Schock

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Bobs POV

Gerade als ich meinen Wagen in der Tiefgarage meines Wohnhauses geparkt hatte, bekam ich eine Nachricht von Lindsey.
Es war eine einzige Nummer.
Eine Nummer, die ich das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen hatte.
Eine Nummer, die ich aber in und auswendig konnte.
' 34D5612FCX0A'
Meine Samenspendernummer.
Ich hatte vor fünf Jahren, ich hatte Geld gebraucht, bei einer Samenbank etwas gespendet.
Aber nie hatte ich gedacht, dass ich diese Nummer jemals wieder in meinem Leben sehen würde.
Immerhin wollte ich auch anonym bleiben.
Ich fragte Lindsey also, woher sie diese Nummer kannte.
Keine fünf Minuten später, ich stand einfach im Flur vor meiner Wohnung, bekam ich auch schon eine Antwort von ihr.
Es war ein Bild.
Ein einfaches Bild.
Dieser Junge auf dem Foto sah genauso aus wie ich, als ich in diesem alter war.
Kurz musste ich überlegen, wieso Lindsey mir ein Bild von einem Kind schicken sollte, welches sie selbst nicht kannte, ehe mir einfiel, dass Michelle bei ihr war.
Tim hatte mir erzählt, dass der Kleine aus einer Samenspende entstanden war.
Das konnte einfach nicht sein.
Das war der größte Zufall, den es eigentlich kam.
Wie in Trance ging ich in meine Wohnung, zog meine Jacke und Schuhe aus, ehe ich an meinen Kühlschrank ging und mir ein Bier nahm.
Dieses trank ich in einem leer und atmete tief durch.
„Alles okay?“ ich schreckte zusammen und ließ die leere Flasche fallen, bevor mein Blick zu Tim viel.
Ihn hatte ich total vergessen.
„Ja...ja...ich denke schon“ ich holte einen Handfeger und ein Kehrblech, ehe ich die Scherben auch schon beseitigte.
„Na los, was ist mit dir?“ fragte Tim mich besorgt, der mich auch so ansah.
„Schwer zu erklären“ seufzte ich und fuhr mir durch die Haare.
„Na komm, so dumm bin ich auch wieder nicht“ lachte er, doch konnte ich nicht lachen.
Ich setzte mich auf meine schwarze Ledercouch und schloss kurz meine Augen.
„Vor fünf Jahren habe ich in Melbourne bei einer Samenbank eine Samenspende gemacht, da ich Geld gebraucht hatte um mir einen Flug für ein Casting hier in LA leisten zu können“ erklärte ich ruhig und kurz nickt Tim.
„Und? Da ist doch nichts schlimmes dabei, dass machen doch so viele“ 
„Schon aber..“ erneut atmete ich tief durch.
Da ich nicht wusste, wie ich ihm das genau erklären sollte, immerhin ging es hier um das Kind seiner besten Freundin, zückte ich mein Handy und zeigte ihm eines meiner Kinderbilder, als ich im alter von David war.
„Wieso hast du ein Bild von David auf deinem Handy?“ fragte er, doch schüttelte ich meinen Kopf.
„Schau genauer hin“ wieder sah er mich verwirrt an, ehe er dies tat.
„Warte, das bist du oder?“ nun nickte ich.
Und nun schien es auch bei Tim klick zu machen.
„Warte? Was?!“ geschockt sah mich der Jüngere nun an.
Ich konnte nur nicken, da ich nicht wusste, was ich da jetzt zu sagen sollte.
Nie hatte ich damit gerechnet, irgendwann mal ein Kind zu haben.
Klar wusste ich, dass dies passieren würde, aber ich hätte nie damit gerechnet, es einmal zu treffen.
Immerhin wollte ich dies nie.
Es war immer anonym.
Ich wusste nicht wer die Paare waren die meinen Samen nahmen und sie wussten nicht von wem er war.
So einfach war es.
Doch jetzt schien mich meine Geldnot von damals einzuholen.
Ich hatte ein Kind.
Einen dreijährigen Sohn, der mir verdammt ähnlich sah.
„Weiß Michelle das schon?“ 
„Dank ihr und Lindsey weiß ich dies“ Tim nickte und fuhr sich durch die Haare.
„Und jetzt?“ ich zuckte mit den Schultern.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte.
Es war das erste Mal für mich, dass ich in so einer Situation war.
Noch nie in meinen Leben wusste ich nicht, was ich nun machen sollte.
Es machte mich innerlich verrückt.
„Wenn du willst kann ich...“ doch schüttelte ich meinen Kopf.
„Egal was du sagen willst, nein“ gab ich als Antwort und der Jüngere nickte kurz.
Selbst Lindsey hatte ich noch nicht geantwortet.
Ich wusste auch ehrlich gesagt nicht, was ich ihr antworten sollte.
Es war gerade einfach zu viel für mich.
„Ich frage jetzt trotzdem etwas“ hörte ich Tim und sah zu ihm.
„Einen Film?“ fragte er mit einem leichten lächeln und kurz nickte ich.
Vielleicht würde mich ein Film auf andere Gedanken bringen.
Ein Versuch war es ja wert.
Ich schwang mich von der Couch, ehe ich einen meiner Filme einlegte und mich wieder zu Tim setzte.
„Ich hoffe 'Fast 7' ist okay für dich“
„Wir gucken was du willst, du stehst unter Schock nicht ich“ ein kurzes Lächeln zog sich über meine Lippen und ich atmete tief durch.
Dies zu verarbeiten, würde eine ganze Weile dauern.
Wie ich das überstehen sollte, wusste ich noch nicht so genau.

Früh war ich am nächsten Morgen schon wach und hatte gerade geduscht.
Tim und ich hatten uns noch ein paar Filme mehr angesehen und waren auf der Couch eingeschlafen.
Etwas ablenken konnte ich mich dadurch schon.
Doch der Gedanke, dass ich ein Kind hatte, welches auch noch hier in LA war, war immer noch in meinem Kopf.
Gerade stand ich in Boxershorts in der Küche und machte Frühstück für uns beide.
Tim schlief noch.
Vielleicht war dies auch ganz gut so.
Gerade als ich das Essen auf den Tresen in meiner Küche gestellt hatte, klingelte mein Handy.
„Ja?“ fragte ich ruhig und machte den Herd aus, da ich Pancakes gemacht hatte.
„Hey ich bin es“ hörte ich Lindseys ruhige Stimme.
„Hey Linz“ gab ich ruhig von mir, als mein Blick zu Tim viel.
Er schlief noch.
Vielleicht sollte ich ihn gleich mal wecken.
„Ich wollte nur fragen ob alles gut ist, du hast dich gestern nicht mehr gemeldet“
„Ja, alles gut Lindsey, ich muss das erst einmal verarbeiten“ gab ich ehrlich von mir und fuhr mir durch die Haare.
Im Hintergrund konnte ich ein Kinderlachen hören, was mich komischerweise Lächeln ließ.
„Ich wollte dir keinen Schock versetzen Bob. Nur viel mir das sofort bei dem Kleinen auf, auch als Michelle mir schon in Stuttgart die Bilder gezeigt hatte. Aber erst gestern habe ich sie darauf angesprochen“ ich nickte, auch wenn sie es nicht sehen konnte.
„Was sagt sie dazu?“
„Sie steht mindestens genauso unter Schock wie du“ verständlich.
„Sie hat gesagt, wenn du magst, kannst du den Kleinen aber jeder Zeit sehen und ihm auch ruhig sagen wer du bist“ wieder musste ich lächeln.
Ich weiß nicht was es war, aber irgendetwas änderte sich gerade in mir.
„Ich weiß es nicht, ob das gut wäre Lindsey“ gab ich dann aber doch von mir, auch wenn ich ihn doch kennenlernen wollte.
„Wie gesagt, es ist deine Entscheidung, wir sind heute Mittag im Park bei mir um die Ecke, also wenn du magst“
„Ich melde mich“ lächelte ich, ehe ich auflegte.
„Da scheint einer bessere Laune als gestern zu haben“ wieder zuckte ich zusammen und blickte zu Tim, der verschlafen in die Küche kam.
„Habe gerade mit Lindsey telefoniert“ Tim nickte, bevor er einen Schluck Kaffee trank.
„Und?“
„Michelle hat gesagt, wenn ich mag kann ich den Kleinen kennenlernen und ihm auch sagen, wer ich bin“ ich merkte, dass ich das Lächeln aus meinem Gesicht einfach nicht abstellen konnte.
„Du hast ein ganz schönes Leuchten in den Augen Bob und dieses Lächeln auf deinen Lippen sagt auch alles“ lächelte Tim und leise lachte ich.
„Iss erst einmal und dann geh duschen“ ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich neben ihn setzte.
Tim lachte leise, bevor wir weiter in Ruhe aßen.
Gestern noch hatte ich gedacht, dass es falsch war Tim hier her zu holen und dann auch noch zusammen mit Michelle und ihrem Kleinen.
Doch jetzt änderte sich gerade alles für mich.
Ich hatte einen jungen Mann kennengelernt den ich langsam wirklich mochte und dazu bekam ich noch einen Sohn.
Es war komisch, aber vielleicht konnte ich mich daran gewöhnen.
Und vielleicht, würde mich der Kleine auch irgendwann Dad nennen.

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