Hope I 14 I

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"Äh... Hallo?", das ganze hier überfordert mich ein wenig zu sehr, als dass ich noch logische, zusammenhängende Sätze hervorbringen könnte. "Ich bin... Hope..." Jetzt habe ich wohl einen äußerst amüsanten Scherz gemacht. Oder die drei lachen mich aus. Könnte rein theoretisch natürlich auch sein.

"Das wissen wir doch schon längst, Hope. Du hast schließlich ganz schön lange auf dich warten lassen. Dein Name ist schon vor Tagen erschienen.", grinsend mustert mich James, als hätte ich wirklich einen Scherz gemacht. Aber nein, ich verstehe mal wieder überhaupt nichts. Rein gar nichts.

«Erschienen? Mein Name?» «Ja, so wie der von allen anderen Getroffenen auch.» «Wer bitte sind die Getroffenen?», jetzt starren sie mich alle drei ziemlich perplex an. «Äh, Hope?», Dávid mustert mich, «Jeder in diesem Raum, der nicht so ein goldenes  Tattoo wie wir am Hals hat ist ein Getroffener.» «Also nur ich? Ich verstehe ehrlich gesagt nicht so wirklich, was hier gerade passiert.» «Moment mal», Klara tritt mit großen Augen vor mich, «Wer befindet sich deiner Meinung nach in diesem Raum?» «Na, ihr drei und ich. Ansonsten herrscht hier gähnende Leere.»

Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass sie etwas ganz anderes hören wollten. Ihre Gesichter, die von vollkommener Fassungslosigkeit sprechen, tragen wahrscheinlich auch zu dieser Erkenntnis bei. Prima. Sie sehen wirklich aus, als wären sie aus allen Wolken gefallen.

"Du siehst wirklich niemanden außer uns?", hakt James noch einmal nach, mustert mich mit stechendem Blick. Ich nicke verwirrt, die Situation ist irgendwie total komisch.  Und dass meine drei Gefährten jetzt tuschelnd die Köpfe zusammenstecken und mich immer wieder mit hochgezogenen Augenbrauen mustern, gefällt mir auch nicht wirklich. Doch plötzlich verliert das alles an Bedeutung.

Von einem Augenblick auf den anderen spüre ich einen stechenden Schmerz im Nacken, mit einem Mal rückt alles andere in den Hintergrund, nur dieses eine Gefühl, das sich schlagartig in mir ausbreitet, erstrahlt immer heller.

Sehnsucht.

Der Schmerz wird immer heftiger, je mehr Sekunden vergehen. Instinktiv lege ich meine Hand auf diese eine Stelle, die glühend heiß ist, aber es bringt nichts. Die Qual weitet sich immer mehr aus, sie zieht sich über meine Schultern und meinen Rücken, wie die Ranken einer Pflanze. Und irgendwann halte ich es nicht mehr aus, ich drehe und winde mich, alles verschwimmt zu grauen Schlieren.

Und dann ist es vorbei. Denn da ist er. Schwer atmend stehe ich mitten in dieser großen Halle, mir gegenüber der Mann, mit dem alles angefangen hat. Genauso attraktiv wie ich ihn in Erinnerung hatte, daran ändern auch seine Augenringe und die komplett durcheinander gebrachten Haare nichts. Die Sehnsucht ist wie weggefegt, an ihre Stelle tritt beißendes Verlangen. Ich will ihn. Ich verzehre mich nach ihm. Ich brauche ihn.

In meinen Ohren rauscht es, wie hypnotisiert gehe ich einen Schritt nach dem anderen nach vorne, immer weiter, immer näher an ihn heran. Fast habe ich ihn erreicht, mein Herz schlägt immer schneller, da fällt mir zum ersten Mal auf, wie er mich mustert. Verwirrt. Fassungslos.

Und dann höre ich jemanden nach mir rufen. Aber es ist nicht er. Nein. Er sieht mich immer nur weiter an. Doch das Rufen hört nicht auf. Und dann werde ich mit einem Ruck zurück in die Realität befördert. Dávid hat mich von hinten gepackt und schüttelt mich durch, was sich nicht sonderlich positiv auf meine so oder so schon zitternden Beine auswirkt. Ich sacke in seinen Armen einfach zusammen und er kann mich gerade so noch auffangen.

Allerdings wünsche ich mir fast schon, er hätte es nicht geschafft. Denn dann wäre mir die Peinlichkeit, am Boden zu liegen während meine Begleiter noch geschockter als vorher auf mich herab schauen, eventuell erspart geblieben.

«Was....» «Wenn du mich jetzt fragen willst, was zur Hölle das gerade war, dann spar dir die Luft. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung.», erschöpft schließe ich meine Augen, Klara klappt wortlos ihren Mund zu. «Dann lass mich die Frage anders stellen: Wer zur Hölle war das?» «Ihr meint den überirdisch gut aussehenden Typen der meinen Arsch gerettet hat? Ich habe keine Ahnung. Wir haben ganz genau zwei Worte miteinander gewechselt. Dann hat er das Bewusstsein verloren.» Die Erinnerung an ihn ist leuchtend hell. Ich erinnere mich an jedes einzelne Detail, als würde es in genau diesem Moment passieren. Auch wenn es nicht passiert.

Denn das, was gerade passiert, ist, dass Dávid hysterisch anfängt zu kichern. Er lacht und lacht, was sich eher verzweifelt als belustigt anhört. Während sein Körper immer noch in unregelmäßigen Abständen geschüttelt wird steht er auf und zieht auch mich mit hoch. Prustend stößt er hervor: «Wir sollten wahrscheinlich mit Alecia und Camden reden. Aber ich bezweifle, dass es uns in der nächsten Zeit auch nur eine Sekunde lang langweilig werden wird.»

Endlich. Endlich bin nicht mehr diejenige, die angestarrt wird, sondern Dávid. Ich glaube, ich mag ihn. Ob Klara und James das gerade auch so sehen, wage ich zu bezweifeln. «Äh.... Dávid? Was zur Hölle weißt du, was ich nicht weiß?» «Gar nichts. Ich kann nur gut kombinieren.» Verständnislos sieht sie ihn an: «Und ich nicht, oder wie ist das jetzt gemeint?» «Ich glaube, du kannst es sehen, willst es aber nicht.» «Und wieso sollte ich es nicht wollen, wenn ich mich andererseits ziemlich dämlich finde, wenn ich es nicht weiß?» «Weil jemand mit Prägung und Bindung nie einfach ist.»

Das ist der Moment, in dem ihr die Worte fehlen.

Hope II SeelenhüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt