Das Holz knarrte unter meinen Schritten, während ich das Anwesen betrat. Ich wand mich nach links und ging somit in das frühere Wohnzimmer. Hier stand ein Sofa mit meiner Decke und dieverse Stapel von Kisten und allerlei Krimskrams.
Ich steuerte direkt auf das Sofa zu und ließ mich auf es fallen. Sonderlich warm war es hier wirklich nicht zumal ich so schlau war ein Kleid anzuziehen. Schnell schnappte ich mir meine Decke und mummelte mich ein,ehe ich nach meinem Buch griff und erneut began zu lesen.
Ich hörte die Dielen wenige Meter von mir knarren was mich aufblicken lies. Ich hatte keine Angst da es sich eigentlich nur um eine Person handeln konnte. Und meine Vermutung bestätigte sich. "Hi Derek! " Ich grinste ihn fröhlich entgegen während er auf mich zukam und sich neben mich auf das Sofa fallen ließ. "Nicht das ich mich nicht über deine Besuche freuen würde, aber solltest du an Samstagabenden nicht etwas mit Freunden unternehmen, oder zumindest irgendwas Teenager-typischeres tun als in einem abgebrannten Haus zu hocken und zu lesen?" Er klang wirklich besorgt. Und irgendwie hatte er wirklich recht. Das was ich tat war wohl wirklich nicht typisch für ein Mädchen meines Alters. Doch nur hier fühlte ich mich wirklich wohl. Zuhause wartete niemand auf mich, in der Schule fühle ich mich unerwünscht. An dem einen Ort sind zu wenig, an dem andern zu viele Menschen. Doch hier bin ich sicher, ich bin erwünscht und auch wenn ich nicht wirklich mit Derek befreundet bin ist er wie der große Bruder den ich nie hatte. Ich kann einfach mit ihm reden und ich selbst sein. Er beurteilt nie meine Worte und vermutlich tut es ihm auch gut mal aus seiner Einsamkeit herauszukommen und mit jemandem sprechen zu können.
Also zuckte ich nur mit den Schultern. "Ich mag es hier. ",murmelte ich lediglich.
Nun schüttelte er den Kopf:" Du musst mehr aus dir heraus kommen Thea! Du kannst dich nicht ewig verstecken und das Mädchen das ich kenne hat das auch überhaupt nicht nötig!"
Das Thema war unangenehm. Als ich das letzte mal vor anderen laut meine Meinung äußerte kassierte ich eine Narbe.
Ich wechselte schnell das Thema:" Ich war heute bei deinem Onkel im Krankenhaus. "
Derek wusste das ich lediglich das Thema wechseln wollte, doch lies sich auf den Themawechsel ein.
"Gibt es etwas Neues? " Er war wirklich neugirig und besorgt was seinen Onkel anging. Offenbar standen die beiden sich vor dem Brand recht nahe.
Außerdem war er der einzige der ihm von seiner Familie geblieben war.
Traurig schüttelte ich den Kopf.
Ich kannte Peter nicht. Zumindest nicht den Peter der noch sprechen und laufen konnte. Ich kannte nur die leblose Version von ihm. Er war lediglich ein Schatten seiner selbst.
Dereks Mine veränderte sich. Er wirkte traurig, doch auch nicht sonderlich überrascht. Nachdem bereits so viele Jahre vergangen waren ist es vermutlich schwer sich die Hoffnung auf eine Verbesserung zu bewahren. Ich bewunderte Derek. Er war ein guter Mensch, doch ihm war mehr schlechtes wiederfahren als man einem Menschen zugemuten sollte. Trotz der schrecklichen Umstände hat er sich seine Menschlichkeit und den gutherzigen Charakter bewahrt. Er war immer nett zu mir. Anfangs vielleicht ein bisschen mürrisch.
Doch das ist kaum verwunderlich. Er war jahrelang allein. Nach dem Brand hatten die Leute Angst vor ihm. Seine Familie war gestorben! Er hatte so viele Personen die ihm wichtig waren auf einen Schlag verloren und ausgerechnet in dieser schweren Zeit wanten sich alle von ihm ab.
Im Gegensatz zu seiner ist meine Vergangenheit ein zuckerschlecken gewesen.
