„Na wie war's Mäuschen?" Ich zuckte mit den Schultern und wollte an ihr vorbei. Ich wollte mich in meinem Bett unter der Decke verstecken und mich dafür schämen, was ich heute angestellt hatte. Und außerdem war da noch dieses so unangenehme Schuldgefühl. Er wollte mir eine Freude machen. Er wollte mir nur eine Freude machen und ich? Ich stoße ihn vor den Kopf. „Wo ist Nick?" „Der kommt schon noch" Mom' s Augen bekamen einen alarmierten Glanz. „Er ist schmollend ungefähr zwanzig Meter hinter mir geblieben. Er wird gleich da sein" „Warum schmollt er?" „Weil-" Gott sei Dank sah ich in dem Augenblick Nick. „Ah, da kommt er" Ich deutete auf den schmollenden Neunjährigen und nutzte die Zeit dann, um in meinem Zimmer zu verschwinden.
Ich schaffte es gerade noch, die Zimmertür zu schließen und mich aufs Bett zu schmeißen, bevor mich meine Tränen ertränkten. Das hatte ich ja wirklich brillant hingekriegt. Ich hatte Nick enttäuscht, ich hatte Roy von mir gestoßen und ich hatte ihm offenbart, dass ich nicht in seine Welt passte. Ich hatte ihn vermutlich für die Ewigkeit vergrault. Ein noch viel stärkerer Heulkrampf durchschüttelte mich. Wenn ich schon nicht lachen konnte, dann blieb mir nur noch zu weinen. Ich weinte, weil ich das Lachen vermisste. Ich presste mein Gesicht ins Kopfkissen und wäre am liebsten für alle Ewigkeit so geblieben. Zusammengerollt. Verheult. Gebrochen.
„Summer? Darf ich rein kommen?" Nein Mom, ich will für alle Ewigkeit zusammengerollt so daliegen und unter dem Kopfkissen nach Luft keuchen. Die Tür ging auf und so endete die für alle Ewigkeit ziemlich schnell und ich musste mich aufsetzen. Mom kam herein und hatte einen recht unwilligen Nick im Schlepptau. „So ihr beiden. Erklärt mir Mal, warum du weinst und du schmollst!" Ich warf Nick einen warnenden Blick zu, der so viel bedeute wie, Halt die Klappe und du bekommst einen Rieseneisbecher von mir. Das hatte sich schon seit Jahren bewährt, nur dass der siebenjährige Nick schon nach zwei Kugeln platzte, während dem beinah zehnjährigen Nick kein Eisbecher zu groß wurde. Und- Gott sei Dank- schien Nick gerade Lust auf Eis zu haben, denn er nickte. „Also?" Das war einer der Momente, in denen Mom zur früheren Professorin mutierte. „Sum hat wahrscheinlich gerade die bittere Erkenntnis erlebt, dass ich der weltbeste Witzeerzähler bin. Muss hart sein" Keine Ahnung, ob Mom oder ich den verblüffteren Gesichtsausdruck hatten, jedenfalls war es Mom, die sich eher fasste. „Nick, du und deine Schwester werdet das, was auch immer gerade vorgefallen ist, jetzt klären, okay?" Da war die Professorin. Nick sah sie mit Engelsaugen an und nickte brav. Ich tat es ihm nach. Sobald Mom die Tür hinter sich schloss, setzte sich Nick an meinen Schreibtisch, zog Dads alten Gameboy aus seiner Hosentasche und wandte sich dann kurz an mich. „Ich schätze unser Gespräch dauert ungefähr zwei Rennstrecken und einen Boxkampf lang?" Ich nickte, griff nach meiner zerlesenen Ausgabe von Stolz und Vorurteil und schlug es dort auf, wo Lizzie ihren trotteligen Cousin abblitzen lässt. „Wann bekomme ich meinen Eisbecher?" Er war anscheinend sehr ihm Spiel vertieft, denn es klang nach. „Wann linke Kurve, rechte Kurve, schneller bekomme ich nein, du überholst mich nicht, meinen, okay, aber bei der nächsten Kurve ramme ich dich dafür Eisbecher?" „Morgen?" „Abgemacht!" „Und ich will mindestens sechs Kugeln Eis" Er schlug heftig auf die Tasten des Gameboys ein, den andere Kinder sicher als Antiquariat abgestempelt hätten. „Du platzt nach höchstens fünf" „Ich.Will.Aber.Sechs" „Fein" Komm Elisabeth! Darcy ist in Reichweite! Nach drei Rennstrecken und zwei Boxkämpfen und einer weiteren Eiskugeln- Anzahl- Verhandlung verließ Nick, mit einer letzten Bemerkung über die tragische Absenz meines Witz- erzähl- Talents, mein Zimmer. Mom schien stolz zu sein, dass ihre Kinder so verantwortungsvoll miteinander reden konnten- das passiert, wenn man Pädagogik studiert. Wie immer wenn ich in Austens Romanzen versank, verging die Zeit rasend schnell und Elisabeths starke Gefühle für Darcy waren wie eine Betäubung für meine eigene missliche Lage. Es war so tröstlich, dass selbst Austen- Heldin Lizzie so manche Dummheit beging. Selbst wenn alles in mir Küss ihn Küss ihn Küss ihn schrie.Ich ließ das Mittagessen ausfallen und entschied mich stattdessen dafür, mit dem Pick-Up über die Plantagen zu fahren und die Stelle weiter aufzuräumen, an der Dad und ich gestern aufgegeben hatten. Das monotone Tuckern des Pick-Ups