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Becca

Der Vormittag vergeht nur schleppend. Ich hätte doch mit Gage mitfahren sollen. Aber dann würde er sich vielleicht Hoffnungen machen und das ist das letzte, was ich brauche. Als es mir in der Küche zu langweilig wird, gehe ich wieder ins Bett und versuche zu schlafen. Eine gute halbe Stunde lang, gelingt es mir sogar. Aber dann bin ich hellwach und wälze mich nur noch herum. Leider hat Gage keine für mich geeigneten Bücher in seinem Regal stehen. Nur alte Westernromane und ein paar Star Wars Comics. Nein Danke. Ich springe sofort aus dem Bett, als der Mustang heranrollt. Das tiefe röhren des Sportauspuffs, hört man meilenweit. Damit es nicht so aussieht, als hätte ich mich total gelangweilt, gehe ich nicht zurück in die Küche sondern halte für Gage die Haustüre auf. Gerade als ich sie aufziehe, versucht er die Schlüssel in das Schloß zu stecken. Er weicht erschrocken einen Schritt zurück und lächelt dann verwirrt. Offenbar ist ihm entfallen, dass ich hier auch wohne. Vorübergehend zumindest. „Hi". Er schiebt sich an mir vorbei und steuert auf die Küche zu. In seiner rechten Hand hat er eine kleine weiße Papiertüte mit Griffen aus Satinbändern. Ich frage mich, was sich in der Tüte befindet. Dieses Geheimnis lüftet er allerdings sofort. Gage stellt die Tüte auf den Tisch und holt eine graue Schachtel heraus. Er hält sie mir entgegen und hat dabei eine Miene aufgesetzt, die ich überhaupt nicht deuten kann. „Was ist das". Ich traue ihm nicht, zum Schluss springt mich etwas an und er lacht sich auf meine Kosten kaputt. Gage wackelt genervt mit dem Päckchen. „Jetzt mach schon auf. Es ist deines". Das er mir etwas gekauft hat, finde ich gar nicht gut. Aber wenn ich es nicht aufmache, würde er mit Sicherheit Beleidigt sein und mich wieder der Langeweile überlassen. Ich nehme das Päckchen und drehe es in meinen Händen. Über der Schachtel ist noch eine Schachtel, die ich herunter schieben muss. Aber keine der beiden Verpackungen gibt mir irgendeinen Aufschluss darüber, was sich darin befindet. Erst als ich bei der Dritten Verpackung bin, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. „Du hast mir ein Handy besorgt". Gage schaut gespielt verwirrt. „Echt. Ich dachte ich hätte dir einen Kuchen einpacken lassen". Er stellt sich vor mich und nimmt die kleinere Schachtel aus der größeren. Was ich da sehe, glaube ich ja nicht. Das Telefon ist ein vermögen wert. Es ist nagelneu und erst vor ein paar Wochen auf den Markt gekommen. „Es hat satte 600GB Speicher", erklärt Gage und nimmt es aus einer dünnen Plastikfolie. „Das nehme ich nicht an", sage ich entschlossen. Er tut so, als habe er meinen Einwand gar nicht gehört. Vielleicht hat er das auch wirklich nicht, weil er so in das neue Telefon verliebt ist. „Du solltest es für dich verwenden. Ich kann und werde das nicht von dir nehmen". Gage hebt seinen Blick und schaut mich ausdruckslos an. „Ok, du willst es nicht. Warum". Ich verdrehe die Augen. „Das hat viele Gründe. Erstens brauche ich so ein teures Ding nicht und ich weiß auch gar nicht was ich mit einem so großen Speicher anstellen soll. Zweitens sollst du dein Geld für deine Ausbildung nach der Schule sparen und nicht für irgendjemanden aus dem Fenster werfen". Ich bin stinkwütend und dass er die ganze Zeit seinen Kopf schüttelt, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf macht es nicht besser. „Was ist der eigentliche Grund", fragt er ruhig und dreht das Handy schwungvoll in seiner Hand. „Ich lasse mich von dir nicht kaufen. So eine bin ich nicht". Gage wirft das Telefon in die Luft bis es fast an die Decke klatscht und fängt es mühelos hinter seinem Rücken. Ein leiser Aufschrei entweicht meiner Kehle, weil ich kurz dachte, es fällt auf den Boden. Gage hält es mir mit selbstgefälliger Miene entgegen. „Nimm es. Zurückbringen werde ich es sicher nicht mehr". Ich starre einen Augenblick auf das Ding in seiner Hand. Natürlich ist es verlockend. Gar keine Frage und schließlich ist mein altes Telefon wegen Gage zu Bruch gegangen. „Nimm es, es gehört dir". Ich nehme ihm das Telefon aus den Händen und wiege es in meiner Hand. „Es ist sauschwer", erkläre ich ihm. Während ich das Telefon inspiziere, lehnt sich Gage an die Theke und beobachtet mich dabei grinsend. Mein Daumen gleitet über das Display. Es ist total glatt und nicht so verkratzt wie mein altes. Die Rückseite fühlt sich kühler an als die Vorderseite. Schätzungsweise besteht sie aus Aluminium. „Edelstahl", sagt Gage. Ich habe meinen Kopf. „Danke". „Du solltest es vor dem ersten Gebrauch mindestens vier Stunden laden". Ich suche in der Schachtel nach einem Ladekabel und werde gleich fündig.