"Du solltest ihn vielleicht auch einmal wieder besuchen!",schlug ich vor. "Vielleicht hilft es ihm wenn er dich sieht. Das hilft doch vielen Komapatienten immer wieder! "
Hoffnungsvoll sah ich zu ihm hoch. Sein Gesicht war wieder zu der undurchsichtigen Maske geworden. "Vielleicht. " Mehr würde ich wohl nicht mehr aus ihm heraus bekommen, also versuchte ich es gar nicht. Ich kannte ihn lange genug um zu wissen das dies nichts bringen würde als einen schlecht gelaunten Derek.Ich hatte ihn 2 Jahre nach dem Brand kennengelernt als es mich das erste Mal in diesen Teil des Waldes verschlagen hatte. Ich bin von der Schule weggerannt. Es war der Tag an der ich meine Narbe bekam. Statt wie vom Lehrer angewiesen in das Krankenzimmer zu gehen um auf einen Rettungswagen zu warten lief ich aus dem Gebäude hinaus in den Wald. Blut tropfte von meiner Stirn auf meine Wimpern.
Doch das störte mich nicht weiter. Ich lief immer tiefer in den Wald hinein stolperte über Äste und Steine ,doch ich blieb nicht stehen. Ich verlangsamte nicht einmal mein Tempo. Und dann stand ich plötzlich vor den verbrannten Überresten eines Hauses in mitten des Waldes. Ich lief einfach hinein und lies mich auf den schwarzen Boden fallen. Kaum das ich saß bahnten sich bereits die Tränen ihren Weg nach draußen und rannen mir sidendheiß über die Wangen.
Da knackte vor mir eine Diele und wie aus dem Nichts stand ein junger Mann vor mir. Er hatte schwarze Haare und war auch vollkommen schwarz gekleidet. Erschrocken wich ich zurück und kroch näher an die Wand als könnte sie mich beschützen. Mit weit aufgerissenen, bereits vollkommen verheulten Augen blickte ich ängstlich nach oben.
Der Unbekannte kam wieder näher doch ich konnte nicht weiter zurückweichen. Er kniete sich vor mich. Ich hätte mit allem gerechnet. Ich war völlig neben der Spur noch geblendet vom Adrinalin welches durch meine Adern schoss.
"Warum weinst du? ",fragte er sanfter als ich es ihm zugetraut hätte.
Ich war verblüfft, ich dachte nicht das er mich danach fragt.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht mehr wesswegen ich wirklich weinte. War des die Kopfverletzung, die Worte der Anderen, meine Situation zu Hause? Ich wusste es nicht mehr. "Es ist kompliziert. ",war das einzige was ich herausbrachte. Und das war es. Es war mehr als kompliziert.
Er setzte sich im Schneidersitz vor mich:" Naja ich habe Zeit! Also wenn du mit jemandem reden willst... "
Ich sah ihn an. Ich hätte nicht gedacht das sich jemand für mich interessieren würde.
Also erzählte ich ihm alles. Er saß bestimmt eine Stunde da und hörte mir einfach nur zu. Ich hatte während meiner ganzen Erzählung nicht einmal mehr weinen müssen.
"Deine Mitschüler haben dir das angetan? " Er wirkte geschockt und wütend zugleich. Ich nickte lediglich, was jedoch mit Schwindel verbunden war.
Er schien es zumerken und half mir auf. "Die Wunde muss dringend behandelt werden, vermutlich behältst du eine Narbe zurück." Er begutachtete die Schramme. "Ich bringe dich jetzt auf jedenfall ins Krankenhaus.Und das hat er auch getan. Es war etwas schwer zu erklären woher ich die Narbe hatte, weswegen Derek das für mich übernahm. Ich war ihm sehr dankbar das er an diesem Tag für mich da war, zumal er mich nicht kannte.
Ich glaube bis heute noch das er an dem Tag danach, als ich nicht zur Schule ging irgendwas gemacht hatte. Dannach wurde ich nie wieder angepöbelt.Den Rest des Tages saß ich einfach nur da unterhielt mich mit Derek über belanglose Dinge und laß mein Buch durch.
Gegen 20 Uhr klingelte ich bei Erica. Doch niemand öffnetes. Das Haus war dunkel. Sie musste vermutlich im Krankenhaus bleiben. Das erklärt weshalb sie mich nicht angerufen hatte.
Etwas niedergeschlagen machte ich mich auf den Weg nach Hause. Kaum war ich dort angekommen fiel mir wieder ein das meine Klamotten vom Vortag noch in der Tierklinik gelassen hatte.