war wirklich tröstlich und fast hätte ich mich dazu entschieden, einfach nur weiterzufahren. Immer weiter. Doch dann wurde mir bewusst, dass Autofahren nicht jeden Bereich des Gehirns zu hundert Prozent beanspruchte, sprich, ich sehr nahe daran war, über meinen peinlichen Auftritt heute Morgen zu denken. Und so war es. Was zur Hölle hatte ich Roy in Rage anvertraut? Wie weit hatte ich mich ihm geöffnet, ohne es zu wollen? Welche Wörter hatte ich benutzt? Lachen? Weinen? Angst? Oh Gott! Ich würgte den Motor ab, stieg aus und betrachtete den immer noch ansehnlichen Haufen an vertrockneten Ästen. Na gut, half ja nichts. Beherzt griff ich nach einer Hand voll Ästen, knickte die längeren einmal in der Hälfte durch und schmiss sie auf die Ladefläche. Die monotone Arbeit wirkte äußerst beruhigend. Holzaufsammeln war echt eine gute Therapie. Hm...mein Humor. Kein Humor. Dass tatsächlich Zeit verging, wurde mir nur klar, als die Sonne nicht mehr senkrecht auf die Äste schien, sondern eher waagrecht von der linken Seite. Als hinter mir das vertrocknete Gras knisterte und ich mich erschrocken umdrehte, starrte ich in ein gutmütiges Dad- Gesicht. „Weißt du nicht, dass man Leute nicht stören darf, die gerade im Äste- aufheben vertieft sind?" Dad lächelte. „Weil dein guter schlauer Dad das wusste, bin ich auch nicht hier um dich zu stören, sondern um dich nach Hause zu fahren. Denn was dein guter schlauer Dad außerdem noch weiß, ist, dass seine Frau ziemlich an ihren Kochkünsten zweifeln würde, wenn ihre Tochter nach dem Mittagessen auch noch das Abendessen vernachlässigen würde" Ich verdrehte die Augen, stieg aber folgsam in den Pick-Up. Er war natürlich auf den Fahrersitz geklettert.
„Ich hab gehört, die Kindervorstellung lief nicht so toll?" Ich starrte nach draußen. „Sagt das Mom oder Nick?" „Mom" „Dann wird es wohl so gewesen sein" Wir schwiegen beide. Beinahe hatte ich Mitleid mit ihm. Ich war sicher nicht sehr pflegeleicht.
„Ähm...bist du sicher, dass es schlecht lief?" Ich stöhnte genervt auf und drehte mich zu ihm. „Dad, musst du mich dauernd daran erinnern, dass-" Er hob die Hand und deutete stumm nach draußen. Ich folgte der unsichtbaren Linie seines Zeigefingers und musste mich ungeheuerlich zusammenreisen, als ich sah, wen Dad meinte.
„Was-?", platzte ich heraus. „Was-?", wiederholte Dad. Ich schüttelte baff den Kopf. Ungläubig starrte ich durch die Windschutzscheibe hindurch direkt in Roy's Augen.
„Ich schätze, du solltest aussteigen und ihn begrüßen", riet mir mein Dad, er klang so, als würde er mir nicht mal mehr das zutrauen. „Und ich schätze, ich sage Mom, dass du ihre Mahlzeit nicht aufheben, sondern aufschieben wirst" Ich nickte stumm, tastete nach dem Türgriff und ließ mich vom Sitz rutschen.
Während ich taumelnd näher kam, ließ er mich nicht aus den Augen. Erwartete...fürchtete er einen neuerlichen Hysterieanfall? Oh je, bitte Summer, sag nichts Falsches. Bitte, bitte, bitte! „Hast du vielleicht Papier und Stift zur Hand?", fragte Roy mich mit aller Ernsthaftigkeit, die ein Clown besitzen konnte. Ich runzelte die Stirn, streifte meine Arbeitshandschuhe von meinen Händen und wischte mir klebrige Haarsträhnen von der Stirn. „Kästchenblätter am besten. Aber Zeilen gehen auch", fuhr Roy unbeirrt fort. „Für was?" Meine Stimme war...ziemlich undefinierbar. „Zeige ich dir in der Hütte" „Hütte" Zu mehr Geistreichem, als Wortfetzen zu wiederholen, war ich im Moment nicht fähig. „Jap. Soll ich dort auf dich warten?" Ich nickte, meilenweit entfernt von Selbstbewusstsein- oder von Würde. „Dann...sehen wir uns in fünf Minuten dort?", versuchte er mir auf die Sprünge zu helfen? Er sprach ernst, mit einer mir unbekannten Vorsicht. Als würde er das, was er sagen wollte, mit meinem Erscheinen abwägen. Ich nickte nur und sah ihm baff hinter her. Und dann, als er schon längst von den Orangenheinen verschluckt war, erfasste mich eine unsagbare Hektik.
„Was hast du nur mit dem armen Jungen angestellt?", fragte mich Mom, sobald ich ins Haus stürzte. Sie schaute verwundert aus dem Fenster. „Was?" Sie nickte in die Richtung, in die er verschwunden war, aber ich konnte sie nicht ausreden lassen. Nicht jetzt, wo Roy in der Hütte wartete.

DU LIEST GERADE
Die Kunst des Clowns
Fiksi RemajaKinder lachen 500 Mal am Tag. Erwachsene nur knapp 15 Mal. Summer nie. Die siebzehnjährige Tochter eines Orangenplantagenbesitzers und einer ehemaligen Geschichtslehrerin fürchtet, ihr Lachen verloren zu haben. Seit Jahren leidet sie unter einer An...