"Ace!", schreit die Frau panisch und rennt noch schneller. Sie kommt geradeso vor mir zum Stehen und fällt auf die Knie, während ich einfach nur perplex darstehe. Der Typ, von dem ich nicht weiß, ob er mich gerettet oder entführt hat, hat gerade direkt neben mir das Bewusstsein verloren. Sind das nicht tolle Vorraussetzungen um herauszufinden, wer er ist und was zur Hölle er mit mir vorhat?
Keuchend kommt jetzt auch der Begleiter der Frau bei uns an. "Was zur Hölle....?, schnauft er atemlos. "Er lebt.", murmelt die Frau, "Sein Herz rast zwar, als würde es gleich explodieren, aber er lebt." Mit zitternden Händen zieht sie seinen Oberkörper nach oben, so dass er an sie gelehnt sitzt, trotz Bewusstlosigkeit. "Was hat er sich bloß dabei gedacht?"
Mit großen Augen starrt der Mann sie an. "Meinst du wirklich, er hat...?", ein bedeutungsschwangerer Blick wird in definitiv meine Richtung abgefeuert. Super. "Was!?", ich begegne ihren leicht vorwurfsvollen Blicken mit Missmut. "Wer sind Sie überhaupt? Und was zur Hölle soll ich hier? Was war das für eine Kreatur und wer ist Er?", mit einem Kopfnicken zeige ich auf den erschlafften Körper meines eben noch so standhaft mies gelaunten Begleiters.
Die Frau rappelt sich nun endlich auf, legt den Typ sanft auf dem Boden ab und sieht mir fest in die Augen. "Mein Name ist Alecia Benett. Und ich glaube, wir sollten uns unterhalten. Folge mir bitte, Hope Evanston." Perplex und nun vollends verwirrt starre ich ihr hinterher, bis ich mich endlich in Bewegung setze. Woher bitteschön kennt diese Frau meinen Namen!?
Widerwillig folge ich ihr, tiefer in den Wald hinein. Das Licht, das es vermag durch die Kronen bis zu uns zu kommen, ist spärlich und ich sehe grundsätzlich nur sehr selten, wo ich meinen Fuß hinsetze. Mehr als nur einmal schwanke ich und kann mein Gleichgewicht nur geradeso noch halten. Aber ich werde mir nicht die Blöße geben und hinfallen, während Alecia Benett wie schwerelos über die Wurzeln hüpft.
Nach einer kleinen Ewigkeit, in welcher Sekunden zu Minuten werden, lichtet sich der Wald und kurz darauf stehen wir im vollen Sonnenlicht. Das allein macht mich schon stutzig. Es können doch keine Stunden vergangen sein, seit wir in dieser Gasse waren!? Aber das, was sich dann vor meinen Augen auftut, das ist einfach nur überwältigend. Staunend, gefesselt an diesen strahlenden Anblick, stehe ich da, sprachlos. Es ist einfach unglaublich, dass etwas so perfektes wirklich existiert und sich jetzt direkt vor mir befindet.
Eine riesige Burg, gebaut aus hellem Gestein, mitten im Wald.
Aber eigentlich ist es nicht das an sich, was mich so fasziniert. Es ist die... Aura, das Gefühl dort zu sein, wo ich schon immer hätte sein sollen, welches von jedem einzelnen Stein reflektiert zu werden scheint.
"Was ist das hier alles?", flüstere ich sprachlos, "Wo bin ich?" "Das hier ist dein Zuhause." Verwirrt zwinge ich mich, die Augen von dem prachtvollen Anblick loszureißen und wieder Alecia Benett anzuschauen, die mir ein mattes Lächeln entgegenbringt. "Mein... Zuhause?"
Gut. Wäre ich eine stinknormale Person mit leiblichen Eltern, hätte ich sie jetzt als Lügnerin abgestempelt. Aber die letzten Stunden ergeben so oder so schon viel zu wenig Sinn, mein Budget, nicht an das zu glauben, was man mir erzählt, was ich sehe, ist erschöpft. Mir bleibt gar nichts anderes mehr übrig, als ihr zu glauben. Zumindest so halb. Ganz überzeugt bin ich nicht.
"Dein echtes Zuhause.", sie schüttelt den Kopf und lächelt schon wieder, "Oxford war eigentlich nie dazu bestimmt, für dich so etwas wie ein Zuhause zu werden. Aber du hast uns mehr als nur einmal überrascht. Also ist es keine Überraschung, dass du dich dort heimisch fühlst."
Sie grinst. Und zwar ist das kein "Ich-werde-jetzt-Spaß-haben-komme-was-wolle"- Grinsen, sondern ein "Es-kann-eben-nicht-jeder-so-intelligent-sein-wie-ich"- Grinsen. Und mein wenig einfallsreiches "Hä?" bringt mir auch nicht mehr Punkte auf der Anerkennungs-Skala. Aber gut. So ist das Leben.
"Hast du es nie gefühlt?", ich fühle mich unter ihrem durchdringenden Blick nicht wohl, nein, aber ich bin auch zu stolz, um wegzuschauen, "Hat dein Herz niemals protestiert, wenn du Oxford dein Zuhause nanntest? Wenn Abigail Dich Ihre Tochter nannte? Wenn dich Sebastian beschützte wie ein wahrer Bruder es tun würde?" Tränen treten mir in die Augen. Sie zieht gerade an Narben, die noch nichtvollständig verheilt sind. Und das tut weh.
"Er ist mein Bruder! Genauso wie Flor und Meg meine Schwestern und meine Eltern meine Eltern sind!", presse ich hervor während ich mich krampfhaft bemühe, nicht zu weinen, "Also wagen Sie es nicht, diese Menschen schlecht zu machen! Sie sind die einzigen, die sich jemals um mich gekümmert haben! Ich bin ein Teil von ihnen, ohne sie kann ich nicht leben!" "Das ist nicht wahr. Und es wird auch niemals wahr sein.", mit plötzlich sehr autoritärer und ernster Stimme kommt Alecia Benett auf mich zu. Sie packt mich am Arm und sieht mir fest in die Augen, während ihre Worte mir einen Schauer über den Rücken jagen:
"Du, Hope Evanston, gehörst hier her. Dies war schon immer dein Zuhause. Dein Blut will es so. Dein Herz will es so. Denn hier wartet deine Bestimmung auf dich. Du warst es schon immer und du wirst es auch immer sein. Du bist eine Seelenhüterin, Hope Evanston. Und tief in dir hast du dies schon immer gewusst."
I'm back.
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Hope II Seelenhüter
FantasyII Das Leben des zwei Wochen alten, namenlosen Mädchens hatte gerade erst begonnen und war schon fast wieder vorbei. Aber nur fast. Denn Abigail und Henry gaben ihr Hoffnung. Hope. Heute ist sie sechzehn Jahre alt und hat drei Geschwister sowie Elt...