Am zweiten Abend wurde die Couch immer noch nicht geliefert. Gage hing am Nachmittag ein paarmal am Telefon um nachzufragen was los ist und warum die Firma nicht liefert. Allerdings ohne Ergebnis. Sie befindet sich auf dem Weg. Mehr konnten sie ihm nicht sagen. Wenn er nicht selbst schuld wäre, könnte ich fast ein schlechtes Gewissen haben, dass er schon wieder auf dem Boden schlafen muss. Obwohl, so ganz stimmt das ja nicht, er hat die halbe Nacht bei mir im Bett verbracht. Ich brauche mir also überhaupt keine Gedanken darüber machen. Tyler ist heute nicht vorbeigekommen, was ich ein wenig komisch finde. Aber vielleicht ist es besser so. Die Gefahr, dass er dabei an Gage gerät ist nicht zu unterschätzen. Dennoch wurmt mich das ein wenig. Ich liege im Bett und versuche einige Telefonbucheinträge aus meinem Gedächtnis heraus ein zu tippen. Ein paar Nummern fallen mir sogar ein. Aber leider eben nicht alle. Gage steckt seinen Kopf durch die Türe. Ich möchte ihn gerade anschreien, dass er gefälligst anklopfen soll, als er sie wieder zuwirft und gleich darauf wie es sich gehört anklopft. „Komm rein", sage ich genervt. „Ich wollte dir nur sagen, dass dein Freund angerufen hat". Schlagartig richte ich mich auf. „Mein Freund. Hä... Du meinst wohl Tyler". Gage hebt beide Augenbrauen und schaut mich fragend an. „Ist er nicht dein Freund". Das geht Gage überhaupt nichts an. „Du kannst es auf Facebook sehen, falls wir soweit kommen es bekannt zu machen. Aber bis jetzt ist er nicht mehr oder weniger als du", pflaume ich Gage an. „Ganz bestimmt ist er nicht so gewalttätig wie du". Sein Gesichtsausdruck wechselt von hocherfreut zu absolut betreten. „Möchtest du alleine sein", fragt er vorsichtig. Nein, möchte ich nicht. Ich werfe die Bettdecke zurück, damit er zu mir ins Bett schlüpfen kann. Gage schließt die Türe hinter sich nicht, was aber eigentlich egal ist weil hier sonst niemand wohnt und geht zum Kleiderschrank. Dort fischt er sich eine karierte Pyjamahose und ein weißes Achselhemd heraus und verschwindet wieder im gegenüberliegenden Bad. Ich nutze die Gelegenheit und schnappe mir ein weites Sweatshirt aus meiner Tasche und schlüpfe in eine ausgewaschene Jogginghose. Das Nachthemd von gestern verbanne ich unter dem Bett, damit er es gar nicht erst wieder zu Gesicht bekommt. Gage duftet wundervoll als er unter die Decke kriecht uns sie sich bis zum frisch rasierten Kinn hochzieht. Seine Haare glänzen Feucht und ein paar seiner glatten seidigen Fransen hängen ihm in die Stirn. Er hat seine Augen geschlossen und versucht zu schlafen, aber ich kann spüren, dass er noch gar nicht müde ist und vor allem spüre ich, dass ihm noch eine Frage, die er vorher nicht stellte, auf der Zunge liegt. „Was ist", frage ich. „Du hast eine Frage, das kann ich deutlich fühlen". Seine Augen gehen auf und er sieht mich mit diesem verschlafenen und ausgewaschenen Schlafzimmerblick an. „Dein Facebook Status. Du hast ihn noch nicht geändert". Ich lege mein Handy auf den Nachttisch. Mehr Nummern fallen mir eh nicht mehr ein. Um die restlichen Nummern, kann ich mich morgen kümmern. Wäre schlau gewesen, wenn ich sie vorher auf die Sim Karte gespeichert hätte. Dummheit wird eben immer bestraft. „Was meinst du damit". Ich krieche unter die Decke und ziehe sie mir wie Gage bis zum Kinn. Seine Hand zieht eines der Kissen heran und er stopft es sich unter den Kopf. „Du hast deinen Status noch nicht geändert. Ich meine, du hast mich immer noch als deinen Freund eingetragen". Ich gähne ausgiebig. „Das kann schon sein, ich bin nicht oft auf Facebook und habe es bestimmt übersehen". Dieses dämliche Facebook- Status – Thema scheint ihm sehr zu belasten. „Wie wird dein Status aussehen, wenn du es dann änderst". Kurzerhand drehe ich mich herum, nehme das neue Handy in die Hand und logge mich auf Facebook ein um meinen Status zu ändern damit ich endlich meine Ruhe habe. Als ich fertig bin und hochoffiziell von ihm getrennt, knipse ich das Licht auf meinen Nachttisch aus und schließe meine Augen. „Du kannst meinen Status jetzt auf Facebook sehen, falls es dich interessiert". Gage nimmt sofort sein Telefon in seine Hand und scrollt mit dem Daumen auf und ab. „Du bist jetzt Single und lesbisch". Ich unterdrücke ein kichern, aber es misslingt komplett. „Ja, hast du ein Problem damit". Er knurrt etwas unverständliches und legt sich wieder auf das Kissen. Das Handy legt er aber erst zurück, als ich eingeschlafen bin. Zu meiner eigenen Verwunderung schlafe ich ziemlich schnell ein. Eigentlich komisch, wenn man bedankt, dass ich den halben Vormittag verpennt habe.


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