Kapitel 20

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"Fertig?"

"Natürlich!"

Damien und ich liefen wie fast jeden Morgen durch die Gänge des riesigen Schlosses. Ich hätte nie geglaubt, einmal das Gefühl zu haben hier wirklich hin zu gehören. Natürlich konnte ich mir besseres vorstellen. Zum Beispiel wäre ich viel lieber wieder bei meinen Leuten. Bei meinen Leuten, in meinem Dorf. Doch ob dieses Dorf überhaupt noch stand? Darüber wollte ich lieber nicht nachdenken und ehrlich gesagt, tat ich es auch nur noch selten. Ich war zu konzentriert auf meine Kräfte. Es gefiel mir, dass ich sie nun kontrollieren konnte und dass ich es auch noch stärker konnte als alle anderen! Ich fand mich in den Elementen wieder! Ich war ein ganz anderer Mensch dadurch geworden. Durch das Bändigen vergaß ich meine Sorgen allmählich und ich konnte wieder frei atmen.

„Morgen findet wieder ein Geburtstagsfest statt.", sagte Damien während wir den schmalen Pfad entlang trabten.

„Und freut Ihr Euch nicht?", fragte ich und schaute zu ihm herüber.

„Nicht wirklich. Ich habe diese Feste satt. Es sind immer die Gleichen. Die Gleichen mit denselben Leuten wie jedes Mal." Er seufzte.

„Ihr werdet doch nicht etwa so ungehorsam sein und nicht zu diesem Fest erscheinen?", fragte ich sarkastisch und hielt spielerisch die Luft an.

„Ich weiß es noch nicht. Wenn mir bis dahin eine gute Ausrede einfällt vielleicht."

Ich lachte. Er schaute zu mir herüber. „Was ist?"

„Es ist nur so, dass ich Euch nicht im Geringsten verstehe, Eure Hoheit." Ich grinste.

„Wieso denn nicht?" Er schüttelte lächelnd den Kopf.

„Weil ich liebend gerne auf solch Feste gehen würde!" Ich schaute nach vorne. Gleich mussten wir abbiegen. „Ihr habt die Einladung und könntet zu jedem gehen und selbst habt Ihr keine Lust. Jeder andere würde sich darum reißen!"

Er grinste ebenfalls und beugte wage den Kopf. „Ja, vielleicht."

Wir bogen nach links ab, bis der Weg in der Sackgasse endete, worauf wir durch das dichte Gebüsch ritten. Ich hob gerade einen Arm, um einen Zweig aus dem Weg zu schieben, als er auch schon zur Seite schwang. Ich stutzte. War ich das gewesen? Ich drehte mich zu Damien um, der mit erhobener Hand auf dem Pferd saß. Beide Zügel in der linken Hand. Er grinste. Ach so, der halbe Bändiger. Ich grinste ebenfalls, drehte mich dann aber wieder um. Als wir auf der Wiese ankamen, strich ich über den warmen Hals meiner Stute und schwang mich vom Pferd. Dann legte ich die offenen Zügel, der Stute über den Hals, sodass sie entspannt fressen konnte.

„Du hast mächtige Kräfte, Grace, aber du musst auch lernen sie behutsam einzusetzen. Versuche das Feuer so zu kontrollieren, dass du nur eine kleine Flamme in deiner Handfläche erzeugst."

Ich nickte und versuchte es. Konzentrierte mich, machte mich innerlich ganz leer und konzentrierte mich auf das Feuer in meiner Hand. Mit einem Mal durchfuhr mich die Energie meine Kräfte so stark, dass ich sie nicht zurückhalten konnte. Mein ganzer Körper entflammte.

„Mist.", flüsterte ich und ließ das Feuer wieder erlöschen.

Noch einmal versuchte ich es. Ich sammelte mich und wartete bis die Energie durch mich hindurch schoss. Und das tat sie auch. Gerade als die Energie in Form von Feuer, aus mir herausbrechen konnte, versuchte ich sie zu verringern, sodass wie Damien gesagt hatte, nur Feuer auf meiner Hand war, mit dem ich behutsam arbeiten konnte. Doch wieder scheiterte ich. Es war einfach zu viel Energie vorhanden, oder besser gesagt konnte ich diese Energie nicht verringern. Wieder flammte das Feuer aus all meinen Poren.

„Du leuchtest wie ein Komet, Grace.", kam der Kommentar von Damien. Ich ging nicht darauf ein.

Wieder versuchte ich es. Doch ich wusste nicht wie ich die Energie verringern konnte.

„Damien, ich weiß nicht wie ich.", sagte ich.

„Du musst dich einfach kontrollieren. Bei mir ist es ganz einfach. Möchte ich einen Wirbelsturm erstellen, funktioniert es, möchte ich ein kleines Laubblatt schweben lassen funktioniert es. Ich weiß nicht was dein Problem ist."

„Wie fühlt sich das Bändigen bei Euch an? Ich meine, wie fühlt es sich an, wenn Ihr Eure Kräfte anwendet?", fragte ich ihn.

„Schwer zu sagen, es funktioniert einfach. Ich will es, ich tue es und es funktioniert.", sagte er und zuckte mit den Achseln.

„Das kann doch nicht sein oder?", fragte ich ihn.

„Was meinst du? Ich lüge dich nicht an, es ist genauso wie ich es dir erzählt habe.", sagt Damien und lehnt sich lässig gegen einen großen Sandstein.

„Aber bei mir ist es ganz anders. Es funktioniert ganz anders, Damien. Wenn ich meine Kräfte aufrufe, dann durchflutet mich Energie, die mich stärkt und dann in Form von dem Element, welches ich bändigen will erscheint. Und diese Energie ist so stark, ich weiß nicht wie ich sie kontrollieren kann.", sage ich und setze mich auf den Boden.

„Du bist anders, Grace. Wahrscheinlich ist es das. Du kannst die Elemente aus dem Nichts erzeugen und wahrscheinlich funktioniert bei dir alles anders, als bei normalen Bändigern. Außerdem beherrsche ich auch nur ein Element." Da hatte er Recht. Wahrscheinlich funktionierte bei mir wirklich alles anders als bei allen anderen. Aber wieso? Wieso konnte ich die Elemente aus dem Nichts erzeugen? Wieso war ich anders?

Am Nachmittag ging ich mit Damien in die Bücherei. Wir wollten nach Büchern schauen, in der vielleicht etwas über die Bändiger zu finden war. Vielleicht war dort etwas hilfreiches, wie ich meine Kräfte kontrollieren konnte, ohne gleich in Flammen aufzugehen und dabei auszusehen, wie ein glühender Komet, wie Damien es beschrieben hatte. Damien durchstöberte unten die Regale, wobei ich im oberen Stock begann. Als ich zu einer Reihe von Geschichtsbüchern kam, stutzte ich. Hier war bestimmt etwas zu finden.

Die erste Reihe der Geschichtsbücher handelte nur vom jahrelangen Krieg, der noch immer zwischen Santinija, dem Land in dem wir lebten, und Baradesch herrschte. Der Krieg herrschte schon seit Langem, denn König Kiremsew wollte die Herrschaft über das ganze Land, nicht nur über Santinija. Zu Beginn des Kriegs hatte sich der König von Baradesch nur gegen die Angriffe gewehrt, bis es schließlich dazu ausartete, dass er auch unser Land wollte. Und so bekämpften sich die Länder bis heute.

Es war interessant zu hören, wie die Kriege entstanden waren, denn wir aus unserem Dorf wussten so ziemlich nichts darüber. Natürlich wussten wir, dass es diesen Krieg seit Jahren gab, nur aus welchem Grund, wussten wir nicht.

Ich stöberte weiter durch die Regale und hielt Ausschau nach Büchern über außergewöhnliche Kräfte, eine andere Spezies, wie sie es oft nannten oder einfach über uns Bändiger. Doch ich fand nichts.

Wir verbrachten fast vier Stunden in der Bibliothek, doch ohne Erfolg. Ich hatte sämtliche Bücher durchstöbert, da es ja vielleicht auch falsche Titel gab um es als ein anderes Buch auszugeben, doch ich fand nichts. Nach vier Stunden saß ich schließlich auf dem Boden der Bibliothek, um mich herum waren mindestens fünfzig dicke Bücher verteilt. Ich seufzte laut, doch gab es schließlich auf und schob die Bücher wieder zurück in die riesigen Regale.

Dann lief ich die alte Wendeltreppe hinunter. Sie knarzte bei jedem Schritt. Im unteren Bereich der Bücherei, sah ich Damien ganz hinten in einer Ecke an der Wand gelehnt stehen. Er klappte ein Buch zu. Als er mich sah, steckte er das Buch zurück in das Regal und kam auf mich zu.

„Hast du etwas gefunden?", fragte er hoffnungsvoll mit weit geöffneten Augen.

„Nein, Ihr etwa?" Er schüttelte zur Antwort den Kopf. „Na super.", stöhnte ich und ließ mich mit dem Rücken an der Wand langsam hinunter auf den Boden gleiten, bis ich auf dem kratzigen Teppichboden saß.

Damien setzte sich neben mich und schaute mich von der Seite an.

Ich schaute zu ihm herüber. „Du wirst es bestimmt noch schaffen, keine Sorge, Grace. Du musst einfach mehr üben." Ich nickte.

Swaresk- HuntedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt