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Oh nimm die Stunde wahr, eh sie entschlüpft. So selten kommt der Augenblick im Leben, der wahrhaftig wichtig ist und groß.

- Schiller



Wer ich bin? Unwichtig.

Was ist mache? Nicht relevant.

Wie es mir geht? Interessiert keinen.

Was ich will? Sterben.

Was ich fühle? Nichts. Bis zu diesen einem Tag.

Mein Leben ist bisher genauso verlaufen wie es sich eigentlich keiner Wünscht. Aufgewachsen bin ich in Daegu oder einfacher gesagt in Süd-Korea. Nun lebe ich in Busan, eigentlich sollte ich noch zur Schule gehen, doch das ging nicht mehr. Meine Mutter und mein Vater trennten sich letztes Jahr, weswegen wir umgezogen sind, doch leider verdiente meine Mutter nicht genug Geld um die Wohnung allein zu bezahlen. Aus diesem Grund arbeitete ich seit zwei Monaten in einer Autohersteller Firma. Einen Schulabschluss hatte ich nicht, obwohl ich ihn eigentlich machen wollte.

Nun ja, mein Leben war schon versaut, also konnte ja nicht mehr viel schiefgehen. Doch jeder braucht einen Grund zum Leben – ein Ziel, das er erreichen will.

Mein Ziel: Sterben.

Ich dachte ununterbrochen an das Sterben, an Tot sein. An die Erlösung. Bis auf einen Moment. Einen Moment der mein Leben veränderte.
Und das ist meine Geschichte:

Mein Körper fühlte sich schlapp an, müde, ausgepowert. Es war ein normales Gefühl für mich, ein Gefühl, dass mich jeden Tag begleitete. Dennoch war es für mich die reinste Qual so zu Arbeiten. Als müsste ich nicht schon genug gegen mich selber kämpfen, so muss ich jetzt auch noch versuchen schnell und effektiv zu arbeiten. Eine Arbeit in der ich denken müsste, war mir lieber. Das hätte mich wenigstens von meinen jetzigen Gedanken abgelenkt und es wäre nicht so anstrengend, doch natürlich musste ich das nicht. Stattdessen setzte ich Autoteile zusammen. Monoton und langweilig, mehr war die Arbeit nicht, doch ich musste dadurch.
„Yoongi, wenn du weiter so arbeitest, dann wirst du gefeuert.", warnte mich mein Arbeitskollege vor.
Er war eigentlich ganz in Ordnung. Wie ich trug er die Arbeitsklamotten, eine dunkelblaue Latzhose mit einem weißen Shirt auf dem der Firmenname draufsteht, gewöhnlich. Er sah aus wie alle anderen, dennoch war er anders. Er versuchte mir immer zu helfen und war für mich. Ich hätte ihn nicht als Freund bezeichnet, aber ein guter Kollege war er trotzdem.
„Najoen, wie spät ist es?", versuchte ich ihn abzulenken.
Wer dachte die Hölle ist unter der Erde lag falsch. Die Hölle war hier. Ich setze die nächsten Teile zusammen, während ich auf die Antwort wartete.
„16 Uhr.", murmelte er enttäuscht.
Genauso wie ich hoffte er, dass nun endlich halb Fünf ist. Doch die Zeit verging einfach nicht. So einfach die Arbeit auch war genauso langweilig war sie auch.
Die Depression, die sich die letzten Stunden zurückgezogen hatte, nagte wieder an meinem Gehirn.
„Bring dich um. Stirb. Es ist sinnlos. Wieso machst du das hier? Damit du am Ende im Grab liegst. Erspar dir das.", flüsterte die unbekannte Stimmte namens Depression in mein Ohr.

Bis zum Ende kämpfte sich Najoen mit mir durch, wie gesagt: gute Arbeitskollegen.

„Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.", schrie er mir hinterher, als ich aus der Firmenhalle auf die Straße lief.
Werde ich nicht haben. Mein Tag ist schon versaut.
„Danke. Dir auch.", schrie ich hinterher und ging in die entgegengesetzte Richtung wie er die Straße hinunter.
In Gedanken versunken über mein Leben lief ich zum Park wie jeden Abend.
Der Park war das schönste am Tag. Der einzige Moment indem ich mich nicht eingeengt von der Großstadt fühlte. Der einzige Ort an dem ich mich frei fühlte. Nicht das ich dann plötzlich wieder leben wollen würde, aber mir erschien es als ob sich meine Depressionen an diesem Ort beruhigen. Oder wohl eher, als sollte ich mich dort umbringen. Doch das Gefühl war beruhigend. Der Gedanke an den Tot war beruhigend.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und schaute zu den Baumkronen der Allee, durch die ich gerade lief, hoch. Der Himmel war grau und düster, als würde es jeden Moment zum Regen anfangen. Doch das hätte keinen großen Unterschied gemacht, da es heute anscheinend schon regnete, denn der Boden war schon Nass und Pützen bildeten sich auf dem Weg.
Der Park war so gut wie leer, abgesehen von dem Jungen, der vor den Bäumen stand. Ich näherte mich ihm vorsichtig.
Ja, meine Soziale Phobie wollte mich davon abhalten, doch ich war neugierig.
Wer war bei solch einem Wetter draußen und wer starrt, nun schon seit einer Ewigkeit, die Bäume an?
Suchte er etwas?
Suchte er nach dem Sinn des Lebens?
Doch meine Gedanken ließen den Jungen schnell wieder los, stattdessen lief ich weiter.
Und weiter. Kam ihm näher. Lief weiter. Kam ihm immer näher.

Er drehte sich um, sofort schaute ich auf den Boden.

Kein Menschlicher Kontakt. Kein Kontakt. Sprich mich nicht an. Sprich mich nicht an.
Endlich war er hinter mir. Doch dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ohne darüber nach zu denken drehte ich mich um und schon schaute ich dem Jungen in die Augen.
Er hatte dunkelbraune Augen, die zu lachen schienen. Seine Lippen waren rosa und voll.
Aus irgendeinem Grund hatte ich das Bedürfnis war zu sagen.
Ich fühlte mich ihm nahe – verbunden. Er schien nicht so wie die anderen Menschen von denen man sich verhalten sollte.
Er schien eher wie der Prinz von Dornrösschen. Der Kapitän einer Fußballmannschaft, beliebt und gutaussehend.
Oder besser gesagt, wie ein Ritter in der Not. Wie der  Ritter, der mich rettete, der mir meine Lebensfreude zurückgibt. Aber das ist Kindisches Denken. Das gab es nicht. Aber da gab es sein lächeln in den Augen.

Quatsch Yoongi!

Wir schauten uns in die Augen. Es schien so als wolle er mir was sagen, doch es kam nichts aus seinem Mund.
Zwischen uns lagen Welten, obwohl er direkt vor mir stand. Doch er war ein lebensfroher, perfekter Junge. Ich hingegen war nur... Nichts. Aber ich wollte ihn kennen lernen, doch meine Angst war größer. Meine Angst vor dem sozialen Kontakt. Meine Depressionen, die mir sagten: „Es hat keinen Sinn, du bist nicht gut genug. Stirb!". Sie waren größer. Sie waren wieder da. Sie waren stärker.

Seine dunkel braunen Augen durchlöcherten mich. Er sah mich an als könnte ich ihm vertrauen, doch ich konnte es nicht. Ich konnte ihn nicht mal ansprechen, obwohl wir direkt voreinander standen.
„Sprech ihn an!", sagte mir mein Herz,
„Du bist nicht gut genug.!", meinte mein Kopf.
„Renn um dein Leben!", befahl mir meine Angst.

Ich schaute ihn ununterbrochen an, doch in meinen Gedanken war ich plötzlich weit weg.
Mein Köpf führte einen inneren Krieg. Die eine Seite, die sagte „Stirb!", gegen die andere Seite, die sagte „E kann dich retten!"....

Bis ich endgültig in meinen Gedanken versank.

Yoonmin | It never happens (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt