Hope I 21 I

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Die Wellen schlagen über mir zusammen, reißen mich weg von der Oberfläche, ziehen mich immer und immer weiter nach unten. Doch es ist kein Wasser, welches so plötzlich aufgetaucht ist. Es sind Emotionen. Gefühle. Der Druck auf meinen Kopf wird immer stärker, es fühlt sich an, als würde etwas versuchen, mein Gehirn aus mir herauszuquetschen. Ich kann nicht mehr atmen, kann mich nicht mehr bewegen. Ganz langsam sinke ich tiefer, immer tiefer, immer weiter.

«Hope!», wie durch einen Nebelschleier höre ich Ace, höre, wie er brüllt, jemand solle Hilfe holen. Doch ich schaffe es nicht einmal mehr, ihn anzusehen. Mein Körper verliert in seinen Armen immer weiter an Spannung, mein Kopf fällt nach hinten und mein Blick richtet sich nach oben. Alles ist verschwommen, unklar. Ich schaffe es nicht mehr, irgendetwas zu fokussieren. Irgendwann fallen mir einfach die Augen zu. Ich will schlafen, einfach nur noch einschlafen und nie wieder aufwachen.

Doch dann sind da Bilder. Schwache Erinnerungen. Ich sehe Sebastian, wie er mich als kleines Kind immer getragen hat. Dann, wie er sich als vierzehn Jähriger mit einem Kumpel geprügelt hat. Ich habe mich zwischen sie gestellt, weil ich meinen Bruder nicht leiden sehen konnte. Und so geht es weiter. Immer schneller tauchen die Bilder in meinem Kopf auf, es sind Dutzende, Hunderte.

Und dann ist es vorbei. Ein scharfer Schmerz lässt mich zusammenzucken. Plötzlich bin ich wieder an der Oberfläche, nehme das Stimmengewirr um mich herum immer deutlicher war. Es braucht nur noch eine winzige Bewegung und ich bin wieder da. Ruckartig reiße ich meine Augen auf, schwer atmend liege ich auf Ace' Schoß, nur noch gehalten von seinen Händen, die mich fest umklammern. In meinem Kopf sitzt ein so heftiger Schmerz, dass es mir Tränen in die Augen treibt.

«Hope», vorsichtig streicht Ace mit einem Daumen über meine Wange, wo sich die Haut merkwürdig geschwollen anfühlt. Plötzlich sehe ich ein Bild vor meinen Augen. Ich, wie ich reglos daliege und immer blasser werde und dann Ace, wie er mir eine Backpfeife verpasst. Schwach ziehe ich eine Augenbraue hoch, mustere ihn erschöpft. «Das kriegst du zurück.»

Erleichtert, vielleicht auch ein wenig hysterisch, lacht er auf, seine Finger zittern. «Sag das nächste Mal, wenn du vorhast, das Bewusstsein zu verlieren, bitte vorher Bescheid, ja?» «Klar.», murmele ich, «Wenn ich bis dahin Gefühle sehen kann, gerne.» Scharf zieht er die Luft ein. «Das waren Gefühle?» «Ja...», meine Stimme wackelt, ich bin verunsichert. «Wie viel hast du von dem ganzen überhaupt mitbekommen?» «Erst habe ich gespürt, wie du zusammengezuckt bist. Und ab dann waren deine Gedanken ein einziges Chaos, bis du irgendwann nur noch daran gedacht hast, dass du keine Luft mehr bekommst. Es war komisch. Es hat sich angefühlt, als würdest du versuchen, auf fünfzig unterschiedliche Fernseher gleichzeitig zu schauen.»

So in etwas. «Ich habe plötzlich das Gefühl gehabt, dass wir gegen eine Wand gefahren sind. Und dann war es, als würde ich ertrinken. Ich hatte so viele unterschiedliche Gefühle in mir, dass mein Körper sich angefühlt hat, als würde er zerquetscht werden....», verwirrt kneife ich die Augen zusammen, versuche, mit das Ganze logisch zu erklären. Aber, sollte es eine Erklärung geben, die nicht darauf schließen lässt, dass ich den Verstand verloren habe, so finde ich sie nicht. «Und was jetzt?», seufzend schließe ich meine Augen, «Was sollte das bitte bedeuten? Und was sollen wir jetzt machen?» Zart spüre ich Ace' Fingerspitzen an meiner Schläfe, wie sie ganz sanft über die dünne Haut dort streicheln. «Jetzt», seine Hand wandert immer weiter, bis er sie in meinen Haaren vergaben hat, «Gehen wir in den Garten. Und dann können wir darüber nachgrübeln, wie oft du uns wohl noch überraschen wirst.»

Auch wenn "gehen" vielleicht nicht die beste Umschreibung war, etwa fünf Minuten später sitzen wir tatsächlich in einem kleinen, aber wunderschönen Garten. Ich habe erschöpft meine Augen geschlossen und mich an Ace' Schulter angelehnt, lasse mir so von der Sonne das Gesicht wärmen. Je mehr ich mich entspanne, desto weniger werden die Schmerzen in meinem Kopf und langsam aber sicher fange ich an, wieder mehr von dem wahrzunehmen, was in Ace' Kopf vorgeht. Er hat seine Hände entspannt auf meinen Hüften abgelegt und wirkt äußerlich wie die Ruhe in Person. Doch seine Gedanken überschlagen sich fast, so schnell denkt er. Dass ich einfach so in Ohnmacht gefallen bin, scheint ihn einfach nicht mehr loszulassen. Immer und immer wieder taucht das Bild von mir auf, wie ich immer blasser werde und einfach zu verschwinden scheine.

"Hey", murmele ich, "Was ist los?" "Als du...", er atmet immer flacher und schneller, seine Hände ballt er zu Fäusten, "Als du plötzlich weg warst, da habe ich Bilder gesehen. Von dir und..." "Sebastian?" "Ja... Ich habe ihn erkannt, weil du ihn erkannt hast, aber ich konnte nicht erkennen, warum genau er dir dabei geholfen hat, wieder dein Bewusstsein zu stärken. Auf den Bildern habt ihr ausgesehen, als hättet ihr ein sehr inniges Verhältnis... Und ehrlich gesagt frage ich mich jetzt, ob er mir den Kopf abreißen würde, könnte er mich so mit dir sehen..." "Würde er wahrscheinlich, ja.", sein Gesicht verliert schlagartig an Farbe, "Sein Großer-Bruder-Instinkt war schon immer sehr ausgeprägt.", und wird dann knallrot.

Helau ihr Jecke! Et is widder de närrisch Zit un mir san nur noch am Feiere! Also: Lasst de Sau erus un genießt dis Woch!

Es ist verdammt schwer, Blatt zu schreiben. Aber, ich vertraue darauf, dass ihr mich versteht. Übrigens, falls ihr es noch nicht bemerkt habt, ich bin wieder zurück. Mit einem Kapitel, an welchem ich etwa vier Wochen lang geschrieben habe. Schaut mal bei "An(n)anastisch" vorbei, da gibt's Erklärungen!

Hope II SeelenhüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt