Kapitel 6

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Mühselig stapfte ich durch den Wald. Ich wusste nicht wohin, aber versuchte einfach aus dem Wald hinaus zu kommen. Vielleicht würde ich irgendwo auf ein kleines Dorf stoßen. Doch was sollte ich dann dort machen? Ich kannte nichts und niemanden! Schuldgefühle durchfraßen mich immer weiter und ich hatte fast das Gefühl als würde ich daran ersticken. Ich lief immer weiter, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass mir meine Füße demnächst abfallen würden. Ich hatte sie wundgelaufen und es hatten sich bereits fiese Blasen an meinen Füßen gebildet, doch ich lief weiter. Ich hatte ja keine Wahl. Ich hielt den Dolch des Swaresk immer fest in der Hand, jeder Zeit darauf gefasst, dass mich jemand angreifen würde. Es war meine einzige Waffe und die Soldaten von Kiremsew konnten mich jeder Zeit finden.

Ich war unglaublich durstig und als ich endlich an einen kleinen Bach stieß, der sich durch den Wald schlängelte, stürzte ich sofort hin und trank gefühlt den ganzen Bach leer. Ich betrachtete mein Gesicht im Wasser. Es waren noch leicht, die schon verfärbten Blutergüsse zu sehen, die ich Adam und anderen Schülern mit denen ich zusammen gekämpft hatte, zu verdanken hatte. Meine grünen Augen sahen immer noch verheult aus. Ich spritzte mir das kühle Wasser ins Gesicht und betrachtete mich noch eine Weile in dem klaren Wasser des Baches, bis ich schließlich die Hand hob und damit kreisende Bewegungen über dem Wasser machte. Schwer zu sagen wieso ich das tat. Vielleicht weil ich mich selbst testen wollte oder einfach weil ich Lust hatte?

Das Wasser drehte sich genau in die Richtung in die ich meine Hand schwang. Ich wechselte wieder und wieder die Richtung und das Wasser tat es mir gleich. Wasserbändigen ist kein Zwang das Wasser dazu zu bewegen uns zu gehorchen, Grace. Das Wasser muss freiwillig das tun was wir wollen, wir müssen es sozusagen dazu überreden. Dieser Satz hatte einst Rick zu mir gesagt. Und er stimmte. Wieso das Wasser jedoch, jetzt auf mich hörte und nicht schon in den letzten Übungsstunden, war mir allerdings immer noch unklar. Ich hob die Hand und plötzlich durchfuhr mich ein Gefühl der Gewissheit. Energie durchströmte mich als ich das Wasser meiner Hand folgte und aufstieg. Unfassbar und bewundernd schaute ich den kleinen Wassertropfen zu, wie sie sich schließlich überreden liesen, mir zu folgen. Das Wasser stieg immer und immer weiter und es war, als hörte das Wasser des Baches einen Moment auf zu fließen.

Plötzlich hörte ich etwas hinter mir. Es raschelte. Erschrocken lies ich die Hand sinken und drehte mich um. Das Wasser platschte wieder zurück in den Bach. Mir stockte der Atem. Schnell griff ich nach dem Dolch, den ich neben mir am Ufer abgelegt hatte und hielt ihn schützend vor mich. Ich schaute mich um, konnte aber nichts erkennen, bis eine Elster aus dem Gebüsch flog und piepsend und zwitschernd in den Baumwipfeln verschwand. Erleichtert atmete ich aus und lies den Dolch sinken. Keine Soldaten. Nur ein Vogel. Keine Soldaten, Grace. Keine Soldaten.

Was war mit allen anderen aus dem Dorf passiert? Lebten sie noch? Waren sie inzwischen bei Kiremsew? Was war mit Ava und Andrew, meinem Vater, meiner Mutter und all den anderen? Hatten sie es geschafft zu fliehen oder waren sie tot? Was war mit Jayden? Diese Fragen, gingen mir Tag für Tag nicht aus dem Kopf. Jedes Mal, wenn ich im Wald irgend ein plötzliches Geräusch oder ein Rascheln hörte, zuckte ich zusammen und griff sofort nach dem Dolch. Doch jedes Mal war es nur ein Tier, das aus einem Busch sprang oder einfach nur der Wind. Schuldgefühle durchfraßen mich, vor allem wegen Jayden. Wie hatte ich ihn nur einfach so zurück lassen können?

Der Hunger war mein ständiger Begleiter und ich freute mich immer wieder über irgendwelche Waldbeeren, die ich im Wald fand. Einmal schaffte ich es sogar, einen Hasen zu erlegen, was mehr oder weniger Glückssache war. Auch wenn Sommer war, waren die Nächte kalt und ich fror jede Nacht auf dem kalten feuchten Waldboden.

Irgendwann war ich sogar tatsächlich aus dem Wald draußen gewesen und ich stapfte über einige matschige Felder, in denen ich manchmal sogar bis zu den Knöcheln im Matsch versank. Doch nach ein paar Feldern, lief ich auch schon wieder in den Wald. Ich wollte auf gar keinen Fall die Richtung ändern. Irgendwann musste ich doch wohl auf ein Dorf treffen.

Swaresk- HuntedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt