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Seine Haare saßen perfekt. Doch ich wollte sein Gesicht sehen. Sein unglaublich, unfassbar süßes Gesicht.
„Jimin? ..." flüsterte ich erneut, als er mir noch nicht antwortete. Doch ehe sein Name meinen Mund verließ, sah ich seine Hand. Nicht, dass an seiner Hand etwas schlimm wäre, doch eine andere Hand hielt seine Hand fest. Die Finger waren ineinander verschränkt. Ich sah wieder auf zu seinem Gesicht, dass mich nun musterte. Er blieb erst still und sagte nichts. Er sah mich einfach nur an mit einem musternden Blick.
Erkannte er mich?
Vielleicht bedeutete ich ihm ja nichts, immerhin sah er nicht das, was ich sah. Er spürte nicht das, was ich spürte. Und erst recht nicht wusste er, wer ich war.
Ich war für ihn ein Niemand.
Er war für mich Alles, obwohl ich ihn nicht kannte.

In diesen Moment spürte ich das erste Mal seit Jahren wieder Schmerzen. Nicht diesen körperlichen Schmerz, der nur Temporär war. Nein, es war ein Stechen in mein Herzen. Mein ganzer Körper fing an schlagartig kalt zu werden und zog sich zusammen. Ich wollte gerade einfach nur im Boden versinken und dortbleiben. Ich wollte einfach nur sterben.
Es war als hätte man mir geraden den letzten Funken Hoffnung auf ein schönes Leben genommen. Mein letzter Lebenssinn ist soeben verschwunden.
Das war wohl das schlimmste Gefühl in meinem Leben.
Dieser Moment, wenn du der Person, die dir aus irgendeinen unerklärlichen Grund alles bedeutete, nichts bedeutest.
Ich war ein Niemand. Nichts.
Keiner würde mich missen, wenn ich weg bin.
Meine Augen fühlten sich schwer und feucht an. Ich wollte weinen und schlafen. Ich war so müde. Seit Monaten konnte ich nicht mehr richtig schlafen, immer fühlte ich mich müde, doch gerade jetzt wurde es unerträglich.

Ein kleines Lächeln breitete sich plötzlich auf seinen Lippen aus. Das Lächeln, dass ich damals in meinen Kopf immer sah. Sein Lächeln, dass Wertvoller als die Sonne war. Er öffnete gerade seinen Mund und sagte etwas, doch dann durchbrach ein lauter Knall die Bäckerei.
Der Schall verbreitete sich im ganzen Raum und plötzlich wurde es still.
Totensill.
Keiner sagte mehr ein Wort, keine regte sich, keiner wusste, was geschehen war.

Wir blickten gemeinsam in die Richtung, von der der Schall kam. Als ich sah, wer da war, weiteten sich meine Augen.
Im Türrahmen der Bäckerei stand niemand anderes, als ein Mann in schwarzer Kleidung. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, da er eine Maske trug. Neben diesem Mann standen weitere Männer, die genauso aussahen. Alle drei hielten eine Waffe in ihren Händen.

Ich spürte die pure Leere wieder in mir. Dieser Schock, der mein Körper durchzog.

Keiner sagte ein Wort, doch es war lauter denn je.
Die Männer kamen weiter rein, dann zielten sie mit ihren Waffen auf die Menschen.
Für einen Moment hörte mein Herz auf zu schlagen, dann durchbrach ein lauter Knall wieder die Stille. Kurz darauf hörte man einen dumpfen Aufschlag, als würde ein Körper auf den Boden knallen.
Als ich realisierte, dass die Männer wild um sich schossen, erwachte ich aus meiner Starre. Ohne nachzudenken griff ich nach Jimins freier Hand und zog ihn samt seinen Freund mit in die Ecke der Bäckerei. Die Leute schauten uns vorwurfsvoll mit großen Augen an, doch kurz darauf lagen die Augen schon auf dem Boden.

Alles was ich hörte, waren Schüsse und wie leblose Körper auf den Boden knallten. Ein paar Frauen schrien, doch ehe ich den schrei höre, war es schon wieder still. Irgendwo in dieser Bäckerei weinte ein Kind um ihre Mama, doch sie wird ihre Mama nie mehr sehen.

Als ich mit Jimin und seinen Freund in der Ecke war, sah ich das dort eine Hintertüre war.
Er musste hier raus.
„Ich kenn dich doch", keuchte eine Stimme leise hinter mir, doch ich konnte nicht darauf antworten. Irgendwo hier waren die Männer und sie konnten uns sehen und Jimin erschießen. Er hatte es noch nicht verdient.
„Wir sind uns doch im Park begegnet", ergänzte dieser nur außer Atem. Ich nickte nur leicht, während ich auf die Schritte hörte, die uns näherkamen.

Mein Herz klopfte schneller denn je. Ich hatte Angst. Mit einer Handbewegung deutete ich auf die Hintertür, die Jimin sofort wahrnahm.
Die Schritte kamen näher und die Schüsse wurden lauter.

Ich setze mich auf den Boden und öffnete die Türe etwas, doch in diesem Moment hörte ich eine tiefe Stimme.
„Türe zu!", schrie sie. Ich blick wie erstarrt den Mann an, dieser nun seine Waffe auf meine Stirn drückte.

Und plötzlich wollte ich nichts Anderes als leben.

Ich wollte kämpfen. Kämpfen, damit ich weitere leben konnte. Damit ich um Jimin kämpfen konnte. Damit ich sah, wie er glücklich wurde. Damit ich sah, wie er lebte. Damit wir zusammen sein konnten.
Ich wollte meine Mum noch ein letztes Mal sehen. Sie umarmen, ihre Nähe spüren und ihr sagen, dass ich sie lieb hab.
Ich wollte ihr sagen, dass ich dankbar dafür war, was sie für mich tat.
Ein letztes Mal wollte ich noch den Sonnenuntergang sehen.
Ein letztes Mal wollte ich etwas Gutes tun.
Einmal in meinem Leben wollte ich die Liebe spüren, die ich so vermisste.
Einmal in meinem Leben wollte ich es genießen.
Einmal wollte ich das richtige tun.

Also tat ich es.

„Jimin, geh", murmelte ich mit Tränen in den Augen.
Dieser stand hinter mir, wollte gerade aus der Türe gehen, doch irgendwas ließ ihn hier.
„Jimin, geh. Leb dein Leben!!", schrie ich nun verzweifelt. Dann hörte ich schon, wie er nach draußen gezogen wurde, doch im gleichen Moment, hörte ich einen Dumpfen Schall. Ich sah ein Kind, dass bei seiner Mum saß und um sie heulte.
Ich sah, wie Mütter mit Panik durch die Bäckerei liefen und ihre Kinder suchten.
Ich sah, wie der Mann abdrückte.
Mein Körper knallte auf den Boden, im Hintergrund ertönte ein lautes Schreien.

Dann war es still.

Ein letztes Mal in meinem Leben zog alles an mir vorbei.

Meine Kindheit, wie ich unwissend, aber glücklich lebte.
Die Scheidung, die Streitereien und wie wir ihn verließen.
Und dann blieb alles bei dem Moment stehen, an dem ich Jimin sah. Sein wunderschönes Gesicht. Seine Augen und sein Lächeln. Ich sah ihn und es war einfach perfekt.

Doch dann wurde es schwarz. Nichts mehr war wieder da.

Ich wusste nicht, was aus Jimin geworden ist. Niemals hätte ich erfahren, was hätte passieren können.



Yoonmin | It never happens (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt