Sherlock lag auf der Couch, hatte die Hände unterm Kinn zusammengelegt und starrte an die Decke.
Es war Nachmittag und es herrschte Stille in 221B Bakerstreet. Sherlock hatte sich in seinen Gedächtnispalast zurückgezogen. Er sah gar nicht die Decke über ihm, sondern nur die verschiedenen Räume, die er im Laufe der Jahre angelegt hatte.
Zurzeit befand er sich in dem Teil, wo er seine Informationen über Körperteile bzw. tote Körperteile lagerte. Es gab keinen Fall, an dem er hätte arbeiten können, aber vielleicht ein neues Experiment, mit dem er anfangen könnte.
Von unten hörte man leises Klappern, Mrs Hudson spülte wahrscheinlich ihr Geschirr. Von draußen drang der Lärm der Autos durch das offene Fenster und hin und wieder ein Gesprächsfetzen oder einfach nur das Geräusch von Schritten, wenn die Menschen vorbeieilten.
Sherlock bekam von alldem nichts mit. Er war gut darin, unwichtige Dinge, Dinge, die ihn ablenken könnten, von seiner Arbeit und seinen Experimenten, zu ignorieren.
Ungefähr eine Stunde später, er hatte sich gerade dazu entschieden, ein Experiment zu dem Thema abgeschnittene Extremitäten anzufangen, war das Geräusch eines Schlüssels zu vernehmen, der sich im Türschloss drehte.
Es war 18 Uhr und weil es Ende Juli war, würde es noch sehr lange hell bleiben. Sherlock schaute kurz zum offenen Fenster, aus dem man einen Teil des blaues Himmels sehen konnte, auf dem keine einzige Wolke entlang zog.
Er runzelte die Stirn. Die Tür war aufgeschlossen worden, aber niemand kam herein. Die Wohnungstür stand offen - Mrs Hudson war um die Mittagszeit da gewesen, um Tee zu bringen, und Sherlock hatte sich nicht die Mühe gemacht, aufzustehen und sie wieder zu schließen -, weswegen man eine gedämpfte Stimme hören konnte.
Sherlock wusste, dass es John war. Selbst wenn er die Stimme nicht erkannt hätte, was eine Wahrscheinlichkeit von -100% hatte, wer sollte es sonst sein? Immerhin hatte die Person, die sich anscheinend immer noch auf dem Bürgersteig befand, einen Schlüssel.
Warum kam er aber nicht rein?
Sherlock warf einen Blick auf die Uhr seines Handys - John hätte schon vor über einer Stunde hier sein müssen. Wo war er gewesen?
Und dann erinnerte er sich an dessen Worte von heute Morgen. Er hatte sie nicht vergessen, er hatte sie nur am Eingang des ersten Raumes gespeichert, der zu Johns Teil seines Gedächtnispalastes führte. Sie fielen ihm wieder ein, da er nun diese Tür geöffnet hatte.
"Es kann sein, dass ich etwas später nach Hause komme, ich muss noch was erledigen."
Sherlock hatte gefragt, was das wäre, aber darauf hatte John nur geantwortet, dass es eine Überraschung für ihn sei.
Sherlock hasste Überraschungen. Schnell hatte er überlegt, ob irgendwas besonderes wäre, Geburtstag, Jahrestag, Weihnachten, Valentinstag, aber es war nichts. Es war Sommer, es war heiß und selbst die Verbrecher wollten nicht unnötig ins Schwitzen kommen.
Erneut fragte Sherlock sich, um was für eine Überraschung es sich handeln könnte, und setzte sich auf. John hatte aufgehört zu reden. Auch wenn er die genauen Worte nicht verstanden hatte, so hatte er doch gemerkt, dass John mit jemandem reden musste, der bei ihm war.
Sherlock hoffte inständig, dass es nicht irgendein lästiger Besuch wäre - und absolut jeder Besuch wäre lästig.
Endlich ging die Tür auf, Sherlock wollte sich eigentlich wieder aufs Sofa legen, damit John nicht dachte, dass er ihn belauscht hatte, aber dann hörte er nur noch Johns Worte "Nein, nicht, warte...", bevor ihn auch schon etwas ansprang.
Dieses Etwas reichte ihm noch nicht mal bis zu den Knien und hatte dunkle Knopfaugen, eine kleine Stupsnase, viel zu große Ohren und wunderschönes rotbraunes Fell und begann freudig durch die Wohnung zu hüpfen.
Sherlock sah es mit großen Augen an und erst Johns sanftes "Hey" riss ihn aus seiner Starre. Er wandte den Kopf zur Seite, John setzte sich neben ihn und küsste ihn.
"Hey", antwortete er. "John, was zum Teufel...?"
Er blickte wieder zu dem kleinen Fellknäuel, das gerade über seine eigenen Pfoten stolperte.
"Das ist die Überraschung, die ich für dich hatte. Weißt du, eine Arbeitskollegin arbeitet freiwillig im Tierheim und hat mir ein Bild von ihm gezeigt. Er wurde vor drei Wochen dort abgegeben, ein älterer Herr hat ihn gefunden. Er lag in einem Karton irgendwo auf der Straße. Sie hat gesagt, er braucht ganz dringend ein Zuhause und eine Familie."
Sherlock sah ihn an und dann wieder den kleinen Welpen, der schwanzwedelnd die Wohnung erkundete. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Als er zu John sah, konnte er die Erleichterung auf dessen Gesicht sehen. Doch alles, was er tun konnte, war nicken und John küssen. Glücklich erwiderte dieser den Kuss.
Irgendwann wurden sie von dem kleinen Welpen unterbrochen, der sich zwischen sie drängte. Sherlock ließ seine Hand über das seidige Fell gleiten. "Wie heißt er?"
"Oh, er hat noch gar keinen Namen. Im Tierheim nannten sie ihn Flo, aber das war nur so zum Übergang. Wie möchtest du ihn nennen?"
Sherlock überlegte einen Moment. Er musste an seinen alten Hund Redbeard denken. Aber er wollte ihn nicht einfach ersetzen, indem er einem neuen Hund seinen Namen gab. Für einen Augenblick dachte er an Hamish, doch diesen Namen wollte er sich für etwas anderes aufheben. Also dann...
"Martin."
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One Shots Johnlock (German)
Fiksi PenggemarWie der Titel schon sagt, werde ich One Shots über Sherlock Holmes und John Watson - kurz Johnlock - schreiben. Die Figuren stammen aus der BBC-Serie "Sherlock" und gehören natürlich Sir Arthur Conan Doyle, Steven Moffat und Mark Gatiss. Alle Bilder...