Ein wenig entnervt, da ich nochmal raus musste lief ich schnell die Treppen rauf in mein Zimmer um neue Kleidung zu holen die ich für den nächsten Notfall zurücklegen wollte. Ich schnappte mir meine Schlüssel und die der Klinik und begab mich wieder vor die Haustür.
Ich war schneller da als ich dachte. Im Inneren brannte noch Licht. Also waren wohl Scott oder Deaton da. Die Schlüssel waren unnötig.
Bei Betreten klingelte die Glocke über der Tür. Scott kam ,er hatte einen unserer tierischen Patienten erwartet. Ich hatte ja heute auch keine Schicht. "Oh Thea was machst du hier? " Er sah mich irgendwie seltsam an.
Ich hielt meine Kleidung: Eine geblühmte Hose und ein dunkelblaues Top mit einer meiner schwarzen Kaputzenjacken hoch.
"Ich wollte das in mein Fach legen und meine anderen Klamotten abholen. Die wurden gestern ja ziemlich nass."
Er nickte, offenbar erinnerte er sich. Immernoch sah er mich so sonderbar an.
Ich störte mich nicht weiter daran und machte mich auf den Weg in einen der Nebenräume.
Scott folgte mir. Er stand im Türrahmen während ich meine Sachen einräumte und faltete.
Hinter mir erklang ein Räuspern:" Du siehst heute irgendwie... Ähm anders aus. "
Ich drehte meinen Kopf zu ihm herum.
Er kratzte sich am Hinterkopf.
"Findest du? " Er nickte erneut. "In wie fern sehe ich anders aus? " Ich legte meinen Kopf schräg. Ich hatte keine Ahnung was an mir anders sein sollte.
"Du... du siehst wirklich hübsch aus. " Nun war ich wirklich überrascht. Er fand mich hübsch. Das war das erste Mal das mir ein Junge sagte ich sei hübsch. Natürlich außer Derek.
Ich musste einfach Lächeln.
"Und sonst nicht? " Ich konnte einfach nicht anders und musste ihn etwas aufziehen.
Sofort wurde er rot und begann zu stammeln. "Nein, ich meine Ja. Also was ich sagen wollte war das du anders... "
Ich lachte. Aber ich lachte ihn nicht aus ich war heute einfach glücklich. "Schon gut, schon gut ich weiß was du meinst. Ich wollte dich nur aufziehen. Vielen Dank Scott. "
Auch seine Mimik entspannte sich und das Lächeln trat wieder hervor.
"Brauchst du hier Hilfe? Ich hab Zeit wenn was ist. "
Vielleicht wollte ich einfach noch etwas in der Klinik bleiben. Wo ich mich wohl fühlte.
Er schien zu überlegen.
Letztenendes fiel ihm etwas ein:" Die Katzen! Ich kann nicht nach ihnen sehen ohne das sie durchdrehen. Ich glaube die haben sich gegen mich verschworren." Nun lachten wir beide, wenn auch nur kurz. Die Katzen hatten neuerdings wirklich etwas gegen ihn.
"Klar." Wieder ging Scott voraus und ich folgte ihm zu der Abtrennung vor der er plötzlich stehen blieb. "Ist etwas? " "Ähm nein, nein. Geh du nur schon mal vor. "
Schulterzuckend ging ich um ihn herum und durch die weiß gestrichene Abtrennung. Hastig griff er nach der geöffneten Klappe und ging mir hinter her.
Nach wenigen Minuten waren wir fertig. Deaton war auch wieder gekommen und schickte uns Heim.
Scott begleitete mich nach Hause. Es lag wohl auf seinem Weg. Ich arbeite jetzt schon länger mit ihm zusammen, aber wir waren noch nie gemeinsam nach Hause gegangen. Er wirkte in letzter Zeit anders. Er verhielt sich seltsam und wirkte besorgter. Drum wartete er auch bis ich durch die Tür gegangen war.
Zuhause ging ich noch schnell duschen und danach sofort ins Bett.Den gesamten Sonntag verbrachte ich lediglich damit im Bett und vor dem Fernseher herum zu hängen. Ich telefonierte noch mit Erica die nun endlich wieder Zuhause war.
Wir redeten Stundenlang über alles was uns einfiel.
Sie würdete am Montag wieder in die Schule kommen. Der normale Alltag würde wieder einsetzen.