Kapitel 32

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NIALL

Als der Schleier vor meinen Augen sich langsam lichtete, das Gefühl des Wohlseins und der Schwerelosigkeit langsam verschwand, und ich es ebenso langsam schaffte, meinen Kopf so zu drehen, dass ich nicht mit meiner Nase an die Wand stieß, realisierte ich, dass ich mit der rechten Schulter an eben dieser lehnte.

Was war passiert?

Mein Blick fiel auf Zayn, der neben mir mit dem Gesicht nach oben auf dem Boden lag  und mit einer Hand meine eigene fest umklammert hielt. "Zayn?" Ich unterbrach den Kontakt zur Wand, um ihm sanft auf die Wange zu klopfen. "Zayn, bist du okay?"

Seine Augenlider flatterten, als er langsam zu sich kam und sich mit einem leisen Grummeln aufsetzte. Dann sah er mich, und im nächsten Moment war er aufgesprungen und hatte sich buchstäblich auf mich gestürzt, um meinen Kopf in beide Hände zu nehmen und mich besorgt zu mustern. "Geht es dir gut? Tut dir was weh?" Ein nicht unbedingt jugendfreier Fluch verließ seinen Mund. "Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich getan habe." Er schien mit sich selbst zu sprechen. "Wie konnte ich nur? Das war vollkommen unverantwortlich! Niemals hätte etwas derartiges passieren dürfen, niemals! Ich ..."

"Zayn!", unterbrach ich ihn verärgert, erleichtert über die Tatsache, dass ich mich nun endlich wieder vollständig an die Geschehenisse vor meinem Blackout erinnern konnte. "Hör auf, dich selbst zu verurteilen, ich hab ich gewissermaßen ja schon fast dazu gewzungen, es zu tun! Und ... ich bereue es nicht."

Gedankenverloren legte die Hand auf die Stelle, an der ich die nun wieder verschlossenen zwei kreisrunden Wunden spürte, die Zayns Zähne an meinem Nacken hinterlassen hatten, um ihn dann wieder anzusehen.

Obwohl die Verzweiflung und die Schuldgefühle in seinem Blick Bände sprachen, spürte ich auch etwas anderes als die Erleichterung, ihm geholfen zu haben, und gleichermaßen den leichten Ärger darüber, dass er es so zu bereuen schien. Es war ein ganz neues Gefühl, das ich noch nie auf diese Weise wahrgenommen hatte. "Zayn?"

"Was?" Sein Gesichtsausdruck machte noch immer deutlich, dass er sich am liebsten die Haare gerauft hätte - die beschissene Situation des ohne Ausweg Eingesperrtseins hatten wir beide komplett in den Hintergrund gedrängt.

"Fühlst du das auch?"

Ich musste keine weiteren Erklärungen abgeben, die ohnehin verwirrend und in einem perfekten Chaos aus mir herausgekommen wären, denn Zayn nickte schon, bevor ich fortfahren konnte. "Ich fühle es auch, Niall. Und genau das macht mir Angst."

Ich kam nicht umhin, daran zu denken, wie verletzend diese Worte waren. Gerade eben (oder wie lange auch immer dieser Biss nun schon her war) hatten wir uns gegenseitig unsere Liebe gestanden, nun waren wir Gefährten - und jetzt in diesem Augenblick schien es für Zayn nichts Schlimmeres auf der ganzen Welt zu geben als diese Tatsache.

Zayn deutete mein Schweigen richtig, denn er seufzte und zog mich ohne Umschweife in eine Umarmung. "Niall, ich kann dir gar nicht sagen, wie lange ich mir schon gewünscht hatte, dass du eines Tages zu mir gehörst. Dass ich dich eines Tages als meinen Gefährten bezeichnen kann. Aber ich bin mir nicht sicher, ob du das auch wirklich willst. Das ..."

"Natürlich!", fuhr ich ihm aufgebracht über den Mund. "Das habe ich dir zigmal gesagt! Wieso kannst du mir nicht einfach glauben?" Ich holte tief Luft, verdrängte den Anflug von Zorn und legte stattdessen den Kopf auf seine Schulter. "Seit diesem Moment am Wald habe ich mich zu dir hingezogen gefühlt - also schon ziemlich lange, wenn du das mal nachrechnest. Ich genieße das Gefühl der Verbundenheit. Das ist bis jetzt das schönste Erlebnis in meinem ganzen Leben."

Ich spürte, wie Zayn einen Schwall Luft ausstieß und mich näher an sich heranzog. "Und deine Eltern? Sie sind Vampirjäger, Niall. Sie wollen und werden mich töten, falls wir hier rauskommen sollten. Und was glaubst du, was sie mit dir machen, wenn sie herausbekommen, zu was oder wem du geworden bist, beziehungsweise zu was oder wem ICH dich gemacht habe? Noch ein Grund mehr für sie, mich umzubringen! Und was mit meinem Gefährten passiert, wenn ich sterbe....das will ich lieber gar nicht erst herausfinden!"

"Ich will gar nicht zurück zu meinen Eltern", ließ ich verlauten. So hart es klingen mochte, aber es war so. Jahrelang hatten sie mich angelogen, mein Vater hatte widerspruchslos deutlich gemacht, dass er mich als Zayns Gefährte hassen würde, meine Ansichtsweisen waren wertlos für sie. Ich wüsste nicht, was ich noch groß mit ihnen zu besprechen gehabt hätte. "Lass uns woanders hingehen. Mit Harry und Louis. Dort, wo ich studiere, wäre ein guter Ort. Zayn, unsere beiden Väter hassen uns. Meine Mum lässt sich einfach immer von ihm mitreißen. Was hält uns noch hier?"

Zayn hatte die ganze Zeit die Lippen aufeinandergepresst, doch jetzt stieß er hervor: "Erst einmal müssen wir hier raus. Und das Schlimme dabei ist, dass wir nur auf Hilfe hoffen können. Aus eigener Kraft haben wir keine Chance.

Wie aufs Stichwort wurde unsere Konversation von einem Krachen und Schieben unterbrochen. Einzelne Steine lösten sich aus der aufgeschütteten Wand und rollten uns vor die Füße.

Ich wäre vermutlich noch stundenlang genau hier gestanden und hätte dumm gestarrt, wenn Zayn mich nicht mit einem Warnruf weggezogen hätte - keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment dröhnte ein Wahnsinnsknall durch die Zelle, kleine Gesteinssplitter flogen uns um die Ohren wir wurden von einer kleinen Druckwelle gegen die Wand geworfen, als große Wandbrocken und Reste von Fliesen und Stufen durch das nun entstandene Loch in dem Schutthaufen hereinrollten.

Obwohl meine Ohren piepsend protestierten, hörte ich einen Jubelschrei von der anderen Seite des Lochs herüberhallen.

Zayn schien der ganze ohrenbetäubende Lärm überhaupt nichts ausgemacht zu haben (Vampir eben), denn er fasste mich am Arm und zog mich auf den Ausgang zu, der uns eben eröffnet worden war. Meine Auffassungsgabe war im Augenblick zu gering, als dass ich die größeren Zusammenhänge begriffen hätte, die mit unserer Rettung zu tun hatten, aber als ich Louis und Harry erkannte, die sich vor einer kleineren Gruppe anderer Leute aufgebaut hatten, wusste ich, dass es in dieser Sekunde nicht viel gab, worüber ich mir Gedanken hätte machen müssen.

Am liebsten hätte ich meinen besten Freund in die Arme genommen, ihn fest an mich gedrückt und mich einfach nur gefreut, dass ihm nichts fehlte, doch es war anscheinend keine Zeit für eine rührende Wiedervereinigungsszene, denn im nächsten Moment wurden Zayn und ich in eine Richtung davonbugsiert.

"Wir müssen hier raus, bevor das gesamte Gebäude einstürzt!", war das Einzige, was uns als Erklärung geboten wurde, bevor alle Hals über Kopf zu laufen begannen.


Vampire (Ziall)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt