachtete ich, wie die beiden mit gezückten Messern Seite an Seite über die breite Straße auf das Gebäude zurannten. Ich sollte hierbleiben? Das hätte er wohl gerne!

Wütend zerrte ich am Türgriff, aber natürlich hatte Dad sorgfältig abgesperrt.

Ein paar laute, aufeinanderfolgende Geräusche ließen mich zusammenzucken – Schüsse – und Geschrei wurde laut.

Zayn war da drin.

Fieberhaft begann ich mit zitternden Fingern die Fächer des Autor zu durchsuchen, ob vielleicht irgendwo ein Ersatzschlüssel deponiert war. Es war meinen Eltern durchaus zuzutrauen, dass sie immer einen mit sich herumschleppten. Fluchend kletterte ich nach vorne auf den Fahrersitz und schaute sogar unter der Fußmatte nach, doch trotz aller Mühen wollte ich einfach keinen Erfolg haben.

Nach einigen weiteren Minuten wäre ich schon bereit gewesen, mit einem Regenschirm das Fenster einzuschlagen, doch als ich durch Zufall mit dem Ellbogen gegen den hochgeklappten Sonnenschutz stieß und mir etwas Schwarzes entgegenfiel, beschleunigte sich mein Herzschlag vor Aufregung ins Unermessliche.

Der Schlüssel. Sie hatten ihn allen Ernstes mit Klebeband an der Kante des Sonnenschutzes befestigt.

Ich stöhnte auf, schnappte mir den heiß ersehnten Gegenstand und betätigte sogleich den Entriegelungs-Knopf. Die Schlösser gaben das gewohnte, surrende Geräusch von sich, bevor ich die Tür zu meiner Seite aufreißen und mich hinausstürzen konnte. Nachdem ich mich erst mal verwirrt um die eigene Achse gedreht hatte, überbrückte ich im Laufschritt die Straße, doch bevor ich die gewaltige, metallene Eingangstür erreicht hatte, ertönte hinter mir schon eine grimmig klingende Stimme.

„Hey!"

Im Reflex fuhr ich herum und hätte beinahe einen Sprung auf den Mond vollführt, als ich einen bulligen, dunkelhaarigen Mann auf mich zumarschieren sah, der große Ähnlichkeit hatte mit ... Zayn. Äußerlich zumindest. Vom Charakter her vermutlich nicht viele, denn kaum hatte er mich erkannt, flammten seine Augen in einem bedrohlichen Rot auf und seine Reißzähne traten zwischen seinen Lippen hervor. „Na, wenn das nicht der kleine Horan ist."

Langsam, darauf bedacht, keine plötzliche Bewegung zu machen, die ihn vielleicht dazu gebracht hätte, sich sofort auf mich zu stürzen, tastete ich mich rückwärts, bis ich mit dem Rücken an das kalte Metall der Tür stieß.

Er machte keine Anstalten eines Angriffs. „Lange nicht gesehen, nicht wahr? Dürfte ..." Er überlegte kurz. „Fast fünfzehn Jahre her sein, wenn ich mich nicht täusche. Kannst du dich noch an unsere entzückende Begegnung erinnern?"

Vampire (Ziall)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt