Hope I 20 I

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Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin geschockt, natürlich, schließlich wurde mir gerade eröffnet, dass mein Leben von einem wildfremden Typen abhängt. Aber dann ist da auch dieses Gefühl, dass ich ihn schon seit Ewigkeiten kenne. Ich weiß so viel über ihn, obwohl ich mich nicht einmal zu einhundert Prozent daran erinnern kann, wie er aussieht. Oder habe ich mir nur ausgedacht, dass er, als er fünfzehn Jahre alt war, in die Handtasche seiner Klassenlehrerin gekotzt und sie unwissend hinein gegriffen hat?

«Verdammt nochmal.», sein Fluch reißt mich zurück in die Wirklichkeit. Dávid starrt uns befremdet an. «Warum muss ausgerechnet das die Sache sein, die du als allererstes über mich erfährst?», Ace bewegt sich hinter mir, seine Hand liegt auf meiner Hüfte. Heilige Mutter Gottes.

«Äh, was?», Klara und James gesellen sich zu Dávid, sie sehen nicht minder verwundert aus. «Scheinbar hat Hope's Körper gerade beschlossen, dass sie sich genug erholt hat. Und jetzt versucht ihr Kopf, mich so schlecht darstehen zu lassen, wie möglich.», ich würde fast wetten, dass Ace, Washington, wer auch immer, gerade hinter mir das Gesicht verzieht, «Sie hat sich gerade an die Sache mit Ms Kingsley in der neun erinnert.»

Dávid lacht nicht, nein, er prustet los, als gäbe es kein Morgen mehr. «Ej», Ace fängt an, unruhig mit seinen Fingern auf mir herumzutrommeln, «Das ist nicht lustig.» Doch, ist es. Und es macht keinen Unterschied, ob ich es laut sage, oder nicht, er hört es so oder so. Ich warne dich! grummelt er in meinem Kopf Wehe, du lachst. Das. Ist. Nicht. Lustig. Kann man sich innerlich kaputtlachen? Ja. Du tust es gerade. Ups.

«Wie lange muss ich eigentlich noch hier liegenbleiben?», wende ich mich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder an die anderen. Mir ist egal, was sie davon halten, dass ich jetzt doch rede. Diese Gedankenles-Unterhaltungen tun mir nicht gut. «Alles in Ordnung mit dir?», platzt Ace dazwischen, bevor Dávid überhaupt den Mund aufmachen kann. Ich nicke nur, versuche verbissen, seine Gedanken auszublenden. Denn, entweder, die Übelkeit, die ich verspüre, kommt von der Gedankenleserei, oder ich liege schon zu lange und mein Kreislauf macht schlapp. Oder natürlich, ich bin schwanger. «Bitte was!?», mit einem Schlag klammert sich Ace fest an mich, «Du bist schwanger!?» Oh nein. «Wie bitte??», Dávid reißt seine Augen auf, innerhalb von Sekunden stehen Klara und James neben ihm. Ich schüttele den Kopf, schließe peinlich berührt meine Augen. «Du solltest definitiv lernen, mit meinem Sarkasmus klarzukommen, sonst wirst du in spätestens drei Stunden an einem Herzinfarkt gestorben sein» «Oh Gott.», Dávid atmet erleichtert auf und auch Ace entspannt sich wieder, «Das heißt, dass du definitv nicht schwanger bist?» «Weißt du, ich habe schon drei Kinder. Mit dem vierten wollte ich eigentlich erstmal warten.» Es ist totenstill. «Sarkasmus?», Ace'Stimme ist piepsig wie die eines Kleinkindes, er hält krampfhaft die Luft an. «Nein.», er atmet japsend ein, «Idiotentest. Du bist durchgefallen.»

«Würde mir jetzt bitte jemand verraten, wie lange ich schon hier bin und wie lange ich noch bleiben muss?», langsam aber sicher bin ich mit meiner Geduld am Ende. Das hier ist meiner Meinung nach viel zu viel soziale Interaktion. «Du liegst hier seit etwa 36 Stunden und ich denke, dass du dich mittlerweile wieder etwas erholt hast. Washington wird dich in die Außenanlagen begleiten, damit dein Kreislauf sich wieder erholen kann.» Die Stimme ist neu. Das heißt, ich habe sie schon einmal gehört, kann sie aber nicht zuordnen. Erst, als der dazugehörige Körper mein Sichtefeld betritt, wird mir klar, wo ich ihn schon einmal gesehen habe. Es ist der Mann, der bei Alecia war, als Ace mich hierher gebracht hat. «Das ist Camden. Er leitet zusammen mit Alecia diesen Verein hier. Und wie es aussieht, hat er schon für alles vorgesorgt.» Auch mir fällt der Rollstuhl auf, den Camden hinter sich herzieht. Stimmt ja. Sein Knie. «Na dann. Dávid?», Ace'Stimme klingt verbissen und seine Gedanken brüllt er mir praktisch entgegen. Er hat absolut keine Lust auf diesen fahrbaren Untersatz. Oder hat er keine Lust, mich zu babysitten?

«Vergiss es.», seine Stimme klingt verbissen, womöglich auch ein wenig wütend. Und sie ertönt nicht länger von hinter, sondern von oben. Irritiert wende ich meinen Kopf ein Stück in die andere Richtung. Und was ich sehe, verschlägt mir den Atem. Verdammte scheiße. Wie konnte ich das nur vergessen? «Sehr charmant, aber hast du gehört, was ich gesagt habe?» «Bitte?», ich habe keine Ahnung, wovon er spricht. «Ja, das merke ich auch so. Ich habe dir gesagt, dass du das ganz schnell wieder vergessen sollst.» Verwirrt sehe ich ihn an. Wieso will er bitte, dass ich vergesse, wie gut er aussieht? «Oh Himmel, das kann ja noch lustig werden.», er verdreht lächelnd die Augen, «Ich will einfach nur, dass du nie wieder auf die Idee kommst, ich wäre genervt von dir.» Oh. Das meint er. «Ganz genau.» Misstrauisch mustere ich ihn, entschließe mich, ihm das jetzt einfach mal zu glauben. «Cleveres Mädchen.», er grinst von oben auf mich herab, «Lass uns gehen.»

Fragt mich nicht, wie, aber nach einigen Verrenkungen ist er einbeinig über mich geklettert und sitzt jetzt im Rollstuhl. Vielelicht sollte er mal in Erwägung ziehen, sich für den Funkentanz zu interessieren. Er ist wirklich verdammt beweglich. «Ganz sicher nicht.», sein finsterer Blick liegt für einen Moment auf mir, bevor seine Gesichtszüge wieder weicher werden, «Na gut. Lass es uns versuchen.» Zweifelnd sehe ich ihn an, bewege aber dennoch vorsichtig meine Beine, strecke sie nach der Bettkante aus, will mich irgendwie in eine sitzende Position hiefen, ohne meinen Kopf zu bewegn. Es ist schwieriger, als es sich anhört. «Stopp, stopp, stopp. Das meinte ich definitv nicht.», Ace'Hände drücken mich wieder zurück auf die Matratze, bevor er mich vorsichtig umfasst und auf seinen Schoß zieht. Mit seiner Hand als Stütze ist auch das Aufrichten viel einfacher. Ich will von seinem Schoß aufstehen und selber laufen, doch er hält mich fest. «Vergiss es. Du läufst nirgendwo hin.» Verzweifelt sehe ich zu Dávid, doch der grinst nur. Verräter. «Viel Spaß euch beiden!», brüllt Klara noch, bevor Ace uns endgültigt aus dem Raum gerollt hat.

Ich hülle mich in Schweigen, während wir unzählige Gänge und Türen passieren. Irgendwann wird das mir schon bekannte Stimmengewirr wieder lauter. Doch dann bleiben wir einfach stehen. Etwas versperrt uns den Weg. Und dann habe ich plötzlich das Gefühl, zu ertrinken.

Jo. Wattpad war down.

Hope II SeelenhüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt